ENSI verlangt weitere Erhöhung der Sicherheitsmargen

Die Kernkraftwerke in der Schweiz erfüllen die gesetzlichen Sicherheitsanforderungen und verfügen über Sicherheitsmargen. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat die Betreiber nach dem Reaktorunfall in Fukushima aufgefordert, die Margen zu überprüfen, und verlangt nun Massnahmen zur weiteren Erhöhung.

Die Kernkraftwerke in der Schweiz sind alle so gebaut, dass sie auch Ereignisse beherrschen können, die sich nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit ereignen. Dazu zählen insbesondere Naturereignisse wie schwere Erdbeben und Überflutungen. Die Anlagen sollen jedoch nicht nur die minimale Sicherheit gewährleisten können, sondern darüber hinaus über eine Sicherheitsmarge verfügen.

Im Einklang mit internationalen Empfehlungen hat das ENSI im Rahmen seines Aktionsplans Fukushima von den Betreibern verlangt, die Sicherheitsmargen zu überprüfen und mögliche Verbesserungen zu identifizieren. Das ENSI hat die Analysen, die die Kernkraftwerke eingereicht haben, überprüft und kommt generell zum Schluss, dass die Schweizer Kernkraftwerke die Grundanforderungen erfüllen und darüber hinaus über Sicherheitsmargen verfügen. Dies gilt sowohl für Erdbeben als auch für externe Überflutungen, die sich höchstens einmal pro 10‘000 Jahre ereignen. In seinen Stellungnahmen zu den eingereichten Unterlagen hat das ENSI nun verschiedene Forderungen gestellt, um diese Sicherheitsmargen mit verhältnismässigen Massnahmen weiter zu erhöhen.

Beznau: Weitere Verbesserung des Schutzes gegen externe Überflutung

Die Überprüfung des Kernkraftwerks Beznau hat gezeigt, dass durch eine Verbesserung der Dichtheit des Notstandsbrunnens die Marge deutlich verbessert werden kann. Das ENSI hat deshalb gefordert, dass das Kernkraftwerk Beznau bis Ende September 2015 die Entlüftungsleitungen und den Mannlochdeckel des Notstandbrunnens verstärkt. Diese Massnahmen wurden zwischenzeitlich bereits umgesetzt. Dadurch steigt die Sicherheitsmarge auf 3,35 Meter, was einer Überflutung des Kraftwerkgeländes von 4,20 Metern entspricht. Weiter fordert das ENSI, dass das Kernkraftwerk Beznau prüft, wie die AUTANOVE-Gebäude, in denen sich die neue Notstromversorgung befindet, noch besser gegen eine externe Überflutung geschützt werden können.

Gösgen: Weitere Verbesserungen des Schutzes gegen Erdbeben

Die Überprüfung des Kernkraftwerks Gösgen hat gezeigt, dass beim Schutz gegen Erdbeben die herkömmlichen Sicherheitssysteme praktisch keine Sicherheitsmargen haben. Im Hinblick auf einen eventuellen Langzeitbetrieb über 40 Jahre hinaus kommt das ENSI zum Ergebnis, dass die Sicherheitsmarge mindestens bei den Notstandsystemen verbessert werden muss. Das ENSI begrüsst die Nachrüstmassnahmen, die das Kernkraftwerks Gösgen bereits geplant hat, und fordert deren Umsetzung.

Leibstadt: Keine Massnahmen notwendig

Aufgrund der Überprüfungsergebnisse kommt das ENSI zum Schluss, dass die Sicherheitsmargen im Kernkraftwerk Leibstadt bereits ausreichend hoch und keine Massnahmen notwendig sind.

Mühleberg: Punktuelle Ertüchtigungsmassnahmen

Die Überprüfung des Kernkraftwerks Mühleberg hat gezeigt, dass insbesondere mit einer seismischen Verstärkung der Notstand-Dieselgeneratoren die Sicherheitsmargen erhöht werden können. Das ENSI fordert dazu zusätzliche Untersuchungen.

Verschiedene „Abfahrpfade“ führen zum sicheren abgestellten Reaktor

Um ein Kernkraftwerk vom Betriebszustand in den sicheren abgeschalteten Zustand zu bringen, gibt es mehrere Möglichkeiten – sogenannte Pfade. Für jeden „Abfahrpfad“ wird eine Reihe von Ausrüstungen benötigt. Diese gewährleisten die Kontrolle der Kettenreaktion im Reaktordruckbehälter und die Abfuhr der Wärme aus dem Reaktordruckbehälter.

Herkömmliches Sicherheitssystem (Abfahrpfad 1)

Sicherheitssysteme dienen grundsätzlich dem sicheren Abfahren und Kühlen des Reaktors. Sie werden bei gewissen Störfällen aktiviert. Ein zentrales Sicherheitssystem ist das Reaktorschutzsystem. Diese schützt den Reaktor bei Störfällen. Es überwacht wichtige Prozessgrössen des Reaktors und löst bei Überschreitung von Grenzwerten automatisch eine Reaktorschnellabschaltung aus und – falls erforderlich – weitere Sicherheitsfunktionen (zum Beispiel Notkühlung, Isolation des Primärkreislaufs oder Isolation des Containments).

Notstandsystem (Abfahrpfad 2)

Alle schweizerischen Kernkraftwerke verfügen über autarke, gebunkerte Notstandssysteme. Diese sind für die Beherrschung extremer, externer Ereignisse sowie Einwirkungen Dritter vorgesehen. Sie dienen in einem Notfall dem sicheren Abfahren des Reaktors und Kühlen der Brennelemente. Aufgrund dieser Notstandssysteme weisen die schweizerischen KKW weltweit gesehen einen sehr hohen Schutzgrad gegen externe Ereignisse wie Erdbeben und Überflutung auf. In Mühleberg heisst dieses System SUSAN und in Beznau NANO. Bei diesen beiden KKW wurden sie nachträglich nachgerüstet. Bei Gösgen und Leibstadt wurden sie von Anbeginn eingeplant und eingebaut.

Accident-Management-Massnahmen und Systeme (Abfahrpfad 3)

Alle Kernkraftwerke verfügen über präventive Notfallmassnahmen. Hierbei handelt es sich um Handmassnahmen, die vom Betriebspersonal gegebenenfalls vor Ort ergriffen werden. Diese Massnahmen sind in spezifischen Notfallvorschriften festgelegt. Dazu werden fest installierte oder mobile Einrichtungen, die auf dem Areal verfügbar sind, eingesetzt. Accident-Management-Massnahmen und Systeme müssen sehr robust sein.