Technisches Forum Sicherheit

Frage 103: Ressourcenkonflikte und geologische Risiken

W. Wildi veröffentliche am 8. März 2013 ein Memorandum mit dem Titel „Standortwahl geologische Tiefenlager für hoch aktive Abfälle in der Schweiz – Ressourcenkonflikte und geologische Risiken“. Mit diesem Memorandum übt der Autor Kritik am Vorgehen im Sachplanverfahren.

Die Fragestellerin bittet das TFS um eine Stellungnahme zu folgenden Kritikpunkten:

  1. Relevanz des Permakarbon-Trogs für die Geologischen Tiefenlager
  2. Tektonische Beanspruchung
  3. Ressourcenkonflikte in Standortregionen für HAA: Fossile Energieträger & Geothermie
  4. Lange Zugangsstollen statt kurzer Minischächte
Thema , , , , Bereich
Eingegangen am 13. Juni 2013 Fragende Instanz Fragen aus der Bevölkerung
Status beantwortet
Beantwortet am 21. August 2015 Beantwortet von , , ,

Beantwortet von ENSI

Die Beurteilung geologischer Tiefenlager muss das Gesamtsystem berücksichtigen. Während in Etappe 1 des Sachplans geologische Tiefenlager (SGT) anhand von sicherheitstechnischen Kriterien geeignete Gebiete und Wirtgesteine in der Schweiz identifiziert wurden, steht in Etappe 2 SGT eine vergleichende Bewertung der verbliebenen Standortgebiete im Vordergrund. Regulatorische Massnahmen können nicht über Jahrtausende garantiert werden. Deshalb sind die radioaktiven Abfälle in einem geologischen Tiefenlager zu entsorgen. Offene Fragen müssen stufengerecht, d. h. nach und nach geklärt werden (z. B. ergänzende Untersuchungen in Etappe 2 SGT, Bohrungen in Etappe 3 SGT, Bau Felslabor am gewählten Standort nach Rahmenbewilligung). Ohne fundiertes Wissen und nachvollziehbare Entscheide dürfen keine Standortgebiete als «ungeeignet» bewertet werden, sondern müssen im Auswahlverfahren verbleiben. Die im Memo W. Wildi angesprochenen Aspekte wurden und werden im Rahmen des Auswahlverfahrens immer detaillierter berücksichtigt, stellen aber keine Ausschlusskriterien dar.

Diese Frage bezieht sich auf das Memo von W. Wildi vom 8. März 2013 und die darin angesprochenen Ausführungen zum Tiefenlager für hochaktive Abfälle (HAA), zu denen das ENSI Stellung genommen hatte (ENSI 2013). Im Rahmen der Begutachtung zu Etappe 2 des Sachplans geologische Tiefenlager werden alle darin angesprochenen Aspekte erneut beurteilt werden. Im Technischen Forum Sicherheit TFS wurde die vier einzelnen Teilfragen ebenfalls bereits mehrfach angesprochen:

Teilfrage Beantwortete Fragen im TFS
Teilfrage a) Relevanz des Permokarbon-Trogs   für die geologischen Tiefenlager Verschiedene Fragen / Antworten der Teilfragen b) und c) beziehen sich auch auf den Permokarbontrog (siehe unten).
Teilfrage b) Tektonische Beanspruchung TFS-15: Tektonik im Zeitraum von 100 000 bis 1 000 000 JahrenTFS-16: Einfluss der Tektonik auf Lagergeometrie, Lagergrösse und mögliche FreilegungTFS-32: Abbildungsvermögen von Verwerfungen durch SeismikTFS-33: Berücksichtigung der Eppenberg-StrukturTFS-37: Einfluss von Störungszonen auf das TiefenlagerTFS-47: Tektonische Verhältnisse in den Standortregionen
Teilfrage c) Ressourcenkonflikte in   Standortregionen für HAA TFS-21: Abstand zu zukünftigen NutzungspotentialenTFS-22: Abstand zu Trinkwasseraquiferen im LockergesteinTFS-35: Einfluss von bestehenden ErdwärmesondenTFS-53: Thermal- und TrinkwasserquellenTFS-58: Shale-Gas Potential des Opalinustons
Teilfrage d) Lange Zugangsstollen statt   kurzer Minischächte TFS-28: Lagersicherheit (Abdichtung Zugangsbauwerke)TFS-68: Warum wird die sicherste Lösung für den Zugang zum Lager von vornherein verunmöglicht?TFS-76: Zugangsmöglichkeiten von einer Oberflächenanlage zum Tiefenlager

 

In die Beurteilung möglicher Tiefenlagerstandorte müssen alle relevanten Kriterien und Aspekte einfliessen (vgl. Konzeptteil, Sachplan geologische Tiefenlager, Seite 37): «Nur bei extrem ungünstigen Werten kann ein Einzelkriterium entscheiden, dass ein geologisches Standortgebiet oder ein Standort als ungeeignet ausscheidet.» Als ungeeignet angesehene Standorte wurden bereits in Etappe 1 SGT ausgeschieden, indem Mindestanforderungen und verschärfte Anforderungen auf einzelne Indikatoren angewendet wurden. Nur die in Etappe 1 des Sachplans als geeignet bewerteten Standortgebiete werden weiter untersucht und in Etappe 2 SGT miteinander verglichen.

Für die Bewertung der verbleibenden, geeigneten Standortgebiete hält der Konzeptteil des Sachplans (S. 37) fest: «Die Auswahl der möglichen geologischen Standortgebiete bzw. Standorte wird anhand der Eigenschaften des Untergrundes und der geologischen Gesamtsituation getroffen, wie sie aufgrund des geologischen Fachwissens, gestützt auf allgemeine Kenntnisse und Untersuchungen, erwartet werden können. Das Vorgehen soll der Tatsache Rechnung tragen, dass sich ein geeigneter Standort nicht aufgrund einer einzelnen Eigenschaft als solcher ausweist. Die Kriterien, beziehungsweise die zu beurteilenden Aspekte, sind in der Regel in ihrer sicherheitsbezogenen Wirkung voneinander sowie vom Abfallinventar und der Auslegung der technischen Barrieren abhängig. Beim Einengungsverfahren muss vermieden werden, dass ein geeigneter Standort aufgrund einer unnötig hohen Anforderung an eine einzelne Eigenschaft (beispielsweise bei Anwendung quantitativer Einzelkriterien) eliminiert wird.»

a)

Permokarbontröge wurden im Untergrund der Nordschweiz anno 1983 durch Bohrungen und geophysikalische Untersuchungen nachgewiesen. Im Verhältnis zu den vorgeschlagenen Standortgebieten sind dies grossräumige, viele Zehner Kilometer lange und mehrere Kilometer breite Strukturen im tieferen Untergrund, an denen tief liegende Gesteine (kristalliner Sockel) unterhalb des überlagernden Sedimentstapels mehrere Tausend Meter tief eingesunken sind und vor allem mit Sedimenten aus der Karbon- und Permzeit (ca. 360 bis 250 Mio. Jahre alt) gefüllt wurden. Dies alles geschah lange bevor die heute in der Nordschweiz für die Lagerung radioaktiver Abfälle vorgeschlagenen Sedimentgesteine entstanden sind. Auch die Alpen sind erst viel später entstanden. Im Memo W. Wildi wird der Permokarbontrog im Singular angesprochen, gemeint ist dabei vermutlich der Trog, der sich unterhalb der vorgeschlagenen HAA-Standortgebiete befindet. Wie Figur 103-1 zeigt, sind Permokarbontröge nicht nur in der Nordschweiz sondern auch im ganzen Mittelland und am Alpennordrand weit verbreitet, die Frage der Permokarbontröge ist somit nicht nur auf die Nordschweiz beschränkt.

Figur 103-1: Lage der Permokarbontröge mit Umrissen der vorgeschlagenen geologischen Standortgebiete. Blau eingezeichnet ist die Profilspur in Figure 103-2.
Figur 103-1: Lage der Permokarbontröge mit Umrissen der vorgeschlagenen geologischen Standortgebiete. Blau eingezeichnet ist die Profilspur in Figur 103-2.

