ENSI erteilt keinen Blankocheck für Laufzeitverlängerungen

KKW Beznau
Schon heute müssen Kernkraftwerke, die über 40 Jahre hinaus Strom produzieren wollen, strenge Bedingungen erfüllen.

Aus heutiger Sicht spricht rein technisch nichts dagegen, dass die Schweizer Kernkraftwerke 60 Jahre in Betrieb bleiben. Eine Garantie für eine bestimmte Laufzeit gibt es aus technischer Sicht aber nicht. Der Betrieb einer Anlage über 40 Jahre hinaus ist an strenge Auflagen gebunden. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI wird die Sicherheit der Kraftwerke laufend überprüfen. Erfüllt ein Werk die gesetzlich fixierten Vorgaben nicht mehr, wird die Anlage unabhängig vom Alter stillgelegt.

„Eine fixe Laufzeitbegrenzung wäre ein politischer Entscheid und müsste entsprechend vom Parlament beschlossen werden“, erklärt Georg Schwarz, stellvertretender ENSI-Direktor und Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke. Das ENSI überprüft alle zehn Jahre ob die Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb für weitere zehn Jahre erfüllt sind. Darüber hinaus kann und will das ENSI keine Prognose machen. „Wir erteilen den Kernkraftwerken in der Schweiz keinen Blankocheck für Laufzeitverlängerungen“, betont Georg Schwarz.

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates UREK-N hat Ende August beantragt, dass nach einer Betriebsdauer von 40 Jahren für den Weiterbetrieb eines Kernkraftwerkes ein Langzeitbetriebskonzept nötig ist. Damit soll die Betriebszeit gestützt auf eine gründliche Sicherheitsüberprüfung um jeweils zehn Jahre verlängert werden können. „Dieser Vorschlag deckt sich in weiten Teilen mit Ideen, die wir bereits 2012 präsentiert haben“, erklärt Georg Schwarz. Der Vorschlag der UREK-N wird voraussichtlich in der Dezembersession im Rahmen der Debatte über die Änderung des Kernenergiegesetzes behandelt werden.

Klare Bedingungen für einen Betrieb über 40 Jahre

Schon heute müssen Kernkraftwerke, die über 40 Jahre hinaus Strom produzieren wollen, strenge Bedingungen erfüllen. So hat das ENSI die Langzeitbetriebssicherheit der Kernkraftwerke Beznau 1 und 2 sowie Mühleberg, die bereits über 40 Jahre alt sind, eingehend überprüft. Es ist dabei zum Schluss gekommen, dass keine sicherheitstechnischen Gründe gegen einen Betrieb bis 50 Jahre bestehen. „Wir haben aber klare Forderungen gestellt, die für den Betrieb über 40 Jahre hinaus umzusetzen sind“, betont Georg Schwarz.

Aus heutiger Sicht spricht rein technisch nichts dagegen, dass die Schweizer Kernkraftwerke 60 Jahre in Betrieb bleiben. Dies gilt auch für Beznau 1 und 2. „Die Langzeitbetriebssicherheit muss aber beim Erreichen von 50 Betriebsjahren erneut gründlich überprüft werden“, betont Georg Schwarz. Zudem müssen zwei Bedingungen zwingend erfüllt sein:

  1. Der Alterungsprozess der für die Laufzeit entscheidenen Grosskomponenten des jeweiligen Kraftwerks muss sich tatsächlich so weiterentwickeln, wie er sich aus heutiger Sicht abzeichnet und
  2. die Betreiber müssen die nötigen Investitionen in weitere Nachrüstungen tätigen.

Kernkraftwerk Mühleberg

Aus rein technischer Sicht hätte auch das Kernkraftwerk Mühleberg 50 Jahre betrieben werden können. Das ENSI hat im Rahmen der Stellungnahme zum Langzeitbetriebsnachweis 2012 klar gemacht, was an Investitionen nötig wäre, damit Mühleberg bis 2026 weiter Strom hätte produzieren dürfen. Die BKW hat dann aber im Oktober 2013 aus wirtschaftlichen Überlegungen entschieden, ihre Anlage schon 2019 vom Netz zu nehmen. Die anschliessend vom ENSI geforderten Nachrüstungen sind nur auf einen Betrieb bis 2019 ausgerichtet.

Prognosen über Materialentwicklung möglich

Die Schweizer Kernkraftwerke wurden so gebaut, dass sie mindestens 40 Jahre betrieben werden können. Wie in der Nukleartechnologie üblich, wurden dafür aber sehr vorsichtige, sogenannt „konservative“ Annahmen getroffen. Die Auslegung wurde so festgelegt, dass die Sicherheit mindestens für diese 40 Jahre gewährleistet ist.

Inzwischen konnte man die Robustheit der Anlagen und die Entwicklung des Alterungsprozesses der Materialien in der Realität des Betriebs über viele Jahre beobachten. „Wir kennen den Zustand und das Verhalten der Systeme und Materialien und können deshalb entsprechende Einschätzungen über die weitere Entwicklung der nächsten zehn Jahre machen“, erklärt Georg Schwarz. Darüber hinaus wurden in allen Werken grosse Investitionen getätigt, die die Sicherheit laufend weiter erhöht haben.

Wie die Überprüfung der Langzeitbetriebssicherheit der Kernkraftwerke Beznau 1 und 2 sowie Mühleberg gezeigt hat, können die Schweizer Kernkraftwerke auch 50 Jahre sicher betrieben werden. Bei günstiger Entwicklung der Alterung ist auch eine längere Betriebsdauer denkbar.

Grosskomponenten setzen Grenzen der Laufzeit

Dem Betrieb sind Grenzen gesetzt. Grund dafür ist die Alterung der Grosskomponenten – zum Beispiel das Containment und der primäre Kühlkreislauf. Die Versprödung des Stahls des Reaktordruckbehälters zum Beispiel schreitet unaufhaltsam voran. Es lässt sich mit genügend zeitlichem Vorlauf berechnen, wann die im Gesetz festgelegten Grenzen erreicht sind. Weil aber der Druckbehälter nicht ausgetauscht werden kann, bedeutet dies unausweichlich das Ende des Betriebs.

„Bei den älteren Kraftwerken Beznau 1 und 2 gehen wir aufgrund der vorliegenden Daten und Berechnungen davon aus, dass sie sich wohl im Bereich von 60 Betriebsjahren der Grenze annähern, die einen Weiterbetrieb nicht mehr zulassen“, erläutert Georg Schwarz. Die neueren Anlagen Gösgen und Leibstadt können aus rein technischer Sicht und aufgrund der aktuellen Einschätzung auch über 60 Jahre hinaus betrieben werden.

In den USA gibt es heute schon Überlegungen, Anlagen bis zu 80 Jahre zu betreiben. Laut Georg Schwarz sind solche Überlegungen für das ENSI irrelevant: „Wir prüfen den Zustand der Werke laufend und eine Prognose über zehn Jahre hinaus ist unseriös.“ Denn, so betont er, „aus technischer Sicht ist nicht das Alter für die Ausserbetriebnahme entscheidend, sondern die Sicherheit.“