Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärken

Einige mögen das Resultat unserer Bevölkerungsbefragung erfreulich finden, dass nur gerade 19 Prozent der Schweizer Bevölkerung die Schweizer Kernkraftwerke als „nicht sicher“ bezeichnen. Ich aber sehe zwei andere Zahlen: Gut ein Drittel der Menschen in der Schweiz (36%) geht davon aus, dass eine hohes Unfallrisiko bei Schweizer Kernkraftwerken bestehe, und jeder Vierte (27%) macht sich „grosse Sorgen“ wegen der Kernkraftwerke.

Im Leistungsauftrag 2012 – 2015, den uns der ENSI-Rat erteilt hat, sind zwei Wirkungsziele vorgegeben:

 

  1. Die Kernkraftwerke sind sicher und
  2. Die Bevölkerung fühlt sich sicher.

Den Punkt 1 dürfen wir nach den umfangreichen Überprüfungen der Schweizer Kernkraftwerke nach Fukushima mit Nachdruck vertreten. Die Sicherheit der Schweizer Kernkraftwerke ist auch im internationalen Vergleich hoch.

Punkt 2 ist nicht erfüllt. Das macht die Bevölkerungsumfrage der Universität Zürich deutlich, die ein Jahr nach Fukushima durchgeführt wurde. Es mag sein, dass die Nachweise zur Erdbebensicherheit der Schweizer Kernkraftwerke, welche die Betreiber in der Zwischenzeit erbracht haben, und der für die Schweiz positiv ausgefallene Vergleich mit den europäischen Nachbarn im EU-Stresstest eine zusätzliche Versicherung gebracht haben. Aber das unerfreuliche Faktum bleibt: Zu viele Menschen in der Schweiz machen sich Sorgen wegen der Kernkraftwerke. Da sind wir als Aufsichtsbehörde gefordert – nicht zuletzt im Bereich der Kommunikation. Es muss uns noch besser gelingen, der Öffentlichkeit in allgemein verständlicher Form darzulegen, wie und warum wir zu unseren Beurteilungen und Schlussfolgerungen kommen.

Unser Fokus wird aber auch künftig prioritär auf Ziel 1 liegen, der technischen Sicherheit der Kernkraftwerke. Nicht nur, weil unsere Kernkompetenz die Aufsicht und die technische Beurteilung der Sicherheit der Nuklearanlagen ist, sondern weil das Ziel 1 „Die Kernkraftwerke sind sicher“ Grundvoraussetzung für das Ziel 2 „Die Bevölkerung fühlt sich sicher“ ist.

Wollen wir Ziel 2 erreichen, dass noch mehr Leute – unabhängig von ihrer grundsätzlichen Einstellung zur Atomenergie – darauf vertrauen, dass das Risiko eines grossen Unfalls in einem Schweizer Kernkraftwerk wirklich sehr, sehr klein ist, dann müssen wir dafür sorgen, dass die Kraftwerke weiterhin nicht nur die strengen gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen, sondern bis zum letzten Betriebstag über eine grosse Sicherheitsmarge verfügen.

Nur auf dieser Basis kann unsere Kommunikation erfolgreich sein und ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Aufsichtsbehörde gerechtfertigt. Sonst verkommen unsere zentralen Werte wie Kompetenz, Verlässlichkeit, Unabhängigkeit und Transparenz zu durchsichtigen PR-Schlagworten.

Um die Transparenz weiter zu erhöhen, werden wir nun das Technische Forum Kernkraftwerke (TFK) initiieren. In diesem Forum sollen mindestens dreimal jährlich die Kernkraftwerkbetreiber, Interessierte aus den Gemeinden der Standortregionen, aus den Kantonen, aus der Politik und der Verwaltung unter Leitung der Aufsichtsbehörde zusammenkommen. Ebenfalls eingeladen werden die Kritiker von spezialisierten NGOs. In aller Offenheit sollen im Forum die aktuellen Fragen aus der Bevölkerung rund um die Sicherheit der Kernkraftwerke diskutiert werden. Alle Fragen, die Diskussion im TFK dazu und die Antworten werden auf unserer Website veröffentlicht und damit für die ganze Bevölkerung zugänglich.

Das Technische Forum Kernkraftwerke soll dazu beitragen, dass sich noch mehr Leute eine kompetente eigene Meinung zur Sicherheit der Schweizer KKW bilden oder zumindest besser nachvollziehen können, warum wir als Aufsichtsbehörde welche Entscheide fällen.

Ich bin zuversichtlich, dass damit ein weiterer Schritt in Richtung unseres zweiten Ziels gemacht werden kann: Dass sich bald noch mehr Menschen bezüglich der Kernkraftwerke in der Schweiz „sicher fühlen“.

 

Hans Wanner
Direktor ENSI