Im 2-fach überhöhten (d. h. die Massstäbe für vertikale und horizontale Distanzen sind unterschiedlich) geologischen Profil (Figur 103-2) zeigt sich der Permokarbontrog als mehrere Tausend Meter tiefe Struktur, die randlich von Bruchzonen begrenzt ist. Der Permokarbontrog liegt ca. 500 Meter unterhalb des geplanten Tiefenlagers. Für die Standortsuche ist der Permokarbontrog daher nicht direkt von Bedeutung, wohl aber indirekt, denn:

  • Der Permokarbontrog gilt als Region mit Potenzial für das Vorkommen und die Nutzung von Kohlenwasserstoffen à Teilfrage c).
  • Die Randstörungen gelten als Zielgebiet möglicher Nutzung geothermischer Energie à Teilfrage c).
  • Die Randstörungen können sich als Schwächezonen in das darüber liegende Gestein durchpausen (im Profil Figur 103-2 angedeutet) à Teilfrage b)
Figur 103-2: Überhöhtes geologisches Profil durch einen Permokarbontrog. Die Trogränder sind schematisch dargestellt. Die Sedimentfüllung des Trogs ist sehr heterogen und teilweise intern tektonisch zergliedert (nicht dargestellt). Ein geologisches Tiefenlager nimmt innerhalb des blau dargestellten Tiefenfensters nur einen kleinen Raum ein.
Figur 103-2: Überhöhtes geologisches Profil durch einen Permokarbontrog. Die Trogränder sind schematisch dargestellt. Die Sedimentfüllung des Trogs ist sehr heterogen und teilweise intern tektonisch zergliedert (nicht dargestellt). Ein geologisches Tiefenlager nimmt innerhalb des blau dargestellten Tiefenfensters nur einen kleinen Raum ein.

b)

Gesteine können nach ihrer Entstehung durch Bewegungen verändert werden. Dabei kann eine Vielzahl von Phänomene beobachtet werden, darunter Brüche, Klüfte, Störungen, Verschiebungen, Falten, Gräben etc. Der heute vorliegende Zustand wird als tektonische Beanspruchung oder tektonische Überprägung bezeichnet. Bei der Abgrenzung möglicher Standortgebiete in Etappe 1 des Sachplans geologische Tiefenlager spielte die tektonische Überprägung eine wichtige Rolle, indem tektonischen Störungen grundsätzlich ausgewichen und möglichst ungestörte, ruhig gelagerte Gesteinsbereiche bevorzugt wurden. In Figur 103-3 ist zu erkennen, welche Bereiche die verschärften Anforderungen (VA) bezüglich ruhiger Lagerung und Langzeitstabilität erfüllen und für die geologische Tiefenlagerung von HAA in Betracht gezogen wurden.

Figur 103-3: Tektonische Beanspruchung im Bereich der Nordostschweiz. In weiten Bereichen (orange oder orange schraffiert) waren die Mindestanforderungen (MA) oder die verschärften Anforderungen (VA) für ein HAA-Lager nicht erfüllt. Sie wurden von der Nagra in Etappe 1 des Sachplans deshalb für geologische Tiefenlager nicht in Betracht gezogen. Es verblieben begrenzte Gebiete, die zu den HAA-Standortgebieten zusammengefasst wurden.
Figur 103-3: Tektonische Beanspruchung im Bereich der Nordostschweiz. In weiten Bereichen (orange oder orange schraffiert) waren die Mindestanforderungen (MA) oder die verschärften Anforderungen (VA) für ein HAA-Lager nicht erfüllt. Sie wurden von der Nagra in Etappe 1 des Sachplans deshalb für geologische Tiefenlager nicht in Betracht gezogen. Es verblieben begrenzte Gebiete, die zu den HAA-Standortgebieten zusammengefasst wurden.

Diese grundsätzliche Einschätzung ist auch heute noch gültig. Für die weitere Einengung in den Etappen 2 und 3 des Sachplans muss die Nagra die Ergebnisse aus ihren ergänzenden Untersuchungen einfliessen lassen. Dazu gehören u. a. die Ergebnisse aus den 2D- und 3D-seismischen Untersuchungen, aus Aufschlusskartierungen und Fernerkundungsuntersuchungen (Auswertung von Luftbildern und LIDAR-Messungen).

Neben der heutigen Situation müssen auch mögliche zukünftige Entwicklungen der tektonischen Beanspruchung in Betracht gezogen werden. Hier sind Untersuchungen der neotektonische Aktivität (z. B. Seismizität, d. h. kleine, nur mit speziellen Messgeräten zu erfassende Erschütterungen, und quartärgeologische Geländeaufnahmen, welche die jüngste geologische Vergangenheit anzeigen) und das geodynamische Prozessverständnis (Ort und Geschwindigkeit von aktuellen und zukünftigen Bewegungen, Spannungszustand der Erdkruste) von Bedeutung.

Mit den im Sachplan formulierten sicherheitstechnischen Kriterien «1.1 Räumliche Ausdehnung» und «2.1 Beständigkeit der Standort und Gesteinseigenschaften» wurden sowohl der Ist-Zustand als auch die zukünftige Entwicklung der tektonischen Beanspruchung im Sachplan verankert. Die tektonische Beanspruchung wird daher auch in den weiteren Schritten der Standortsuche systematisch beurteilt werden.

c)

Das ENSI versteht unter Ressourcen- oder Nutzungskonflikten eine breite Palette möglicher Nutzungen des geologischen Untergrunds, die im Konflikt zu anderen Interessen stehen könnten: Gewinnung von Rohstoffen (Erdöl, Erdgas, Mineralien…), geothermischer Energie, Naturprodukten (Grundwasser, Steine und Erden), Speicherung von CO2, die Raumnutzung im Untergrund (Tunnels, Baugrund) und Speicherort für Abfälle.

Beim Umgang mit Nutzungskonflikten im Konzept der geologischen Tiefenlagerung sind unterschiedliche Zeitskalen zu berücksichtigen. Auf heute bereits bestehende oder in naher Zukunft absehbare Nutzungskonflikte kann bei der Standortsuche Rücksicht genommen werden, indem sie mit dem sicherheitstechnischen Kriterium «2.4 Nutzungskonflikte» beurteilt werden und diese Bewertung in die Gesamtbeurteilung möglicher Standorte einfliesst (dies wurde in Etappe 1 des Sachplans so umgesetzt). Schwerwiegenden Konflikten kann dadurch ausgewichen werden. Für lange Zeiträume (mehrere Jahrhunderte und länger) können die Nutzungskonflikte nicht zuverlässig abgeschätzt werden. Denkbar ist, dass heute uninteressante Gesteine aus wirtschaftlichen Gründen dannzumal an Bedeutung gewinnen (siehe ausführliche Erläuterungen zu diesem Thema in der Antwort auf Frage 94 „Nutzungskonflikte nach mehreren Tausend Jahren“). Die Gefährlichkeit der radioaktiven Abfälle nimmt jedoch durch den radioaktiven Zerfall im Laufe der Zeit stark ab. Berechnungen zeigen, dass die heutigen hochaktiven Abfälle nach ca. 400 000 Jahren auf ein Niveau abgeklungen sind, das natürlichen Uranerzvorkommen im Volumen der Lagertunnels entspricht. Trotzdem ist die Sicherheit eines HAA-Lagers für einen Betrachtungszeitraum von 1 Million Jahren aufzuzeigen.

Aufgrund des im Verhältnis zu möglichen Ressourcen im Untergrund geringen Platzbedarfs eines geologischen Tiefenlagers (Figur 103-4) wird die künftige Energie- und Rohstoffgewinnung kaum eingeschränkt werden. Aus bestehenden oder absehbaren Nutzungskonflikten kann heute kein Ausschlusskriterium abgeleitet werden. Stattdessen sind sie im Gesamtkontext aller sicherheitstechnischen Kriterien zu würdigen.

