Leibstadt: Bohrlöcher weniger ein technisches als ein organisatorisches Problem

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Die sechs Bohrlöcher (für die Feuerlöscher-Halterung) im Primärcontainment des Kernkraftwerks Leibstadt stellen weniger ein technisches als ein organisatorisches Problem dar.

Sicherheitstechnisch waren die Bohrlöcher im Containment des Kernkraftwerks Leibstadt von geringer Bedeutung. Hingegen zeigt das Vorkommnis, dass dort im Jahr 2008 bedeutende organisatorische Mängel bestanden. Zu diesem Schluss kommt der Vorkommnisbearbeitungsbericht des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI.

„Die sicherheitstechnische Bedeutung des Vorkommnisses ist zwar als gering einzustufen“, fasst Georg Schwarz, stellvertretender ENSI-Direktor und Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke, das Ergebnis der Abklärungen zusammen, „aber die Qualitätssicherung in der Betriebsorganisation hätte solche Beschädigungen verhindern müssen.“

Geringe sicherheitstechnische Auswirkungen der Bohrlöcher

Durch die Beschädigungen am Primärcontainment traten keine unzulässigen Abgaben von radioaktiven Stoffen an die Umgebung auf.

Das Schutzziel „Einschluss radioaktiver Stoffe“ wäre auch unter Störfallbedingungen eingehalten worden. Betrachtet wurde bei der Analyse des Kernkraftwerks Leibstadt unter anderem der Fall eines Frischdampfleitungsbruchs innerhalb des Primärcontainments. Primär- und Sekundärcontainment sind so ausgelegt, dass sie den Druck- und Temperaturbelastungen bei einem solch grossen Störfall standhalten.

Als weiteres Rückhaltesystem dient das Notabluftsystem, das die Unterdruckhaltung im Sekundärcontainment gewährleistet und die Luft, die aus dem Sekundärcontainment abgesaugt wird, gefiltert und kontrolliert über den Kamin an die Umgebung abgibt.

Durch die Bohrlöcher wäre bei einem Störfall zwar mehr kontaminierte Luft in das Sekundärcontainment gelangt. Das Notabluftsystem verfügt jedoch über ausreichende Kapazitäten, um solche Mengen kontaminierte Luft gefiltert abzuführen.

Das Kernkraftwerk Leibstadt konnte zudem rechnerisch unter konservativen Bedingungen nachweisen, dass die sechs Bohrlöcher die Struktur des Primärcontainments nur unwesentlich geschwächt haben.

ENSI-Forderungen im organisatorischen Bereich

Das ENSI hat neben dem sicherheitstechnischen Aspekt ein besonderes Augenmerk auf die menschlichen und organisatorischen Gesichtspunkte gelegt. „Wir sind dabei zum Schluss gekommen, dass die Betreuung von externem Personal zum Zeitpunkt der Montage der Handfeuerlöscher im Jahr 2008 nicht geregelt war und die Prozesse ungenügend waren“, erklärt Georg Schwarz.

Das ENSI hat deshalb drei Forderungen erhoben:

  1. Einführung und Betreuung von externen Mitarbeitern: In einer vertieften Analyse soll das KKL aufzeigen, dass die Mängel bezüglich Einführung und Betreuung externer Mitarbeiter mit den heute gültigen Regelungen vollständig behoben sind (zum Beispiel durch Nachweis der Schulung und Betreuung der betreffenden externen Mitarbeiter).
  2. Instandhaltungsprozesse I: Der Prozess „Instandhaltung Infrastruktur“ muss so gestaltet werden, dass eine mögliche Beeinträchtigung der nuklearen Sicherheit bereits im Rahmen der Planung durchzuführender Tätigkeiten erkannt wird und die entsprechenden Prozesse zur Sicherstellung der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes durchlaufen werden.
  3. Instandhaltungsprozesse II: Es ist über geeignete Massnahmen sicherzustellen, dass die Qualitätsüberprüfung durchgeführt und dokumentiert wird. Alle getroffenen Massnahmen sind dem ENSI ausführlich dazulegen.

„Wir werden zudem nächstes Jahr das Thema Mensch und Organisation im Kernkraftwerk Leibstadt besonders eng begleiten“, ergänzt Georg Schwarz.

Das ENSI stuft das Vorkommnis im Kernkraftwerk Leibstadt nach eingehender Prüfung auf der internationalen Ereignisskala mit INES 1 ein. Ausschlaggebend sind die unzureichenden Prozessvorgaben bei der Instandhaltung und Mängel bei der Qualitätssicherung.

Bei einer Kontrolle im Kernkraftwerk Leibstadt war am 24. Juni 2014 festgestellt worden, dass die Halterungen für zwei Handfeuerlöscher mittels Bohrungen am Primärcontainment befestigt waren. Das ENSI forderte eine Reparatur bis am 18. Juli 2014. Die Reparatur wurde fristgerecht mittels Schweissungen durchgeführt. Die Handfeuerlöscher waren im November 2008 von einer externen Firma montiert worden.

Keine Befunde in anderen Kernkraftwerken

Das ENSI hat die anderen schweizerischen Kernanlagen umgehend nach der Entdeckung der Bohrlöcher im Kernkraftwerk Leibstadt aufgefordert, Abklärungen im Hinblick auf ihr Primärcontainment und gleichartigen Beschädigungen durchzuführen. Die Überprüfungen in den anderen schweizerischen Kernanlagen ergaben keine Befunde.