„Wäre die Qualitätssicherung gut gewesen, hätte es keine Bohrlöcher gegeben“

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI ist in seinem Vorkommnisbearbeitungsbericht zum Schluss gekommen, dass die sicherheitstechnische Bedeutung der Bohrlöcher im Kernkraftwerk Leibstadt als gering einzustufen ist. Georg Schwarz, stellvertretender ENSI-Direktor und Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke, nimmt im Interview zu wichtigen Punkten aus dem Bericht Stellung.

2008_kkl-mit-umgebungWarum wurden die Bohrlöcher nicht früher entdeckt?

Georg Schwarz: Zuerst einmal: Die Verantwortung für die Sicherheit und den sicheren Betrieb einer Kernanlage liegt beim Betreiber. Die Bohrlöcher wurden so spät entdeckt, weil sie durch die Halterungen der Handfeuerlöscher abgedeckt waren und die Leckage durch die Bohrlöcher so klein war, dass sie die betriebliche Unterdruckhaltung nie beeinträchtigt hat. Es gab seit der Montage auch keinen Anlass, diese Halterungen zu prüfen.

Warum nicht?

Wären die Organisation und die Prozesse zum Zeitpunkt der Montage der Feuerlöscher 2008 gut gewesen, hätte es diese Bohrlöcher gar nie gegeben. Genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Prozesse richtig gestaltet sind. Darum haben wir in diesem Bereich drei Forderungen an das Kernkraftwerk Leibstadt gestellt.

Wären die Löcher allenfalls bei anderer Gelegenheit gefunden worden?

Das Kernkraftwerk Leibstadt muss alle zehn Jahre einen integralen Leckratentest durchführen. Dabei wird der Luftdruck im Innern des Containments stark erhöht. Sinkt der Druck oder ist ein grösseres Luftvolumen als berechnet notwendig, gibt es irgendwo ein Leck. Dieses muss man dann suchen. Der letzte Leckratentest wurde im August 2008 durchgeführt – also vor der Montage der Handfeuerlöscher. Der nächste wird voraussichtlich 2018 durchgeführt werden.

Warum wurde nach der Reparatur auf einen Leckratentest verzichtet?

Die Bohrlöcher wurden nach der Entdeckung zuerst provisorisch verschlossen. Ihre Dichtheit wurde anschliessend überprüft. Innerhalb von drei Wochen hat das Kernkraftwerk anschliessend die Löcher definitiv mittels einer Schweissung verschlossen. Wir haben diese Reparatur inspiziert und sind zum Schluss gekommen, dass sie fachgerecht durchgeführt wurde.

Sie bemängeln in Ihrem Bericht die Organisation und die Prozesse im Kernkraftwerk Leibstadt. Wie gross sind die Probleme aktuell?

Es ist ganz klar festzuhalten, dass die Ursache für die Bohrlöcher auf Mängel in der Organisation in der Zeit um 2008 zurückgeht. In der Zwischenzeit wurde die Betreuung des externen Personals in Leibstadt unabhängig vom aktuellen Vorkommnis verbessert. Wir haben hier aber klare Forderungen gestellt und werden nächstes Jahr einen Schwerpunkt unserer Arbeit auf die Sicherheitskultur in Leibstadt legen.