Figur 103-4: Kohlenwasserstoff-Potenzial mit Umrissen der vorgeschlagenen geologischen Standortgebiete. Der Platzbedarf für ein geologisches Tiefenlager HAA (rotes Viereck) ist im Vergleich zur regionalen Verbreitung potentieller Kohlenwasserstoff-Vorkommen klein.
Figur 103-4: Kohlenwasserstoff-Potenzial mit Umrissen der vorgeschlagenen geologischen Standortgebiete. Der Platzbedarf für ein geologisches Tiefenlager HAA (rotes Viereck) ist im Vergleich zur regionalen Verbreitung potentieller Kohlenwasserstoff-Vorkommen klein.

d)

Ausgangsüberlegung für die Suche nach geeigneten Standorten für Oberflächenareale auch ausserhalb des «Fussabdrucks» der geologischen Standortgebiete war, dass die Erschliessung des Tiefenlagers von der Oberfläche her grundsätzlich sowohl mit Rampen (geneigte, mit Schienen- oder Radfahrzeugen befahrbare Zugangstunnels) als auch mit senkrechten oder schrägen Schächten sicher möglich ist. Diese Ausgangsüberlegung wurde von verschiedenen Experten bestätigt und wiederspiegelt den heutigen Stand der Technik. Für Etappe 2 SGT wurde für die Erschliessungsbauwerke zum Tiefenlager ausserdem gefordert, dass

  • Gefährdungsbilder und Massnahmen zur Erkundung und Beherrschung zu erarbeiten sind,
  • Risikoanalysen auf die Betriebsphase auszudehnen sind,
  • sowohl der Normalbetrieb als auch die Auswirkung von Störfällen aufgezeigt werden,
  • die Auswirkungen auf die Langzeitsicherheit systematisch überprüft werden, und
  • bautechnische Risikoanalysen in den sicherheitstechnischen Vergleich in Etappe 2 SGT einzubeziehen.

Diese Aspekte werden mit den sicherheitstechnischen Kriterien «4.1 Felsmechanische Eigenschaften und Bedingungen» und «4.2 Untertägige Erschliessung und Wasserhaltung» abgedeckt. Beurteilt werden damit u. a. die Gesteins- und Gebirgsfestigkeiten, Verformungseigenschaften, die Tiefenlage und Gebirgsspannungen, die Stabilität der Hohlräume und die natürliche Gas- und Wasserführung (Aquifere). Die Wahl von Rampen und Schächten wird auch daher in den weiteren Schritten der Standortsuche hinsichtlich Sicherheit und bautechnischer Machbarkeit systematisch beurteilt werden.

Referenzen

ENSI (2013): Kommentar des ENSI zum Memorandum von Walter Wildi betreffend Standortauswahlverfahren zum Tiefenlager für hochaktive Abfälle, Aktennotiz ENSI-AN-8306, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Brugg.

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Beantwortet von BFE

c)

Die Frage der Nutzung von Raum als Ressource und damit von konkurrierenden Nutzungsansprüchen – sei es an der Oberfläche oder im Untergrund – stellt sich einer Gesellschaft stets von Neuem und ist keine Besonderheit des Sachplans geologische Tiefenlager (SGT). In Bezug auf geologische Tiefenlager sind neben der Nutzung von fossilen Energieträgern und Geothermie mögliche Konflikte auch für weitere Ressourcen vorstellbar. Insbesondere ist der Zeitraum bei geologischen Tiefenlagern so gross, dass auch die Nutzung von unbekannten oder heute unbedeutenden Ressourcen in Betracht gezogen werden müsste.

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Der Bund sichert gemäss dem Raumplanungsgesetz mit Sachplänen Flächen (bzw. «Raum») für seine raumwirksamen Aufgaben und macht damit Anliegen geltend, zu denen ihn das Gesetz verpflichtet. Gemäss Artikel 90 der Bundesverfassung ist die Gesetzgebung auf dem Gebiet der Kernenergie Sache des Bundes. Das Kernenergiegesetz schreibt eine Lagerung der radioaktiven Abfälle in geologischen Tiefenlagern vor. Die Flächensicherung im Rahmen des SGT und die Festlegung von Schutzbereichen um geologische Tiefenlager (Art. 14, 37 und 40 KEG) setzen den Anspruch einer sicheren Tiefenlagerung um und manifestieren den hohen Stellenwert, den das Parlament und letztendlich die Gesellschaft diesem Ziel beimisst. Eine Gesellschaft wird und muss sich immer wieder die Frage stellen, welchen Anliegen und Ansprüchen sie welche Prioritäten einräumt. Zukünftige Generationen können nicht dazu verpflichtet werden, eine Sachlage gleich einzuschätzen und ihr dieselben Prioritäten einzuräumen, wie wir es heute tun. Jedoch sind wir mit der sicherheitsgerichteten Standortauswahl, wie sie im Konzeptteil SGT festgelegt ist, in der Lage und in der Verantwortung, gute und vorausschauende Vorkehrungen für eine langfristig sichere Tiefenlagerung zu treffen. Eine weitere Grundlage zur Gewährleistung der Sicherheit von Tiefenlagern und des Wissenserhalts auf einer kurz- bis mittelfristigen Zeitskala ist ein umfassendes gesetzliches Regelwerk mit entsprechenden Massnahmen, wie z. B. der Festlegung von Schutzbereichen, Einträgen in Grundbücher, Einträgen in Richt- und Nutzungspläne sowie der Markierung und Dokumentation von Tiefenlagern.

Beantwortet von swisstopo

Die Verteilung von Permokarbontrögen in der Schweiz ist derzeit noch nicht restlos geklärt. Seismische Linien, Tiefbohrungen und neuere gravimetrischen Untersuchungen lassen darauf schliessen, dass Permokarbontröge auch in den Standortgebieten des Mittellandes vorhanden sind, vor allem in den Standortgebieten Jura Ost und Nördlich Lägern, teilweise auch in Zürich Nordost.

Die Schultern der Permokarbontröge sind im Miozän vor der Jurafaltung reaktiviert worden. Dabei entstanden Abschiebungen (Extensionstektonik). Diese Abschiebungen sind vermutlich während der Jurafaltung nochmals reaktiviert worden (Kompressionstektonik), wobei steile Überschiebungen entstanden, welche mit den flachen Abscherungshorizonten aus der Jurafaltung interagierten. Die Kinematik dieser zweiten Reaktivierung ist noch nicht klar und swisstopo untersucht im Auftrag des ENSI mögliche geometrische und kinematische Szenarien.

Geologische Tiefenlager in den Standortregionen Jura Ost und Nördlich Lägern weisen auf Grund ihrer Lage oberhalb des Nordschweizer Permokarbontroges mögliche Nutzungskonflikte mit der Geothermie und fossilen Energieträgern (Erdgas, Erdöl, Kohlen) auf. Die Wirtschaftlichkeit von tiefer Geothermie wie auch für unkonventionelles Gas aus dieser Region ist allerdings noch nicht erwiesen. Bezüglich CO2 Sequestrierung sehen wir keinen Nutzungskonflikt, da die möglichen CO2 Lagergebiete klar ausserhalb der Standortgebiete für radioaktive Abfälle liegen.

Sowohl lange Zugangsstollen als auch kurze Minischächte sind für die Erschliessung eines zukünftigen  Tiefenlagers möglich. Bezüglich technischer Machbarkeit, Betriebs- und Langzeitsicherheit weisen beide Varianten Vor- und Nachteile auf.

a)

(Details siehe Anhang zur TFS-Antwort 103 der swisstopo, Nutzungskonflikte, Kapitel 1.3)

Über die Verbreitung und detaillierte Geometrie der Permokarbontröge in der Schweiz gibt es unterschiedliche Kenntnisstände. Dass diese im alpinen Vorlandbecken existieren ist aus den Bohrkernen mehrerer Tief-Bohrungen ersichtlich. Es sind dies Humly-2 (Wildi et al., 1991), Teycovagnes-1 (Schegg et al., 1997), Otterbach-2 (Häring, 2001), Entlebuch-1 (Vollmayr et al., 1987), Riniken-1 (Matter et al., 1987), Weiach-1 (Matter et al., 1988), Berlingen-1 (Müller et al., 1999), Schlattingen-1 (Grob, 2011), Dingelsdorf-1 (Lemcke, 1961). Durch die Untersuchungen der Nagra mittels Bohrungen, Seismik und Gravimetrie ist die Verteilung und die Mächtigkeit des Nordschweizer Permokarbontroges zwischen Konstanz und Frick relativ gut bekannt (Nagra, 2008). Für die geologischen Tiefenlager ist aufgrund der bekannten und vermuteten Verteilung der Permokarbontröge vor allem dieser Nordschweizer Permokarbontrog von grosser Relevanz (NAB 08-49, Leu, 2008a).

