ENSI will mehr als gesetzliche Minimalsicherheit

Kernkraftwerke in der Schweiz müssen über ihre ganze Lebensdauer mehr als nur die minimalen Sicherheitsanforderungen erfüllen. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI besteht darauf, dass die Betreiber dafür sorgen, dass ihre Anlagen bis zum letzten Betriebstag über zusätzliche Sicherheitsmargen verfügen.

Das ENSI will, dass die Sicherheitsmarge eines Kernkraftwerks (grüne Linie) immer mindestens dem Stand der Nachrüsttechnik (graue Linie) entspricht. Dazu sind regemässige Investitionen des Betreibers notwendig. Ein Kernkraftwerk soll spätestens ausser Betrieb genommen werden, wenn die Marge des Werks unter den Stand der Nachrüsttechnik sinkt. Diese Marge liegt über den gesetzlichen Ausserbetriebnahmekriterien (rote Linie).
Das ENSI will, dass die Sicherheitsmarge eines Kernkraftwerks immer mindestens dem Stand der Nachrüsttechnik entspricht. Dazu sind regelmässige Investitionen des Betreibers notwendig. [Auf Bild klicken für grössere Darstellung]
Die Schweiz kennt keine gesetzlich fixierten Laufzeitbeschränkungen für Kernkraftwerke. Laut Gesetz haben die Betreiber das Recht, ihre Anlagen solange weiter zu betreiben, wie sie sicher sind – das heisst: solange sie die gesetzlichen Sicherheitsanforderungen erfüllen.

Sobald aber ein Kernkraftwerk eine der im Kernenergiegesetz definierten Minimalanforderungen bezüglich Sicherheit nicht mehr erfüllt, muss es ausser Betrieb genommen werden. Ein Kraftwerk muss vom Betreiber aus den folgenden Gründen zwingend vom Netz genommen werden:

  1. Abschaltkriterien gemäss der Ausserbetriebnahmeverordnung des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK: Darin geht es vor allem um Alterungsvorgänge und Fehler in der Auslegung von Kernkraftwerken, die erst später erkannt werden.
  2. Abschaltkriterien gemäss der technischen Spezifikation des Betreibers: Diese wurden vom ENSI freigegeben und müssen zu jeder Zeit eingehalten werden.
  3. Unmittelbare Gefahr: Besteht ein konkreter Anlass zur Befürchtung, dass in naher Zukunft ein Störfall mit möglichen Folgen für Menschen und Umwelt eintreten könnte, kann das ENSI gemäss Kernenergiegesetz die Abschaltung eines Kernkraftwerks verfügen.
  4. Einhalten von Bewilligungsvorschriften: Wenn die Bewilligungsvorschriften nicht eingehalten werden, würde das UVEK als Bewilligungsbehörde die Bewilligung entziehen.
  5. Ausserordentliche Lage: In einem solchen Fall könnte der Bundesrat die Kernkraftwerke ausser Betrieb nehmen lassen.

 

Schweizer System verlangt Sicherheitsmargen

„Alle Schweizer Kernkraftwerke erfüllen zum jetzigen Zeitpunkt die gesetzlichen Sicherheitsanforderungen“, betont ENSI-Direktor Hans Wanner. „Wir begnügen uns in der Schweiz jedoch nicht mit diesem Minimum an Sicherheit.“ Das Schweizer System verlangt darüber hinaus eine Sicherheitsmarge. Die Betreiber der Kernkraftwerke in der Schweiz sind von Gesetzes wegen verpflichtet, ihre Anlage laufend soweit nachzurüsten, als dies nach der Erfahrung und dem Stand der Nachrüsttechnik notwendig ist, zu einer weiteren Verminderung der Gefährdung beiträgt und angemessen ist. Dazu müssen die Betreiber die Entwicklung von Wissenschaft und Technik sowie die Betriebserfahrungen vergleichbarer Anlagen verfolgen und Erkenntnisse daraus im eigenen Kraftwerk umsetzen.

So dienen zum Beispiel die Massnahmen, zu denen das ENSI die Betreiber im Aktionsplan Fukushima verpflichtet hat, dazu, die Sicherheitsmargen der einzelnen Kernkraftwerke weiter zu verbessern. Auch gewisse Forderungen, die das ENSI im Rahmen der Stellungnahmen zu den Langzeitbetriebsnachweisen der Kernkraftwerke Beznau und Mühleberg erhoben hat, gehen über den Stand der Nachrüsttechnik hinaus.

Entsprechend kamen die internationalen Experten im Rahmen des EU-Stresstests zum Schluss , dass die Schweizer Anlagen trotz ihres Alters über hohe Sicherheitsmargen verfügen.

 

Kernkraftwerke dürfen nicht ausgefahren werden

Trotz aller Nachrüstungen erreichen alle Kernkraftwerke auch aus technischen Gründen früher oder später die Grenze ihrer Lebensdauer. Dies liegt insbesondere an der Alterung wichtiger Komponenten, die nicht ausgetauscht werden können.

Bei einem absehbaren Betriebsende wird sich der Betreiber genau überlegen, wie viel er noch in seine Anlage investieren wird. Rein wirtschaftliche Überlegungen könnten dazu führen, dass der Betreiber nur noch so viel investiert wie unbedingt nötig, damit seine Anlage die gesetzlich verlangte Minimalanforderung erfüllt.

Dies ist aus Sicht der Aufsichtsbehörde nicht akzeptabel. „Wir wollen nicht, dass Kernkraftwerke ausgefahren werden“, betont ENSI-Direktor Wanner mit Nachdruck. Das ENSI besteht deshalb darauf, dass die Betreiber auch in der letzten Betriebsphase ihres Kernkraftwerks noch in die Sicherheit investieren. „Es muss sichergestellt sein, dass ein Kernkraftwerk bis zum letzten Betriebstag mit einer genügenden Sicherheitsmarge gefahren wird.“

 

Parlament befasst sich mit Langzeitbetrieb

Auch das Eidgenössische Parlament befasst sich im Rahmen der Diskussion um den Ausstieg aus der Kernenergie mit der Gestaltung der Restlaufzeit. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates UREK-N hat dabei auch einen vom Bundesamt für Energie BFE, Bundesamt für Justiz BJ und dem ENSI ausgearbeiteten Vorschlag diskutiert.

Die Kommission forderte im April den Bundesrat auf, eine „Verständigungslösung“ zu prüfen. Diese sieht vor, dass die Betreiber von Kernkraftwerken nach vierzig Jahren dem ENSI ein Betriebskonzept vorlegen müssen, welches den sicheren Betrieb der Anlage für weitere, maximal zehn Jahre ausweist. Das Konzept dient der Aufsichtsbehörde als Grundlage für die Erteilung einer entsprechenden Betriebsfreigabe bis fünfzig Jahre. Eine Minderheit lehnt die Kommissionsmotion ab und will weiterhin an einem unbefristeten Betrieb der Kernkraftwerke festhalten.