Viele Sichtweisen – eine Verantwortung bei der Aufsicht

Oberstes Ziel des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI ist der Schutz von Mensch und Umwelt vor den Gefahren der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Im ENSI wird intensiv daran gearbeitet, dass die Betreiber die Sicherheit der Kernanlagen aufrechterhalten und weiter verbessern.

Dr. Anne Eckhardt, Präsidentin ENSI-Rat
Dr. Anne Eckhardt, Präsidentin ENSI-Rat

Viele Blicke richten sich auf das ENSI. Dabei scheint gelegentlich Skepsis gegenüber der starken Stellung des ENSI bei der Aufsicht durch. Immer wieder wird kritisiert, das Vieraugenprinzip werde zu wenig beachtet und es wird gefordert, mehr Stimmen in die Aufsicht einzubeziehen. Damit sind vor allem Stimmen gemeint, welche der Nutzung der Kernenergie kritisch gegenüber stehen.

Die Aufsicht über die Sicherheit von Kernanlagen bezieht jedoch schon seit langem mehr als vier Augen ein. Zahlreiche Fachleute blicken auf die Sicherheit von Kernanlagen – aus unterschiedlichen Positionen und mit einer grossen Vielfalt von Sichtweisen.

Nach dem Kernenergiegesetz sind die Betreiber für die Sicherheit der Kernanlagen verantwortlich. Gestützt auf dieses Gesetz und damit im Auftrag der Schweizer Bevölkerung nimmt das ENSI die Aufsicht über die Sicherheit der Kernanlagen wahr. Dabei wacht es insbesondere darüber, dass die Betreiber der Kernkraftwerke ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen. Die Aufsicht ist also bereits eine Umsetzung des Vieraugenprinzips: Neben den Betreibern ist das ENSI die zweite Institution, welche die Sicherheit im Blick hat.

Innerhalb des ENSI wird das Mehraugenprinzip ebenfalls gelebt. Rund 140 Mitarbeitende aus unterschiedlichen Fachdisziplinen arbeiten dort zusammen. Aufsichtsentscheide werden unter Fachleuten gleicher Ausrichtung diskutiert, also zum Beispiel unter Maschinen- oder Elektroingenieuren. Eine besondere Stärke des ENSI liegt im Zusammenwirken verschiedener Disziplinen. So kommen bei Fragen, welche verschiedene Fachkompetenzen berühren, beispielsweise Maschineningenieure, Organisationspsychologen und Strahlenschützer zu Wort und bringen ihre jeweils unterschiedlichen Sichtweisen ein. Das Qualitätssicherungssystem gewährleistet, dass all dies nachvollziehbar und nach klaren Regeln geschieht.

Das interne Aufsichtsorgan des ENSI ist der ENSI-Rat mit seinen fachkundigen Mitgliedern. Er schaut bei der Aufsicht des ENSI genau hin und greift frühzeitig ein, wenn ihm etwas unklar oder fragwürdig erscheint.

Bevor das ENSI einen Entscheid fällt, hat dieser also in der Regel viele Augen passiert.

Um zusätzliche Perspektiven und Kompetenzen in seine Arbeit einfliessen zu lassen, zieht das ENSI darüber hinaus externe Experten bei. Dazu zählen spezialisierte Firmen und Organisationen wie der der Schweizerische Verein für technische Inspektionen, der Technische Überwachungsverein, die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, aber auch Ingenieurbüros und Hochschulinstitute, die Erfahrungen aus verwandten Gebieten im Interesse der Sicherheit der Kernanlagen einbringen. Erfahrene und fachlich gut vernetzte Fachleute beraten das ENSI in den Expertengruppen Geologische Tiefenlagerung EGT und Reaktorsicherheit ERS. In das Technische Forum Sicherheit TFS und das Technische Forum Kernkraftwerke TFK fliessen verschiedene Meinungen ein, oft aus der kritischen Perspektive der Umweltorganisationen. Und nicht zuletzt ist das ENSI auch in internationalen Gremien sehr aktiv. Seine Fachleute verfolgen neue Entwicklungen im Ausland, messen ihr eigenes Handeln an internationalen Standards und Erfahrungen, tauschen sich mit Experten aus anderen Ländern aus.

Bei der Aufsicht über die Sicherheit der Kernanlagen in der Schweiz kommt der Kommission für nukleare Sicherheit KNS eine wichtige Rolle zu. Gemäss dem Kernenergiegesetz prüft diese Kommission unter anderem grundsätzliche Fragen der nuklearen Sicherheit und kann zu Gutachten des ENSI Stellung nehmen. Das ENSI nimmt die Beurteilungen der KNS aufmerksam auf. Es ist an einer kompetenten und unabhängigen KNS interessiert und würde eine Verstärkung dieser Kommission begrüssen.

Die Beurteilungen und Entscheide des ENSI sind also Ausdruck eines gelebten Vielaugenprinzips. Für das ENSI ist dieses Vielaugenprinzip unabdingbar. Denn es ist sich bewusst, welche Verantwortung es trägt und dass es diese Verantwortung nicht auf andere abschieben kann.

Viele Augen sehen mehr als zwei. Dieser Grundsatz ist unbestritten. Persönlich wünsche ich mir, dass alle, denen der Schutz von Mensch und Umwelt ein Anliegen ist, ihr Engagement und ihre Fachkompetenz konstruktiv einbringen, um die Sicherheit zu erhalten und zu verbessern.

 

Dr. Anne Eckhardt
Präsidentin ENSI-Rat