Weitere grössere Tröge werden in Schaffhausen (Klettgau-Trog), zwischen Biel und Solothurn (Hermrigen-Trog), am Jurasüdfuss, zwischen Altishofen und Boswil, in St.Gallen und am Genfersee vermutet.

Es gilt fest zu halten, dass verschiedene Interpretationen der Verteilung des Permokarbons teils wiedersprechende Resultate liefern. Dies liegt in erster Linie an der mangelhaften Zahl an Tiefenaufschlüssen (Tiefenbohrungen) und interpretatorische Schwierigkeiten bei der Auswertung seismischer Linien. Eine Zusammenfassung der Schwierigkeiten bei der Exploration der Permokarbontröge mittels Seismik lieferten (Marchant et al., 2005). Als ergänzende Methode kann die Gravimetrie dienen. Die Permokarbon-Sedimente weisen relativ zum Kristallin einen negativen Dichtekontrast von ungefähr 100 kgm-3 auf. Dieser Kontrast reicht aus, um oberflächennahe Tröge wie den Nordschweizer Permokarbontrog mittels Gravimetrie zu erkennen (Sprecher and Müller, 1986). Bei stärker überlagerten Permokarbontrögen ist die Exploration mittels Gravimetrie mit grösseren Unsicherheiten behaftet.

Es besteht die Möglichkeit, dass aus Permokarbontrögen Energierohstoffe (Kohle, Gas, Öl) gewonnen werden können. Ebenfalls weisen die Tröge ein erhöhten geothermisches Potential auf. Daraus können Nutzungskonflikte mit geologischen Tiefenlagern resultieren (siehe Teilfrage c).

b)

Um den potentiellen Einfluss der permokarbonen Störungen auf das aktuelle tektonische Regime zu verstehen, ist es unerlässlich die tektonische Geschichte der NE-Schweiz kurz aufzuarbeiten. Der jurassische Falten- und Überschiebungsgürtel wird klassischerweise als „thin-skinned“ (=Bewegungen im Deckgebirge) oberhalb eines triassischen Abscherhorizonts interpretiert. Dieser triassische Abscherhorizont stellt die Obergrenze der E-W verlaufenden Permokarbontröge dar, welche horizontal durch N-S verlaufende Blattverschiebungen begrenzt werden. Die permokarbonen Störungen wurden bei der miozänen Extension und Subsidenz des Nordalpinen-Vorland-Beckens als Abschiebungen reaktiviert (Laubscher, 1987 und 2001).

Die Schlüsselfrage ist, ob die bestehenden Abschiebungen in jüngster Zeit in umgekehrter Richtung als Überschiebungen reaktiviert wurden und in welcher Beziehung sie mit der basalen Abscherung des Deckgebirges stehen. Nach Malz et al. (2013) weist das Baden-Irchel-Herdern-Lineament eine zusätzliche Überprägung durch eine kompressive Deformation auf. Des weitern deutet die Registrierung rezenter Erdbeben darauf hin, dass der Jura-Gürtel gegenwärtig einen gewissen Grad an Deformation im Grundgebirge („thick-skinned“) erfährt. Trotz der hohen Qualität der aufgearbeiteten und 2011/2012 neu aufgenommenen seismischen Profile sind die Bereiche unterhalb von Antiklinalen und bestehenden Abschiebungen zu schwach aufgelöst und lassen verschiedene Interpretationen zu.

Durch mechanische Analysen testen wir verschiedene Hypothesen. Dabei wird ein einfacher rheologischer Prototyp mit zwei potentiellen Abscherhorizonten verwendet: ein triassischer Horizont der sich unter dem Jura-Gürtel und dem Molasse-Becken erstreckt sowie der Übergang von der oberen zu unteren Kruste, der tief südlich der Alpinen Front nahe der penninischen Decken Region (Maillot et al, 2014) wurzelt. Die alten, im Miozän reaktivierten, permokarbonen Abschiebungen werden durch eine Reihe von entweder nach Norden oder Süden fallenden Störungen repräsentiert. Um die potentielle aktuelle Aktivität der verschiedenen Störungen zu testen werden die mechanischen Analysen weitergeführt.

Eine andere Methodik um diese Frage zu klären, ist die Anwendung nanoseismischer Überwachung, welche die Identifizierung aktiver Störungen ermöglicht. Im Felslabor Mont Terri wurde eine Machbarkeitsstudie durchgeführt (Blascheck at al., 2014) und zur Zeit wird die permanente nanoseismische Überwachung eingerichtet. Diese Pilotstudie könnte neue Einblicke in die Lokalisierung der aktuellen Seismizität entlang tektonischer Brüche gewähren. Dank diesen beiden Methoden – mechanische Analyse und Nanoseismik – sind wir daran, die rezent-tektonischen Bewegungen entlang der bestehenden paläozoischen Brüche besser zu belegen.

c)

Antworten auf Fragen zu Ressourcen- und Nutzungskonflikten mit geologischen Tiefenlagern finden sich bereits in den Fragen ans Technische Forum Sicherheit (TFS) Frage 22, Frage 58, Frage 36 , Frage 21 und Frage 48. Diese weisen darauf hin, dass Nutzungskonflikte nicht auszuschliessen sind und zeigen Möglichkeiten auf, wie der Konflikt gering gehalten werden kann. Nachfolgend wird ausschliesslich der umfassendere Begriff Nutzungskonflikt verwendet, welcher die Ressourcenkonflikte einschliesst. Ausführliche Erläuterungen inkl. Darstellungen finden sich im Anhang „Nutzungskonflikte“. Der Anhang behandelt die hier aufgeführten Nutzungskonflikte mit CO2-Sequestrierung, der Nutzung von Geothermie und der Förderung von fossilen Energieträgern sowie Steinen, Erden und Industrieminerale.

CO2-Sequestrierung

(Details siehe Anhang zur TFS-Antwort 103 der swisstopo, Nutzungskonflikte, Kapitel 2)

Chevalier et al. (2010) analysierten die Geologie unter dem Gebiet des Schweizer Molasse Beckens auf das Potential zur Einlagerung von CO2 in verschiedenen Aquiferen. Bemerkenswertes Potential weisen die Formationen Muschelkalk, oberer Malm und untere Kreide sowie der Hauptrogenstein auf. Auf die Standortgebiete für Hochaktive Abfälle (HAA) angewandt ergibt sich auf Grund der Ausdehnung und Tiefe der Formationen lediglich ein geringes Potential. Chevalier et al. haben in ihrer Studie das Potential der Permokarbontröge noch nicht berücksichtigt. Da die Standortgebiete Jura Ost und Nördlich Lägern oberhalb von Permokarbontrögen liegen, muss diese Beurteilung zu einem späteren Zeitpunkt revidiert werden.

Die von den Autoren als Region mit hohem Potenzial bezeichnete Region liegt im Dreieck zwischen Bern, Solothurn und Luzern und befindet sich ausserhalb der vorgeschlagenen Standorte.

