Technisches Forum Sicherheit diskutiert Ressourcenkonflikte

ENSI_GeologischeTiefenlager_11_2012-05-10_BG.inddDurch die Wahl des Standortes eines geologischen Tiefenlagers für radioaktive Abfälle kann es zu Nutzungskonflikten im Untergrund kommen. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat zu diesem Thema verschiedene Experten in die 20. Sitzung des Technischen Forums Sicherheit TFS eingeladen. Potenzielle Nutzungskonflikte sind vom ENSI als mögliches Problem für geologische Tiefenlager bereits identifiziert worden und werden entsprechend als Kriterium im Standortauswahlverfahren berücksichtigt.

Nutzungskonflikte können aus Sicht des ENSI mittelfristig mit administrativen Massnahmen vermieden werden. „Für die Langzeitsicherheit müssen wir aber anhand der heutigen Kenntnisse die potentiellen Nutzungskonflikte in den Standortgebieten sorgfältig beurteilen“, betont Michael Wieser, Leiter des Aufsichtsbereichs Entsorgung beim ENSI. Die Nagra muss dazu die nutzbaren Ressourcen wie Wasser, fossile Brennstoffe und Geothermie, identifizieren und bei der Bewertung der Standortgebiete berücksichtigen.

Prognosen über künftige Nutzungen seien umso schwieriger, je weiter man in die Zukunft blicke, sagte Michael Wieser weiter. Er weist darauf hin, dass aber nicht nur die Ungewissheit zunehme, sondern im Gegenzug die Radioaktivität des Abfalls im Tiefenlager und damit dessen Gefahrenpotenzial abnehme.

Experten sehen kein grundsätzliches „No-Go“

Aus Sicht von swisstopo-Experte Paul Bossart, Direktor des Mont Terri-Projektes, werden die Nutzungskonflikte im Sachplan geologische Tiefenlager klar angesprochen. Er schliesst Nutzungskonflikte nicht aus, sieht darin aber kein grundsätzliches „No-Go“ für ein Tiefenlager.

Der Geologe Walter Wildi wies anlässlich der TFS-Sitzung erneut darauf hin, dass Kohlewasserstoffvorkommen im Permokarbontrog unterhalb der meisten Standortgebiete für hochaktive Abfälle vorhanden sind. Diese stellen aus seiner Sicht eine potenzielle Gefährdung dar. Würden die Kriterien zur Gesteinsdeformation, der geologischen Aktivität und den Georessourcen berücksichtigt, verbliebe bei der Standortwahl allenfalls eine Region in der Ostschweiz.

Permokarbontrog

Der Permokarbontrog ist ein grosser Graben im kristallinen Untergrund der Nordschweiz. Er ist mehrere Kilometer breit sowie über eine Länge von etwa 60 Kilometer bekannt. Der Permokarbontrog ist mit sehr alten Sedimentgesteinen gefüllt, nämlich aus dem rund 250 bis 300 Millionen Jahre alten Perm-Zeitalter und dem Karbon, welches rund 300 bis 360 Millionen Jahre alte Sedimente umfasst. Die Sedimentfüllung ist zum Teil mehrere tausend Meter mächtig. Der Trog entstand vor rund 250 bis 350 Millionen Jahren entlang von tiefen Brüchen im kristallinen Grundgebirge.

Gefunden wurde der Permokarbontrog im Jahr 1983 bei einer Tiefbohrung der Nagra in Weiach. Dabei traf man in 1000 Metern Tiefe nicht wie erwartet auf den kristallinen Untergrund, sondern auf die Sedimente des Trogs.


Permokarbontrog für ENSI bereits länger ein Thema

Michael Wieser begrüsste die Ausführungen: „Wir sind froh, dass Experten die Standortsuche für Tiefenlager kritisch begleiten.“ Bereits die Hauptabteilung für die Sicherheit von Kernanlagen HSK, die Vorgängerorganisation des ENSI, hat die Relevanz des Permokarbontrogs erkannt. Dieser stellt eine mögliche Bruchzone 500 Meter unterhalb des Opalinustons dar. In Etappe 1 des Sachplans geologische Tiefenlager ist die Nagra deshalb bei der Auswahl von geeigneten Standortgebieten jenen Gebieten ausgewichen, die über den Trogrändern tektonisch beansprucht sind. Die Trogränder und Störungen darüber definieren zum Teil die Grenzen der Standortgebiete.

Das ENSI hat 2010 bei seiner Beurteilung in Etappe 1 des Sachplanverfahrens erkannt, dass die Standortgebiete von Nutzungskonflikten betroffen sein können. Die Nuklearaufsichtsbehörde bewertete diese potenziellen Konflikte aber nicht als Grund, um die Standortgebiete, die von der Nagra über dem Permokarbontrog vorgeschlagen wurden, in Etappe 1 aus dem Auswahlverfahren auszuscheiden.

Die weiteren Untersuchungen im Rahmen des Sachplans geologische Tiefenlager ermöglichen es, die Standortgebiete besser zu charakterisieren. „Dabei werden wir auch die Aspekte der möglichen Nutzungskonflikte weiter evaluieren“, betonte Michael Wieser.

Weitere Themen der 20. TFS-Sitzung

  • Die Nagra präsentiert ihre Antwort zur Frage 100 „Konzepte der Versiegelung“
  • Die Nagra präsentiert ihre Antwort zur Frage 102 „Freisetzung radioaktiver Stoffe auf dem Grundwasserpfad“
  • Die Nagra präsentiert ihre Antwort zur Frage 107 „Einfluss von Fracking (in Bohrung Weiach-2) auf sicherheitstechnische Beurteilung“
  • 13 neue Fragen wurden in den TFS-Fragekatalog aufgenommen.