Versiegelung eines Tiefenlagers als Beitrag zur Langzeitsicherheit

Die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers für radioaktive Abfälle beruht auf geeigneten natürlichen und technischen Barrieren. Zu den technischen Barrieren gehören nebst den speziellen Lagerbehältern auch die Verfüllung der Einlagerungsstollen und Zugänge. Die Gesamtheit der Barrieren dient dazu, die radioaktiven Abfälle vom Lebensraum des Menschen zu trennen.

Infografik: Schichten mit Ausbruchmaterial und Versiegelung werden von den Zugangsbauwerken durchquert. Besonders zu beachtende Bereiche werden zum Beispiel mit Bentonit verschlossen. (Quelle: Tiefenlagerbroschüre ENSI)

„Für eine sichere Entsorgung von radioaktiven Abfällen müssen diese während langen Zeiträumen vom Lebensraum des Menschen isoliert werden“, hält Felix Altorfer, Leiter des Aufsichtsbereichs Entsorgung beim Eidgenössischen Nuklearsicherheits-inspektorat ENSI fest. Aus diesem Grund sieht die Gesetzgebung vor, dass radioaktive Abfälle in Tiefenlagern entsorgt werden und die Tiefenlager verschlossen werden müssen.

Für den Verschluss eines Tiefenlagers werden die Zugangsbauwerke verfüllt und versiegelt. „Die Dichtheit dieser Versiegelungen hat einen Einfluss auf die Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers“, betont Felix Altorfer. Für die Langzeitsicherheit der Rückhaltung der radioaktiven Stoffe sind das Gestein, in dem sich das Lager befindet (Wirtgestein), das Gestein oberhalb und unterhalb des Wirtgesteins (Rahmengestein) sowie die Verfüllung und Versiegelung der Zugangsbauwerke innerhalb des Wirt- und Rahmengesteins massgebend.

 

 

Versiegelungskonzept ist grundsätzlich geeignet

Im aktuellen Versiegelungskonzept ist der Einsatz des bei Wasserzutritt quellenden und somit abdichtenden Bentonits vorgesehen. Bentonit besteht aus verschiedenen Tonmineralen. Wie viele tonreiche Gesteine weist er gute Eigenschaften für die Rückhaltung radioaktiver Stoffe auf. Er füllt durch sein Aufquellen mit der eindringenden Bergfeuchte die Lagerstollen komplett aus. Das Quellen des verdichteten Bentonits führt zu einer sehr geringen Wasserdurchlässigkeit. Ausserdem haften die meisten radioaktiven Stoffe sehr gut an der blättrigen Oberfläche der Bentonitminerale, was deren Transport verzögert. Dadurch zerfällt ein grosser Teil der radioaktiven Stoffe, bevor diese die Bentonitbarriere durchquert haben.

Bei schwach- und mittelaktivem Abfall werden die Lagerkavernen mit Zementmörtel verfüllt. Auch an diesem Material haften die meisten radioaktiven Stoffe gut. Im Fall eines Lagers für schwach- und mittelaktive Abfälle werden für die Zugangsbauwerke Dichtelemente mit Bentonit oder Bentonit-Sand Gemischen verwendet.

Die Versiegelung besteht aus verschiedenen Elementen: Aus einem Abdichtungselement (Bentonitmaterial) und aus statischen Widerlagerelementen. Die Wiederlagerelemente dienen dazu, dass die Versiegelung an Ort und Stelle bleibt.

 

Weitere Untersuchungen gefordert

Das ENSI hat mit unabhängigen Experten das Versiegelungskonzept der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle Nagra bereits im Rahmen des Entsorgungsnachweises für hochaktive Abfälle geprüft. „Wir erachten die vorgeschlagenen Versiegelungen als grundsätzlich geeignet“, sagt Felix Altorfer. „Wir sind aber auch der Ansicht, dass für den Bau dieser Versiegelungen weiterhin Forschungsbedarf besteht. Die Fragen zu den Versiegelungsbauwerken werden international untersucht. In der Schweiz liefern Experimente in den Felslaboren Grimsel und Mont Terri Ergebnisse, die bei der Entwicklung der Versiegelungsbauwerke berücksichtigt werden.“

Die Nagra sieht die Verwendung von kompaktiertem Bentonit (in Form von Blöcken und Granulat) vor. Nach Ansicht des ENSI bestand bezüglich der Homogenität der Verfüllung und des Quell- und Langzeitverhaltens beschränkte Erfahrungen mit Bentonit. Die Aufsichtsbehörde hat deshalb weitere Untersuchungen nach Prüfung des Entsorgungsnachweises gefordert.