Geothermie

(Details siehe Anhang zur TFS-Antwort 103 der swisstopo, Nutzungskonflikte)

Die Region um Baden (AG) weisst den grösste geothermischen Wärmefluss (oft >100 Milliwatt/m2) der Schweiz auf und eignet sich daher besonders für die Nutzung untiefer Geothermie (bis 300m). Diese Form der Erdwärmenutzung steht mit einem eigentlichen Tiefenlager jedoch in keinem Nutzungskonflikt, da dieses in grösseren Tiefen zu liegen kommt. Werden die spezifischen geothermischen Potentiale einzelner Formationen berücksichtigt, so fällt das grösste Potential hauptsächlich auf die von Permokarbontrögen unterlegten Gebieten. Die zerscherten Randbereiche der Tröge, welche eine erhöhte hydraulische Leitfähigkeit aufweisen, sind für die hydrothermale Nutzung von besonderem Interesse. Für petrothermale geothermische Nutzung eignet sich in erster Linie der ungestörte kristalline Sockel. Durch die Lage der Permokarbontröge ergeben sich somit für die Standorte Jura Ost und Nördlich Lägern mögliche Nutzungskonflikte mit hydrothermaler Geothermie. Für petrothermale Geothermie könnte sich mit dem Standortgebiet Zürich Nordost ein möglicher Nutzungskonflikt ergeben. Dort gibt es bislang keine Hinweise auf grössere Permokarbontröge. Die Bohrung bei Benken hat kein Permokarbon angetroffen, sondern direkt das Kristallin erbohrt (Nagra, 2000). Um dort den Zielhorizont für tiefe Geothermie im kristallinen Sockel zu erreichen, muss das Standortgebiet durchbohrt werden, da er unterhalb des Opalinustons liegt. Weitere Ausführungen zu Nutzungskonflikten mit Rohstoffvorkommen unterhalb des Wirtsgesteins finden sich auch in der Antwort auf die Frage an das Technische Forum Sicherheit Frage 48, welche summarisch auch im Anhang in Tabelle 1 aufgeführt ist.

Fossile Energieträger

(Details siehe Anhang zur TFS-Antwort 103 der swisstopo, Nutzungskonflikte, Kapitel 4)

Das Vorkommen von wirtschaftlich nutzbarem konventionellen Erdöl, resp. konventionellem Erdgas ist im Gebiet der Nordschweiz eher unwahrscheinlich. Bis heute konnte einzig durch die Bohrung Entlebuch-1 Erdgas gefördert verwendet, wenn auch nur mit unbefriedigendem Erfolg (Lahusen and Wyss, 1995). Die Sedimente der Permokarbontröge können hingegen als Muttergesteine für sogenannte unkonventionelle Gasvorkommen wie Tightgas oder Coal Bed Methane (Kohleflözgas) dienen. Diese Gasvorkommen könnten gemäss Leu (2008b) womöglich wirtschaftlich gefördert werden, was zu einem möglichen Nutzungskonflikt in den Standortgebieten Jura Ost und Nördlich Lägeren führen könnte. Durch die Anwendung von abgelenkten und horizontalen Bohrungen könnte dieser Konflikt jedoch umgangen werden. Eine Sicherheitsanalyse muss allerdings zeigen, dass die Langzeitsicherheit des Tiefenlagers dadurch nicht beeinträchtigt wird.

Steine und Erden, Industrieminerale

(Details siehe Anhang zur TFS-Antwort 103 der swisstopo, Nutzungskonflikte, Kapitel 5)

Die Villigen- und Wildeggformation um den Bözberg bilden Potential für einen Abbau von Kalk und Mergel, welches z.T. schon heute genutzt wird. Änderungen im Spannungsfeld und Ausbildung von Auflockerungszonen (Dekompaktion) auf Grund von Druckentlastung bei einem exzessiver Abbau sind denkbar. Solche Druckentlastungen könnten sich bis in den Bereich eines Tiefenlagers auswirken, je nach dem in welcher Tiefenlage dieses liegt.

Die Salzlager im mittleren Muschelkalk haben auf Grund ihrer Tiefe (Bohrung Riniken: 740.4 bis 742.7m) (Matter et al., 1987) und Mächtigkeit kaum wirtschaftliche Bedeutung, dies vor allem in Anbetracht der zahlreichen, wirtschaftlichen Vorkommen im Ausland. Der Abbau der weitläufigen Kiesvorkommen in den Standortgebieten Nördlich Lägeren und Zürich Nordost sowie der Abbau in Tongruben (aus quartären Ablagerungen) stellen keinen Nutzungskonflikt mit einem eigentlichen Tiefenlager dar, da sich dieser nur auf oberflächennahe Schichten beschränkt.

d)

Beide Varianten (lange Zugangsstollen, kurze Minischächte) sind technisch machbar. Beide Varianten weisen Vor- und Nachteile auf. Bei der Rampe hat man zum Beispiel grössere Flexibilität in der Anordnung der Oberflächenanlage und die Streckenführung kann den geologischen Verhältnissen angepasst werden. Beim Schacht ist die geologische Erkundung einfacher und es fallen geringere Aushubmengen an; die Schachtlösung wäre finanziell günstiger. Bezüglich der Sicherheit muss abgeklärt werden, ob kurze Minischächte und lange Rampen gleichwertig sind. Kurzfristig gesehen können beide während des Auffahrens abgedichtet und beim Verschluss des Tiefenlagers langfristig versiegelt werden.

Anhang

Anhang zur TFS-Antwort 103 der swisstopo

Referenzen

Chevalier, G., Diamond, L.W. and Leu, W., 2010. Potential for deep geological sequestration of CO2 in Switzerland: a first appraisal. Swiss Journal of Geosciences, 103(3): 427-455.

Grob, H., 2011. Geothermie-Bulletin 5: Erfolgreiche Geothermiebohrung. Grob Gemüse, Bodenacker, 8255 Schlattingen, www.grob-gemuese.ch.

Häring, M., 2001. Technischer Bericht Geothermie-Sondierbohrung Otterbach 2, Basel., Geothermal Explorers Ltd, www.bfe.admin.ch.

Lahusen, P. and Wyss, R., 1995. Erdöl- und Erdgasexploration in der Schweiz: Ein Rückblick. Bulletin der Vereinigung Schweizerischer Petroleumgeologen und -Ingenieure, 62(141): 43-72.

Lemcke, K., 1961. Ein jungpaläozoischer Trog unter dem Süddeutschen Molassebecken. Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, 113: 176-181.

Leu, W., 2008a. Permokarbon-Kartenskizze (Rohstoffe), Kompilation eines GIS-Datensatzes auf der Basis von bestehenden Unterlagen (Bereich Schweizer Mittelland). Nagra NAB 08-49.

Leu, W., 2008b. Potential der Kohlenwasserstoffressourcen, Schweizer Mittelland und subalpiner Bereich, Nagra NAB 08-35.

xx Maillot et al.,

Marchant, R., Ringgenberg, Y., Stampfli, G., Birkhäuser, P., Roth, P. and Meier, B., 2005. Paleotectonic evolution of the Zürcher Weinland (northern Switzerland), based on 2D and 3D seismic data. Eclogae geologica Helvetica,, 98: 345-362.

Matter, A., Peters, T., Bläsi, H.-R., Meyer, J., Ischi, H. and Meyer, C., 1988. Sondierbohrung Weiach, Geologie, Nagra NTB 86-01.

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Beantwortet von EGT (ehem. KNE)

 Die EGT hat sich schon früher zur Teilfrage b) tektonischen Beanspruchung der Nordschweiz geäussert und nimmt hier Stellung zu den Themen c) «Ressourcenkonflikte in Standortregionen für HAA (inklusive Teilfrage a) « Relevanz des Permokarbontrogs»), Fossile Energieträger, Geothermie» sowie d) «Lange Zugangsstollen statt kurzer Minischächte».

