Häufig gestellte Fragen zum Unfall in Japan

Handelt es sich beim Unfall in Fukushima-Daiichi um einen Super-GAU wie bei Tschernobyl?

In Fukushima-Daiichi kam es wie in Tschernobyl zu einem schweren nuklearen Unfall. Die beiden Fälle unterscheiden sich jedoch deutlich: In Tschernobyl geriet die nukleare Kettenreaktion ausser Kontrolle und es kam zu einem abrupten Leistungsanstieg um das Mehrhundertfache. Eine Dampfexplosion zerstörte das Dach des Reaktorgebäudes und radioaktive Stoffe in sehr grosser Menge wurden ungehindert in die Umgebung freigesetzt. Der Reaktor enthielt konstruktionsbedingt grosse Mengen Graphit, das sich entzündete. Der Brand sorgte dafür, dass Radioaktivität in grosse Höhen und über weite Strecken verfrachtet wurde. In Fukushima-Daiichi wurden alle laufenden Reaktoren beim Erdbeben automatisch abgeschaltet, d.h. die nukleare Kettenreaktion wurde unterbrochen. Jedoch fiel nach kurzer Zeit die Notstromversorgung aus – Berichten zufolge wegen des Tsunamis. Die Kühlung der Reaktoren, die aufgrund der starken Radioaktivität auch nach dem Abschalten noch Wärme erzeugen, funktionierte ohne Strom nicht mehr. Mit mobilen Pumpen wurde versucht, Meerwasser in die Reaktoren einzuspeisen, was aber nur teilweise gelang. Wegen Überhitzung kam es zu einer Schädigung der Uranbrennelemente (partielle Kernschmelze). Wasserstoffgas, das sich unter solchen Bedingungen bildet, entzündete sich und führte zur Zerstörung der oberen Bereiche des Reaktorgebäudes. Mittlerweile muss auch davon ausgegangen werden, dass die Sicherheitsbehälter um die Reaktoren, die als Barriere gegen den Austritt von Radioaktivität dienen, beschädigt sind. Es wird Radioaktivität freigesetzt, bisher jedoch in weniger grossem Ausmass als in Tschernobyl.

Führt der Unfall in Japan zu erhöhten Messwerten bei den MADUK-Sonden des ENSI?

Bisher nicht. Werden derzeit erhöhte Werte gemessen, ist das meist auf Niederschläge zurückzuführen, bei denen natürlich vorkommende Radon-Folgeprodukte aus der Luft ausgewaschen werden. Am 28. März 2011 zum Beispiel wurden an mehreren MADUK-Messstationen des ENSI in der Schweiz höhere Werte als die normale natürliche Untergundstrahlung gemessen. Zur gleichen Zeit wurden an den Meteostationen von Meteoschweiz in den entsprechenden Gebieten Niederschlag gemessen. Durch Niederschlag werden Staubteilchen in der Luft ausgewaschen und am Boden abgelagert. In der Luft befindet sich auch Radon, ein natürliches radioaktives Gas der Uran-Zerfallsreihe. Dieses zerfällt in kurzlebige Folgeprodukte, die sich an Staubpartikel anlagern und bei Niederschlag mit diesen aus der Atmosphäre ausgewaschen und am Boden abgelagert werden können. Dies führt bei Niederschlägen jeweils zu einer kurzzeitigen Erhöhung der Dosisleistungsmesswerte an den Messstationen. Die gemessenen Werte können dabei bis zum doppelten des üblichen Untergrundwertes ansteigen. Die Werte gehen innerhalb von zwei bis vier Stunden (ohne Niederschlag) wieder auf die üblichen Werte zurück, da die Halbwertszeiten der relevanten Radionuklide weniger als eine halbe Stunde betragen.Die durch den Unfall im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi an die Atmosphäre abgegebenen Radionuklide könnten beim Erreichen von Europa ebenfalls am Boden abgelagert werden. Aufgrund der Transportdauer von über acht Tagen von Japan nach Europa sind keine kurzlebigen Radionuklide zu erwarten. Das zum Teil in der Luft gemessene radioaktive Jod hat eine Halbwertszeit von rund acht Tagen. Eine Erhöhung der Dosisleistung aufgrund dieses Radionuklides würde deshalb auch mit dieser Halbwertszeit abklingen.

Sind die Kernkraftwerke in der Schweiz nicht dieselben wie die in Japan?

