„It’s a hard work“: Inspektoren auf Inspektion bei Inspektoren

Für einmal sind die Rollen vertauscht und die Inspektoren werden inspiziert. Während der zweiwöchigen IRRS-Mission wird das ENSI von den Experten der IAEA auf Herz und Nieren geprüft. Doch wie läuft eine Inspektion bei Inspektoren ab? Die Kommunikation des ENSI hat den Experten der IAEA einen Tag lang über die Schulter geschaut.

IRRS Entrance Meeting
IRRS Entrance Meeting

Es ist Mittwochmorgen kurz nach 8 Uhr. Durch den dichten Nebel und in Wintermäntel gehüllt suchen sich vier Inspektorinnen und Inspektoren der IAEA mit ernsten Mienen den Weg zum ENSI in Brugg. In ein Gespräch vertieft, begeben sie sich zielstrebig mit ihren Mappen unter dem Arm in den zweiten Stock, wo sich ihre Wege trennen. Nach und nach füllen sich die Zimmer, in denen die Expertinnen und Experten der IAEA sich während der zweiwöchigen Mission intensiv mit Themen ihres Fach-Moduls auseinandersetzen.

Es ist 8.30 Uhr als Team-Leader Jean-Christophe Niel von der französischen Aufsichtsbehörde ASN die gemeinsame Sitzung der 24-köpfigen IRRS-Delegation eröffnet. In den Unterlagen blätternd lassen die Experten den gestrigen Tag Revue passieren. Die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Vortag müssen herausgeschält, zusammengetragen und besprochen werden. Zwei Fragen sind aufgetaucht, die nicht sogleich geklärt werden konnten und die nach dieser Sitzung noch mithilfe des zuständigen ENSI-Sektionschefs diskutiert werden müssen. Nach einer halben Stunde ist die erste morgendliche Gesamtkonferenz beendet und die IRRS-Inspektoren verteilen sich im Haus – manche erst nach einem stärkenden Kaffee.

Der Morgen ist ausgefüllt mit intensiven Befragungen von ENSI-Mitarbeitenden. Die Themen und Fragen werden innerhalb der spezifischen Module, wie z.B. Managementsystem, Richtlinien, Strahlenschutz, Notfallplanung etc. abgehandelt. Die zuständigen Fachleute des ENSI müssen den IAEA-Experten Red und Antwort stehen. Eine eher ungewohnte Situation für die ENSI-Inspektoren – sind sie es doch sonst, die bei ihren eigenen Inspektionen in den Kraftwerken genau hinschauen und Fragen stellen. Der eine oder andere ENSI-Mitarbeitende scheint sich damit nicht auf Anhieb zurechtzufinden und wirkt nervös. Die Gespräche erinnern streckenweise ein wenig an eine Prüfungssituation in der Schule. Wie erlösend kommt da für manchen Befragten die Mittagspause – selbst wenn sie nur kurz ist. Auch in der Pause wirken die Inspektoren ernst. Es wird nicht viel gesprochen und schon gar nicht über offene Fragen oder Zwischenresultate.

Konzentriertes Arbeiten und Zuhören

Bis in den Abend hinein steht eine Notfallübung mit dem Kernkraftwerk Gösgen auf dem Programm. An dieser Übung wirken nebst der Betriebsmannschaft von Gösgen auch das Amt für Militär und Bevölkerungsschutz des Kantons Solothurn, die Nationale Alarmzentrale (NAZ) und das ENSI mit. Mehrere Expertinnen und Experten der IAEA werden diese Übung mitverfolgen und begeben sich einerseits ins Kernkraftwerk Gösgen und andererseits zur NAZ in Zürich. Auch im ENSI in Brugg verfolgen die Experten die Übung genau. Beurteilt werden Organisation und Arbeitsabläufe der einzelnen Notfallorganisationen.

Mitarbeiter des Ensi erklärt
Mitarbeiter des Ensi erklärt

Kurz nach 14 Uhr piepst es in den Gängen und Büros. Rund ein Drittel der ENSI-Mitarbeitenden werden per Pager alarmiert und rücken in den geschützten Notfallraum im Keller ein. Sie staunen ein wenig, dass dort im Einsatzraum bereits ein Inspektor der IAEA und weitere Übungsbeobachter mit gezückten Stiften warten. Doch rasch sind diese vergessen, denn es gilt trotz Übung ernst. Präsenzliste ausfüllen, Informationen sammeln, Verbindungen herstellen, Arbeitsplatz beziehen und schon startet der Orientierungsrapport. In der Nordwestschweiz ist das Stromübertragungsnetz zusammengebrochen. Bei der anschliessenden Schnellabschaltung des Kernkraftwerks Gösgen ist es zu einem Schaden im Dampferzeuger gekommen. Radioaktivität tritt aus.

Üblicherweise beenden die IAEA-Inspektoren ihren Tag mit einem gemeinsamen Teammeeting um 17 Uhr. Heute können aber nicht alle daran teilnehmen. Einzelne sind nach wie vor als Beobachter an der Notfallübung engagiert, die bis in die Abendstunden dauert; andere sind noch zusammen mit ENSI-Inspektoren unterwegs im Kernkraftwerk Beznau, wo sie eine Inspektion inspizieren. So kann heute Abend der Missions-Leader Niel das Teammeeting etwas rascher als am Vortag abwickeln. Zum Tagesabschluss muss jedes Teammitglied mündlich einen kurzen Bericht über die heutigen Erkenntnisse aus seinem Modul berichten. Es geht auch darum, Berührungspunkte zwischen den einzelnen Modulen zu erkennen und deren Auswertung zu koordinieren.

Endlich um 18 Uhr können die IAEA-Inspektoren kurz durchatmen. Doch der Tag ist noch nicht zu Ende. Denn es wartet noch individuelle Arbeit auf sie. Die heutigen Erkenntnisse müssen weiter ausgewertet und die Ergebnisse schriftlich festgehalten werden. Die verschiedenen Beiträge werden im Team zusammengetragen, damit am Ende der Mission der gesamte Schlussbericht termingerecht vorliegt und dem ENSI hilfreiche Rückmeldungen gegeben werden können.

Nach der Teamsitzung rauchen einzelne Mitglieder draussen eine Zigarette, andere sind in Gespräche vertieft. Dann entschwinden sie durch den Nebel, der Brugg immer noch fest im Griff hat, zum Bahnhof und reisen zurück zu ihrem Hotel. Einige von ihnen treffen sich noch zu einem gemeinsamen Nachtessen, bevor sie in ihrem Hotelzimmer die Tagesnotizen verarbeiten. Morgen früh muss schliesslich das Résumé des heutigen Tages vorliegen. Denn eine IRRS-Mission ist „a hard work“, wie ein Teammitglied mit einem Schmunzeln und Stirnrunzeln zugleich erklärt.