Es zeigt sich, dass ein geplantes geologisches Tiefenlager die Nutzung möglicher geologischer Ressourcen im tieferen Untergrund kaum ernsthaft einschränkt. Der Ressource Trinkwasser und dem damit einhergehenden Nutzungskonflikt muss bei der konkreten Standortwahl eine geologischen Tiefenlagers explizit Rechnung getragen werden. Ausserdem muss sichergestellt werden, dass ein geologisches Tiefenlager so markiert wird, dass dieses nicht versehentlich (u. a. bei der Suche nach natürlichen Ressourcen) angebohrt und damit in seiner sicherheitstechnischen Funktion (Barrierenwirkung) eingeschränkt wird. Die Möglichkeiten einer solchen Markierung wurden in der Antwort zur TFS-Frage 67 sowie TFS-Fachsitzung vom 1. Dezember 2011 zum Fachthema «Markierung und Langzeitdokumentation» erörtert. Die in Etappe 2 SGT relevanten sicherheitstechnischen Aspekte der zukünftigen Nutzung von tiefen Ressourcen im Untergrund werden von anderen Experten des TFS behandelt und die EGT schliesst sich grundsätzlich deren Bewertung an. Die Schlussfolgerungen der EGT sind im Einzelnen:

  • Die schweizerischen KKW haben während der letzten 40 Jahre mindestens 20 mal mehr elektrische Energie erzeugt als im Falle von Kohle auf der Fläche eines Tiefenlagers – sofern in dieser Tiefe jemals vorhanden – hätte gefördert werden können (insofern steht dem Verzicht auf eine allfällige Kohleförderung ein Energiemehrwert im Faktor 20 gegenüber.)
  • Die maximal nutzbare geothermische Energie, die aus der Fläche eines geologischen Tiefenlagers während des typischen Zeitraumes für das Abklingen der Radioaktivität von hoch- und mittelaktiven Kernabfällen (105 ‑ 106 Jahre) bezogen werden kann, ist deutlich kleiner als die bis heute durch die KKW umgesetzte elektrische Energie.
  • Die Realisierung eines geologischen Tiefenlagers schränkt die Nutzung der natürlichen Ressourcen im Permokarbon-Trog nicht wesentlich ein, da wegen seiner Grösse genügend Platz zur Ressourcennutzung vorhanden ist, ohne den Perimeter eines geologischen Tiefenlagers zu tangieren.

Bezüglich der Hohlraumstabilität stellt die EGT fest, dass einzig Unterschiede bestehen könnten, welche auf der Anisotropie der durchfahrenen Schichten basieren (es ist grundsätzlich einfacher, Hohlräume quer zur Schichtung aufzufahren). Eine Untersuchung der Zugangsstollen oder Schächte bezüglich solcher Anisotropie-Aspekte steht noch aus. Die kürzlich von der Nagra im Entwurf präsentierte bautechnische Risikoanalyse zeigt, dass die Länge der durchfahrenen Schichten (bei den Stollen zwangsmässig höher), die bautechnischen Risiken beeinflussen. Die Lebensdauer von Schächten ist nach Ansicht der EGT nicht höher als jene von Stollen (in gleichen geologischen Verhältnissen).

c)

Die TFS-Frage 103 behandelt einige Aspekte, die W. Wildi in seinem Memorandum «Ressourcenkonflikte und geologische Risiken» angeschnitten hat. Diese Antwort lässt sich im Wesentlichen auf die Frage reduzieren, ob sich die Gesellschaft durch die Standortwahl für ein geologisches Tiefenlager in der Nutzung natürlicher Ressourcen einschränkt.

Präambel

Das Kriterium «Nutzungskonflikte (2.4)» des Sachplans zur Standortwahl eines geologischen Tiefenlagers beurteilt folgende Aspekte:

«Beurteilt werden die nutzungswürdigen Rohstoffe und die sich daraus allfällig ergebenden Nutzungskonflikte. Insbesondere wird beurteilt, ob im oder unterhalb des Wirtgesteins bzw. des einschlusswirksamen Gebirgsbereiches aus heutiger Sicht wirtschaftlich nutzungswürdige Rohstoffe (z.B. Salz, Kohlenwasserstoffe, Geothermie, Mineralquellen, Thermen) im besonderen Masse vorkommen. Beurteilt wird ferner, ob die Erschliessung und Nutzung der Rohstoffe Barrierenwirkungen des Wirtgesteins beeinträchtigen (Schichtverletzungen) oder das Lager direkt treffen könnte.»

Zur Bewertung der Nutzungskonflikte, die sich durch die Standortwahl für ein geologisches Tiefenlager ergeben, haben sich unterschiedliche ExpertInnen geäussert, so auch im Technischen Forum Sicherheit (Frage 21, Frage 22, Frage 48, Frage 58 und Frage 94, sowie weitere Stellungsnahmen durch ESchT und ENSI). In ihrer Eingrenzung in Etappe 1 des Sachplans hat die Nagra Nutzungskonflikte stärker gewichtet als dies der deutsche Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd) oder die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) tun.

Damit sind alle Argumente bekannt und wurden aus Sicht der EGT in Etappe 1 in der gebührenden fachlichen Tiefe beurteilt. Die in Etappe 2 SGT relevanten sicherheitstechnischen Aspekte der zukünftigen Nutzung von tiefen Ressourcen im Untergrund werden von anderen Experten des TFS behandelt und die EGT schliesst sich grundsätzlich deren Bewertung an. Die EGT hat sich deshalb entschlossen, die Diskussion um einige allgemeine Aspekte zu ergänzen, um Nutzungskonflikte im Kontext einer übergreifenden Güterabwägung zu beurteilen.

EGT Einschätzung

Nutzungskonflikte lassen sich auch als Güterabwägung auffassen. Hierbei wird der bis heute eingetretene Nutzen der umgesetzten Energie aus Kernkraftwerken (KKW), deren Abfall im geologischen Tiefenlager eingelagert wird, dem Verlust gegenüber gestellt, der durch den Bau eines geologischen Tiefenlagers entsteht, wenn dadurch der «Abbau» natürlicher Ressourcen verunmöglicht wird.

Rationalisieren lässt sich eine solche Gewichtung, indem

  1. die Energieumsätze aus schweizerischen KKW und aus natürlichen Ressourcen verglichen werden, und
  2. der Flächenbedarf eines geologischen Tiefenlagers der Fläche des Permokarbontrogs, in dem das grösste Potenzial für Kohle und Geothermie zu erwarten sind, gegenüber gestellt wird.

Vorgabe: Nach Aussagen der Nagra und des ENSI beträgt der typische Flächenbedarf eines geologischen Tiefenlagers etwa 4 km2. Diese Fläche liegt den untenstehenden Ausführungen zu Grunde.

a. Energieumsatz

  • Schweizerische KKW

Aus der Homepage des Interessenverbands der Schweizerischen Stromverbundunternehmen (swisselectric) und ihrer Untergruppe für Kernenergie (swissnuclear, [1]) sind Daten über den Energieumsatz der schweizerischen KKW zu entnehmen [2]. So setzten die schweizerischen KKW seit Inbetriebnahme gemeinsam mehr als 800 TWh (> 3.1018 J) an elektrischer Energie um (Beznau: > 224.106 MWh seit 1969, Gösgen: 250.106 MWh seit 1984, Leibstatt: > 228.106 MWh seit 1984, Mühleberg: > 98.106 MWh seit 1972). Da der Wirkungsgrad von KKW etwa 30% beträgt, ist die effektiv umgesetzte Energie (elektrisch und thermisch) rund drei mal grösser (etwa 1019 J).

  • Natürliche Ressource: Kohle

Die thermische Energie aus Kohle, die einem Kohleflöz mit einer Fläche eines geologischen Tiefenlagers (4 km2) und einer 1 m Mächtigkeit bei vollständigem Abbau entnommen werden kann, entspricht 1.6.1017 J (Heizwert Steinkohle: etwa 30 MJ/kg [3], Dichte Steinkohle: 1300 kg/m3 [4]).

  • Schlussfolgerung

Die schweizerischen KKW haben während der letzten 40 Jahre mindestens 20 mal mehr elektrische Energie umgesetzt als jene aus der Kohle, die wegen der Realisierung eines geologischen Tiefenlagers nicht genutzt werden kann.

Der Wärmefluss im Bereich der Standortregionen für ein zukünftiges geologisches Tiefenlager beträgt etwa 0.14 W/m2 [5]. Eine Fläche, die dem geplanten geologischen Tiefenlager entspricht (4 km2), liefert jährlich maximal 1.8.1013 J an thermischer Energie. Die Wärmekapazität von Granit beträgt 0.8 Joule pro Gramm und Kelvin. Wenn wir 500mx500mx500m Granit um 50 Grad abkühlen, bekommen wir eine Energie von 1.7E16 Joule. Dies ist die Idee der EGS Systeme, welche über eine begrenzte Zeit viel mehr Energie liefern können als der stationäre Wärmefluss. Es gibt nahezu beliebig viele solcher potenziell nutzbaren Granitkörper im Untergrund der Nordschweiz.