Experimente mit Verwendung von Bentonitgranulat sind im Felslabor Mont Terri gestartet worden. Erfahrungen aus Experimenten in verschiedenen Felslabors im In- und Ausland (Grimsel, Äspö, Stripa) zeigen, dass kompaktierter Bentonit die für die Versiegelung geforderte Barrierenwirkung erzielen kann. Aus Sicht des ENSI sind die diesbezüglichen Forschungsarbeiten weiterzuführen.

Die vom ENSI geforderten weiteren Untersuchungen sollen dazu führen, weitere Erkenntnisse für den Bau von Versiegelungsbauwerken zu gewinnen. Vertiefte Abklärungen sind beispielsweise zu den Eigenschaften, zur Herstellung und zum Einbringen von Bentonitgranulat, zur Langzeitbeständigkeit von Bentonit und zum Gastransport im Bentonit vorzunehmen.

 

Grundwasser und Lebensraum der Menschen geschützt

Besondere Aufmerksamkeit wird dem Schutz des Grundwassers geschenkt. Die Zugangsbauwerke oberhalb des umliegenden Gesteins vom Lager müssen so verfüllt werden, dass die ursprüngliche Trennung der verschiedenen Ebenen des Grundwassers (Grundwasserstockwerke) wieder hergestellt wird. Diese Massnahmen tragen zum langfristigen Schutz des Grundwassers bei.

Die Freisetzung von radioaktiven Stoffen entlang der Stollenwände und Zugänge wird durch die abdichtenden Versiegelungsstrecken, die sich an den Enden der Einlagerungsstollen befinden, sowie in den Zugängen zum Tiefenlager verhindert oder zumindest stark reduziert.

 

Rückholung muss möglich bleiben

Bis zum Verschluss eines Lagers muss die Rückholung der radioaktiven Abfälle ohne grossen Aufwand möglich sein. Die schrittweise Verfüllung des Tiefenlagers und der Zugangsbauwerke stellt die erleichterte Rückholbarkeit der Abfälle sicher. Bis zum letzten Verschlussschritt, der Verfüllung und Versiegelung der letzten noch offenen Zugänge, ist die Zugänglichkeit zu den eingelagerten Abfällen gewährleistet. Im Verlauf der Realisierung des Projekts ist das Vorgehen zur Rückholung der Abfälle detaillierter zu erarbeiten. Das ENSI verlangt, dass das Konzept einer allfälligen Rückholung der Abfälle mit dem Baubewilligungsgesuch für das geologische Tiefenlager vorzulegen ist. Die Techniken der Rückholung müssen vor der Einlagerung der Abfälle erprobt worden sein.

 

Bentonite

Bentonite gehören zu den Gesteinen mit den höchsten Gehalten an Tonmineralen. Der Name Bentonit stammt von der Lokalität, Fort Benton in Wyoming, USA. Bentonite entstehen aus vulkanischen Ablagerungen mit viel Glas. Das Glas wird durch den Einfluss von Wasser in Tonminerale umgewandelt. Dabei entstehen Gesteine, die oft mehr als 80% Tonminerale enthalten (zum Vergleich, der Opalinuston enthält 25-80% Tonminerale). Aufgrund des hohen Tonmineralgehaltes stellt der Bentonit also ein natürliches Material mit sehr hoher Quellfähigkeit und maximalen Rückhalteeigenschaften für radioaktive Stoffe dar. Bentonite werden vielfältig eingesetzt, sowohl in der Technik (Bohrspülungen, Weinverarbeitung, Pharmaindustrie, Papierherstellung) als auch im täglichen Gebrauch (Kosmetikartikel, Katzenstreu).