„Wir wollen nichts unversucht lassen, die Kernkraftwerke weltweit sicherer zu machen“

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat im Nachgang zum Reaktorunfall in Fukushima einen Änderungsvorschlag für die Convention on Nuclear Safety CNS eingereicht. Dieser wird im Rahmen der Überprüfungskonferenz Ende März bis Anfang April in Wien beraten. Im Interview erklärt ENSI-Direktor Hans Wanner die Beweggründe für den Vorstoss.

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat im Nachgang zum Reaktorunfall in Fukushima verschiedene Änderungsvorschläge für die Convention on Nuclear Safety CNS eingereicht. Diese werden im Rahmen der Überprüfungskonferenz Anfang April in Wien beraten werden.
Hans Wanner, ENSI-Direktor

Die Schweiz setzt sich auf internationaler Ebene für eine Stärkung der Sicherheitsanforderungen für Kernanlagen ein. Diese Woche hat die Überprüfungskonferenz der Convention on Nuclear Safety CNS begonnen. Was macht die Schweiz in diesem Bereich?

Hans Wanner: Wir haben Ende des vergangenen Jahres einen Änderungsvorschlag der Convention on Nuclear Safety eingereicht. Dieser verlangt, dass neue Kernkraftwerke nach den neuesten Sicherheitsstandards und Technologien gebaut sein müssen. Die Sicherheit der bestehenden Kernkraftwerke soll sich an diesen Massstäben orientieren. Unfälle wie derjenige von Fukushima dürfen einfach nicht mehr passieren. Es ist nicht akzeptabel, dass ein solcher Unfall ganze Landstriche für lange Zeit unbewohnbar macht.

Gibt es denn heute noch keine solchen Anforderungen?

In der Convention on Nuclear Safety gibt es sie nur in ganz allgemeiner Form. Wichtig scheint uns, dass eine konkrete Forderung besteht, sodass jedes Land alle drei Jahre über seine Bemühungen betreffend der Sicherheit bestehender Kernkraftwerke berichtet. Dann kann an der Überprüfungskonferenz offen darüber diskutiert werden. Eine solche Forderung ist bis heute nicht vorhanden.

Wie gross schätzen Sie die Chancen ein, dass die Schweiz mit dem aktuellen Änderungsvorschlag zur CNS Erfolg haben wird?

Das ist schwierig zu sagen. Wir unternehmen im Moment hier in Wien alles, um möglichst viele Gleichgesinnte zu finden, die unseren Vorstoss unterstützen. Die Stossrichtung wird von den meisten Ländern gesteilt, aber die Bereitschaft, den langwierigen Prozess der Änderung der Konvention wird von einigen Ländern als zu aufwendig erachtet. Auf der anderen Seite sind unsere Forderungen in den Mitgliedsländern der WENRA bereits gelebte Praxis.

Warum bemüht sich die Schweiz bei solchen Erfolgsaussichten überhaupt?

Wir sind der Meinung, dass man drei Jahre nach dem Unfall von Fukushima nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen kann. Tschernobyl und Fukushima haben gezeigt, dass Unfälle in Kernkraftwerken internationale Herausforderungen sind. Wir müssen deshalb alles tun, um die Kernkraftwerke weltweit sicherer zu machen.

Die IAEA hat nach Fukushima reagiert und 2012 eine ausserordentliche Überprüfungskonferenz der CNS durchgeführt, bei der der Reaktorunfall in Japan im Mittelpunkt stand. Das ENSI hat damals auch Vorschläge zur Änderung der CNS eingereicht.

2012 haben wir international mehr Verbindlichkeit für internationale Expertenüberprüfungen und mehr Transparenz gefordert. Die Konferenz hat damals entschieden, anstelle einer Änderung der Konvention eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen und Massnahmen vorschlagen soll. Wir haben uns in dieser Arbeitsgruppe ebenfalls engagiert. Das Ergebnis ist ein gemeinsamer Vorschlag von 42 Massnahmen, den Überprüfungsvorgang der Länderberichte zu verbessern. Wir unterstützen diesen Vorschlag voll und ganz, bestehen aber trotzdem auf unsere Forderung zur Änderung der Konvention.

Wie steht die Schweiz da – gemessen an diesen Forderungen?

Wir erfüllen bereits heute diese Anforderungen. Regelmässige Überprüfungsmissionen in den Werken aber auch bei uns als Aufsichtsbehörde sind seit Jahren umgesetzt. Weiter schreibt das Gesetz bereits heute umfassende periodische Sicherheitsüberprüfungen vor, aufgrund derer bestehende Anlagen entsprechend dem Stand der Nachrüsttechnik nachgerüstet werden müssen.

Wortlaut des Schweizer Verbesserungsvorschlags (übersetzt)

„Gemäss dem Schweizer Vorschlag müssen Auslegung und Bau von Kernkraftwerken darauf ausgerichtet sein, Unfälle zu vermeiden. Falls es trotzdem zu einem Unfall kommt sind dessen Auswirkungen zu lindern. Freisetzungen von Radionukliden, die ausserhalb des Kraftwerksgeländes zu langfristigen Kontaminationen führen, sind zu vermeiden. Um geeignete Möglichkeiten zur Erhöhung der Sicherheit zu erkennen und umzusetzen, sollen diese Ziele auch auf bestehende Kraftwerke angewendet werden.“