Figur 103-5: Räumliche Verteilung des geothermischen Wärmeflusses in der Schweiz (nach www.vgka.ch)
Figur 103-5: Räumliche Verteilung des geothermischen Wärmeflusses in der Schweiz (nach www.vgka.ch)

 

  • Schlussfolgerung

Die maximal nutzbare geothermische Energie, die aus der Fläche eines geologischen Tiefenlagers während des typischen Zeitraumes für das Abklingen der Radioaktivität von hoch- und mittelaktiven Kernabfällen (105 ‑ 106 Jahre) bezogen werden kann, beträgt etwa 2.1018 J. Wird berücksichtigt, dass Erdwärme nie vollständig umgesetzt werden kann (Wirkungsgrad << 100%), ist die geothermische Energie, die wegen des geologischen Tiefenlagers nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden kann, deutlich kleiner als die bis heute durch die KKW umgesetzte elektrische Energie.

b. Flächenbedarf eines geologischen Tiefenlagers (Figur 103-6).

Der Flächenbedarf eines zukünftigen geologischen Tiefenlagers (4 km2) ist klein im Vergleich zum Perimeter der vorgeschlagenen Standortregionen und demzufolge verschwindend klein im Vergleich zur Ausdehnung des Permokarbontrogs, der sich über weite Teile des schweizerischen Mittellandes erstreckt (Figur 103-6).

Figur 103-6: Flächenvergleich zwischen den Permokarbontrögen und den Perimetern für die vorgeschlagenen Standortregionen und die geologischen Tiefenlager (reproduziert nach Nagra Vorlage)
Figur 103-6: Flächenvergleich zwischen den Permokarbontrögen und den Perimetern für die vorgeschlagenen Standortregionen und die geologischen Tiefenlager (reproduziert nach Nagra Vorlage)

Die Realisierung eines geologischen Tiefenlagers schränkt die Nutzung der natürlichen Ressourcen im Permokarbontrog nicht wesentlich ein, da wegen seiner Grösse genügend Platz zur Ressourcennutzung vorhanden ist, ohne den Perimeter eines geologischen Tiefenlagers zu tangieren.

Zusammenfassung

Die angeführten allgemeinen Argumente zeigen, dass ein geplantes geologisches Tiefenlager die Nutzung möglicher geologischer Ressourcen im tieferen Untergrund kaum ernsthaft einschränkt, da

  • die zu erwartenden Ausdehnungen möglicher Ressourcen im Permokarbon viel grösser sind als sie typischen Abmessungen eines möglichen geologischen Tiefenlagers. Damit schränkt der Bau eines geologischen Tiefenlagers den Zugang zu den untertägigen Ressourcen kaum ein (Figur 103-6), und
  • sich aus dem unmittelbaren Perimeter eines geologischen Tiefenlagers weit weniger Energie umsetzen lässt als die elektrische Energie, welche die schweizerischen KKW bis heute umgesetzt haben und deren Abfälle im geologischen Tiefenlager entsorgt werden sollen.

Die Einschätzungen der EGT hinsichtlich Nutzungskonflikte deckt sich weitgehend mit der Bewertung anderer ExpertInnengremien (siehe Präambel). Abschliessend ist auf einen Punkt zu verweisen, der der EGT im Zusammenhang mit den angeführten Argumenten als kritisch erscheint und entsprechend vertieft analysiert werden sollte.

Flache Grundwasserressourcen über einem geologischen Tiefenlager

Die Schweiz bezieht rund 60% ihres Trinkwassers aus flachem Grundwasser und Quellen. Der Ressource Trinkwasser und dem damit einhergehenden Nutzungskonflikt muss bei der konkreten Standortwahl für ein geologisches Tiefenlager explizit Rechnung getragen werden.

Der Trinkwasserschutz wird dabei im Rahmen des Gewässerschutzgesetzes speziell bewertet.


[1] Beznau: > 224.106 MWh seit 1969, Gösgen: 250.106 MWh seit 1984, Leibstatt: > 228.106 MWh seit 1984, Mühleberg: > 98.106 MWh seit 1972

d)

Konkret geht es um die Diskussion folgender Aussagen im Memorandum von W. Wildi:

«Vertikale Schächte sind in fragilen Gesteinen stabiler und haben grössere Lebenserwartung als horizontale Stollen. Dies liegt ganz einfach an der geringen Druckfestigkeit horizontaler Hohlräume unter hohem Gesteinsdruck.»

Zusammenfassend stellt die EGT fest, dass bezüglich der Hohlraumstabilität einzig Unterschiede bestehen könnten, welche auf der Anisotropie der durchfahrenen Schichten (es ist grundsätzlich einfacher, Hohlräume quer zur Schichtung aufzufahren) und der Anisotropie der Primärspannungen basieren. Eine Untersuchung der Zugangsstollen oder Schächte bezüglich solcher Baugrundanisotropie-Aspekte steht noch aus. Bautechnische Risikoanalysen zeigen, dass die Länge der durchfahrenen Schichten (bei den Stollen zwangsmässig höher), die bautechnischen Risiken beeinflussen. Die Lebensdauer von Schächten ist nach Ansicht der EGT nicht höher als jene von Stollen (in gleichen geologischen Verhältnissen).

Stabilität von Schächten und Tunneln in fragilen Gesteinen

Die Beanspruchung des Gebirges infolge Herstellung eines Hohlraumes hängt im Wesentlichen von folgenden Faktoren ab:

  • Primärspannungssituation
  • Hohlraumgeometrie
  • Orientierung des Hohlraumes in Bezug zu den Primärspannungen
  • Anisotropie des Gebirges relativ zur Hohlraumorientierung

Während es in Umfangsrichtung in der Regel zu Spannungserhöhungen gegenüber der Primärspannung kommt, muss zwangsläufig bei nicht ausgekleideten Tunneln in radialer Richtung (normal zur Hohlraumlaibung) die Spannung am Hohlraumrand Null sein.

Im Folgenden sollen einige Beispiele den Einfluss der unterschiedlichen Faktoren auf die Spannung um einen Schacht und einen Tunnel illustrieren. Die Beispiele berücksichtigen nicht eine Plastifizierung des Gebirges (Bildung einer „Excavation Damaged Zone EDZ“) und anisotrope Verhältnisse.

Spannungverteilung im Querschnitt um einen Stollen und Schacht

Angenommen wurde ein Hohlraum mit einem Durchmesser von 10 m und kreisförmigem Querschnitt. Weiter wurde ein hydrostatischer Primärspannungszustand mit einer Grösse von 10 MPa gewählt (entspricht einer Überlagerung von etwa 400 m). Ein elastisches Materialverhalten wird angenommen.

Figur 103-7 zeigt den Verlauf der Spannungen in Umfangsrichtung (tangentiale Spannungen) und in radialer Richtung (radiale Spannungen). Dabei ist zu erkennen, dass für den gewählten Fall die Umfangsspannungen am Hohlraumrand die doppelte Grösse der Primärspannungen erreichen und mit zunehmender Entfernung vom Hohlraumrand wieder zum Niveau der Primärspannung konvergieren. Die Radialspannungen sind am Hohlraumrand Null und steigen mit zunehmender Entfernung wieder auf das Niveau der Primärspannungen an.

Figur 103-7: Verteilung der Radial- und Umfangsspannungen bei hydrostatischem Primärspannungszustand und kreisförmigem Tunnel
Figur 103-7: Verteilung der Radial- und Umfangsspannungen bei hydrostatischem Primärspannungszustand und kreisförmigem Tunnel

 

Im Folgenden wird gezeigt, wie sich die Primärspannungssituation auf die Umfangsspannungen am Hohlraumrand jeweils bei einem Tunnel und einem Schacht bei gleicher Teufe auswirken.

Scenario 1

Ausgegangen wird wieder von einem kreisförmigen Tunnel und Schacht.

  • Primäre Vertikalspannung: 10 MPa
  • Primäre Horizontalspannung in Richtung x: 10 MPa
  • Primäre Horizontalspannung in Richtung y: 10 MPa

Daraus ergeben sich folgende Verteilungen von Umfangsspannungen um die jeweiligen Hohlräume (Figur 103-8):

Figur 103-8: Umfangsspannungen am Hohlraumrand bei hydrostatischem Primärspannungszustand
Figur 103-8: Umfangsspannungen am Hohlraumrand bei hydrostatischem Primärspannungszustand

Man sieht, dass in diesem Fall sowohl beim Tunnel als auch beim Schacht die Umfangsspannung an der Laibung über den Umfang gleiche Grösse, und zwar in Höhe der doppelten Primärspannung aufweist. Es besteht in diesem Fall kein Unterschied zwischen Schacht und Tunnel in gleicher Teufe.

