Neue ENSI-Anforderungen an die periodischen Sicherheitsüberprüfungen von Kernkraftwerken

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat die Anforderungen an periodische Sicherheitsüberprüfungen PSÜ von Kernkraftwerken auf den neuesten Stand gebracht. Das ENSI hat im Interesse der Sicherheit darauf verzichtet, den „Stand der Nachrüstungstechnik“ und den „Stand von Wissenschaft und Technik“ allgemeingültig zu definieren.

Die Anforderungen an PSÜ waren bisher in der Richtlinie HSK-R-48 festgeschrieben, die seit 2001 in Kraft war. Die damalige Hauptabteilung für die Sicherheit von Kernanlagen HSK stützte sich dabei auf das internationale Übereinkommen über nukleare Sicherheit, wonach die Schweiz sich verpflichtet, „dass umfassende und systematische Sicherheitsbewertungen sowohl vor dem Bau und der Inbetriebnahme einer Kernanlage als auch während ihrer Lebensdauer vorgenommen werden.“

Die neue Richtlinie ENSI-A03 basiert auf der Kernenergieverordnung, die am 1. Februar 2005 in Kraft gesetzt wurde. Diese Verordnung verlangt in Artikel 34 vom Inhaber einer Betriebsbewilligung, für sein Kernkraftwerk alle zehn Jahre eine PSÜ durchzuführen. Das ENSI konkretisiert nun die Anforderungen unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen und der internationalen Empfehlungen im IAEA Safety Standard SSG-25 „Periodic Safety Review for Nuclear Power Plants“, die im Jahr 2013 veröffentlicht wurden. Zudem wurden die entsprechenden Anforderungen der Western European Nuclear Regulators Association WENRA berücksichtigt.

Zusätzliche Anforderungen an Nachrüstungen und Langzeitbetrieb

Die neue PSÜ-Richtlinie geht inhaltlich in vielen Punkten über die bisherige Richtlinie hinaus. Insbesondere zur Nachrüstung, zum Langzeitbetrieb, zur technologischen Alterungsüberwachung, zur Dokumentation und zur Veröffentlichung der Ergebnisse enthält sie neue Anforderungen. Die neue Richtlinie ist insgesamt detaillierter als ihre Vorgängerin.

Die Richtlinie ENSI-A03 zu der alle zehn Jahre durchzuführenden PSÜ ist abgestimmt auf die parallel erarbeitete Richtlinie ENSI-G08. Diese verlangt laufend systematische Sicherheitsbewertungen, über die jährlich zu berichten ist. Die Richtlinie ENSI-G08 soll in den nächsten Monaten ebenfalls in Kraft gesetzt werden.

Fixe Definition ist nicht sicherheitsgerichtet

In der neuen Richtlinie ENSI-A03 hat das ENSI ausdrücklich davon abgesehen, den „Stand der Nachrüstungstechnik“ und den „Stand von Wissenschaft und Technik“ allgemeingültig zu definieren.

Der „Stand der Nachrüstungstechnik“ ist dynamisch, denn er unterliegt einer ständigen Weiterentwicklung. Angesichts der Unterschiede der einzelnen Kernkraftwerke und der jeweiligen Standortbedingungen ist es nicht sicherheitsgerichtet, den Begriff losgelöst von konkreten Anlagen zu definieren.

Abwägung im Einzelfall zielführender

„Ein Festschreiben des Standes der Nachrüsttechnik, bedeutet ein Minus für die Sicherheit“, begründet Ralph Schulz, Leiter des Fachbereichs Sicherheitsanalysen, den Entscheid. „Als Aufsichtsbehörde wollen wir weiterhin auf der Basis des aktuellsten Wissenstandes anlagenspezifisch entscheiden können.“

Bereits in der Botschaft zum neuen Kernenergiegesetz wurde 2001 auf die Nachteile hingewiesen, welche die gesetzliche Verankerung konkreter Sicherheitsmassstäbe mit sich brächte. So würden neue Erkenntnisse unberücksichtigt bleiben, obwohl sie technisch realisierbar wären. Deshalb ist es hinsichtlich der nuklearen Sicherheit zielführender, im Einzelfall sorgfältig abzuwägen, welche Nachrüstungen notwendig sind. Dabei wird jeweils auch der aktuelle internationale Quervergleich berücksichtigt.

Ähnliches gilt für den „Stand von Wissenschaft und Technik“. Dieser Begriff wird für jedes Anwendungsfeld in den jeweiligen Richtlinien konkretisiert. Deshalb, so Ralph Schulz, „sind wir nach eingehender Abwägung zum Schluss gekommen, dass eine abstrakte Definition dieses Begriffs nicht nur nicht notwendig, sondern aus sicherheitstechnischer Sicht kontraproduktiv ist.“