Das Kernkraftwerk Mühleberg ist von ähnlicher Bauart wie der Block 1 des Kernkraftwerks Fukushima-Daiichi, jedoch nicht identisch. Das Kernkraftwerk Mühleberg wurde kontinuierlich nachgerüstet, beispielsweise mit einem autarken, gebunkerten Notstandssystem, über das alle Schweizer Kernkraftwerke verfügen. Dieses schützt das Kernkraftwerk insbesondere gegen externe Gefahren wie Erdbeben, Überflutung und Flugzeugabsturz. Das Notstandssystem verfügt über zwei unabhängige Notkühlstränge mit eigenen Dieselgeneratoren zur Stromversorgung. Über den Nachrüststand des Kernkraftwerks Fukushima-Daiichi hat das ENSI keine Kenntnis.

Was sind die stärksten Erdbeben, die in der Schweiz auftreten können?

Das stärkste bekannte Beben in der Schweiz fand 1356 in Basel statt. Es dürfte etwa hundert Mal schwächer gewesen sein als das Beben vom 11. März 2011 vor Japan. Ein Erdbeben der Magnitude 9, wie es am 11. März 2011 vor Japan auftrat, und eine Hochwasserwelle vom Ausmass des darauf folgenden Tsunamis kann für die Schweiz praktisch ausgeschlossen werden. Unabhängig vom aktuellen Erdbeben hat das ENSI aber bereits 1999 von den Betreibern verlangt, die Erdbebengefährdung an den KKW-Standorten nach dem fortschrittlichsten Wissensstand neu zu bestimmen. Das ENSI hat die Ergebnisse dieser umfassenden und in dieser Art in Europa bisher einzigartigen Studie vor vier Jahren publiziert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Erdbebengefährdung in der Vergangenheit unterschätzt wurde. Die Gefährdungen für Kernkraftwerke gehen jedoch weniger von starken, weit entfernten Erdbeben aus, sondern von mittleren Erdbeben einer Magnitude (Stärke) zwischen 5,5 und 6,5 in einer Entfernung von 10 bis 20 Kilometern. Auf der Basis dieser Erkenntnisse hat das ENSI für die Sicherheitsanalysen der Schweizer Kernkraftwerke neue, verschärfte Erdbebengefährdungsannahmen festgelegt. Die Kernkraftwerke wurden aufgefordert, ihre Erdbebensicherheit aufgrund der aktuellen Daten neu zu überprüfen und nötigenfalls Verbesserungsmassnahmen umzusetzen.

Die japanischen Kernkraftwerke galten als gut gesichert gegen Erdbeben. Könnte auch in der Schweiz eine solche Katastrophe passieren?

Weil in der Schweiz schwere Erdbeben sehr viel seltener sind als in Japan – ein Erdbeben der Magnitude 9, wie es am Freitag Japan traf, und ein Hochwasserwelle vom Ausmass des darauf folgenden Tsunamis kann für die Schweiz praktisch ausgeschlossen werden – besteht kein Anlass zur Annahme einer akuten Gefährdung. Da alle schweizerischen Kernkraftwerke über autarke, gebunkerte Notstandssysteme verfügen, weisen sie weltweit gesehen einen sehr hohen Schutzgrad gegen externe Ereignisse wie Erdbeben und Überflutung auf.

Würde die Bevölkerung bei einem Unfall in einem Schweizer Kernkraftwerk ebenfalls evakuiert?

Das oberste Ziel ist, das gesundheitliche Risiko der Bevölkerung bei einem Ereignis mit erhöhter Radioaktivität klein zu halten. Als erste Massnahme wird in der Schweiz der geschützte Aufenthalt im Haus, Keller oder Schutzraum umgesetzt. Eine horizontale Evakuation wird nur in Erwägung gezogen, wenn dafür ausreichend Zeit vorhanden wäre oder wenn nach dem Unfall die Bodenkontamination für einen Daueraufenthalt zu hoch wäre.

Warum ordnet das ENSI nicht sofort die Abstellung zumindest der älteren Kernkraftwerke in der Schweiz an?

Die Ausserbetriebnahmeverordnung (SR 732.114.5) legt fest, unter welchen Kriterien Kernkraftwerke vorläufig abgestellt werden müssen. Diese Abschaltkriterien treffen heute auf keines der schweizerischen Kernkraftwerke zu. Es liegt deshalb kein technischer Grund vor, die Kernkraftwerke abzustellen. Das heisst das ENSI hat im Moment auch keine rechtliche Grundlage, um die vorläufige Ausserbetriebnahme eines Kernkraftwerks zu verlangen.