Scenario 2

Ausgegangen wird wieder von einem kreisförmigen Tunnel und Schacht.

  • Primäre Vertikalspannung: 10 MPa
  • Primäre Horizontalspannung in Richtung x: 7 MPa
  • Primäre Horizontalspannung in Richtung y: 7 MPa

Daraus ergeben sich folgende Verteilungen von Umfangsspannungen um die jeweiligen Hohlräume (Figur 103-9):

Figur 103-9: Umfangsspannungen am Hohlraumrand infolge anisotropen Primärspannungszustands (Horizontalspannung geringer als Vertikalspannung)
Figur 103-9: Umfangsspannungen am Hohlraumrand infolge anisotropen Primärspannungszustands (Horizontalspannung geringer als Vertikalspannung)

Man sieht, dass im Fall von geringeren Horizontal- als Vertikalspannungen die Umfangsspannungen beim Tunnel an der Ulme (Seitenwand) etwa das 2,3 fache der vertikalen Primärspannung erreichen, während in der Firste (Decke) nur eine Erhöhung von rund 10% festzustellen ist. Beim Schacht ist die Umfangsspannung wieder gleichmässig um den Umfang in der Höhe der doppelten primären Horizontalspannung.

Scenario 3

Ausgegangen wird wieder von einem kreisförmigen Tunnel und Schacht.

  • Primäre Vertikalspannung: 10 MPa
  • Primäre Horizontalspannung in Richtung x: 10 MPa
  • Primäre Horizontalspannung in Richtung y: 12 MPa

Daraus ergeben sich folgende Verteilungen von Umfangsspannungen um die jeweiligen Hohlräume (Figur 103-10):

Figur 103-10: Umfangsspannungen am Hohlraumrand infolge anisotropen Primärspannungszustands (Horizontalspannung in Richtung y höher als Vertikalspannung)
Figur 103-10: Umfangsspannungen am Hohlraumrand infolge anisotropen Primärspannungszustands (Horizontalspannung in Richtung y höher als Vertikalspannung)

Bei einer Orientierung der Tunnelachse in Richtung y ergibt sich wieder wie bei Scenario 1 eine isotrope Spannungsverteilung um den Hohlraumrand in einer Grösse der doppelten primären Vertikalspannung. Bei einer Orientierung der Tunnelachse in Richtung x ergeben sich an der Firste höhere Spannungen, während sie an der Ulme geringer sind. Beim Schacht ergibt sich eine mit dem Tunnel in x-Richtung idente Spannungssituation.

Scenario 4

Ausgegangen wird wieder von einem kreisförmigen Tunnel und Schacht.

  • Primäre Vertikalspannung: 10 MPa
  • Primäre Horizontalspannung in Richtung x: 15 MPa
  • Primäre Horizontalspannung in Richtung y: 12 MPa

Daraus ergeben sich folgende Verteilungen von Umfangsspannungen um die jeweiligen Hohlräume (Figur 103-11):

Figur 103-11: Spannungsverteilung um den Hohlraum bei richtungsbetonten höheren Horizontal- als Vertikalspannungen
Figur 103-11: Spannungsverteilung um den Hohlraum bei richtungsbetonten höheren Horizontal- als Vertikalspannungen

Bei Ausrichtung des Tunnels in y-Richtung ergeben sich an der Firste die grössten Spannungen, während sie an den Ulmen in Höhe der primären Horizontalspannung in Richtung x liegen. Bei Orientierung der Tunnelachse in x-Richtung ergibt sich eine wesentlich gleichmässigere Spannungsverteilung, wobei immer noch in der Firste die höchste Spannung festzustellen ist. Beim Schacht liegt die maximale Spannung im Bereich dessen, was beim Tunnel mit Achsenrichtung y zu erwarten ist, allerdings sind die Spannungen in der zweiten Achse höher als beim Tunnel.

Scenario 5

Ausgegangen wird von einem flachovalen Tunnel und kreisrunden Schacht.

  • Primäre Vertikalspannung: 10 MPa
  • Primäre Horizontalspannung in Richtung x: 15 MPa
  • Primäre Horizontalspannung in Richtung y: 12 MPa

Daraus ergeben sich folgende Verteilungen von Umfangsspannungen um die jeweiligen Hohlräume (Figur 103-12):

Figur 103-12: Spannungsverteilung um den Hohlraum bei richtungsbetonten höheren Horizontal- als Vertikalspannungen und hochovaler Tunnelgeometrie
Figur 103-12: Spannungsverteilung um den Hohlraum bei richtungsbetonten höheren Horizontal- als Vertikalspannungen und hochovaler Tunnelgeometrie

Es ist deutlich zu erkennen, dass die Veränderung der Tunnelgeometrie zu einer gleichmässigeren Spannungsverteilung am Hohlraumrand führt.

Schlussfolgerung

Wie oben gezeigt wurde, wird die Beanspruchung des Gebirges in der Nähe des Hohlraumes durch die primäre Spannungssituation und die Hohlraumform beeinflusst. Eine eindeutige Präferenz für einen Schacht oder Tunnel ist in Bezug zur Gebirgsbeanspruchung nicht abzuleiten. Insbesondere auch deshalb, da bei Tunneln sowohl die Orientierung, als auch die Hohlraumform innerhalb gewisser Grenzen veränderbar ist. Man ist also in der Lage, in Bezug zu den Spannungen ungünstige Orientierungen zu vermeiden, und die Hohlraumgeometrie entsprechend anzupassen.

Die Anisotropie und nicht-elastischen Verformungen müssen zusätzlich berücksichtigt werden. Für horizontale Tiefenlagerstollen und Kavernen wie auch für vertikale Schächte wurden im Rahmen von SGT Etappe 1 und 2 umfangreiche Detailstudien zur Abschätzung der Auflockerungszone im Umfeld dieser Bauwerke durchgeführt. Grundsätzlich ist bei einer subhorizontalen Schichtung die vertikale Orientierung der Schächte vorteilhafter als die horizontale Lage von Stollen.

Lebenserwartung von Tunneln und Schächten

Grundsätzliche Aspekte

Die aufwändigen Sanierungsarbeiten im Belchentunnel sind auf Schäden aus quellendem Gebirge (Opalinuston und Gipskeuper) zurückzuführen. Solche Quellprobleme unterscheiden sich nicht grundsätzlich zwischen einem Schacht und einem Tunnel. Bei der Quellproblematik stellen sich bei einer Detailanalyse Fragen zur Vortriebsmethode (trocken oder mit Brauchwasser) und dem Einbau von Stützmitteln, zur Lokalität von natürlichen Wasserzutritten, Abdichtung von Wasserzutritten, den Fliesswegen von Wasser um die Hohlräume (z. B. bevorzugt in der Sohle von horizontalen Stollen) sowie der künstlichen Erzeugung von Wasserfliesswegen durch Rissbildung. Die vorgesehenen Zugangsbauwerke durchqueren den Gipskeuper nicht.

Viele Sanierungsarbeiten in nicht quellenden Gesteinen sind auf erhöhte Sicherheitsanforderungen und nicht auf geologische Ursachen zurückzuführen. In wenigen Fällen verursachten hohe Porenwasserdrücke oder ‑salinitäten Schäden an den Tunnelauskleidung. Bei sachgemässer Herstellung- welche hier vorausgesetzt werden kann – ist kein Unterschied bei der Wartung und Unterhalt von Tunneln oder Schächten zu erwarten. Hier mag vielleicht der subjektive Eindruck täuschen, da ja jedermann häufig Tunnels benützt, aber kaum jemand regelmässig Schächte. Daher kann leicht der Eindruck entstehen, dass Tunnels wartungsanfälliger als Schächte sind.

Die Wartung von Schächten ist jedenfalls problematischer als jene von Tunnels und Stollen, da diese nur von abgehängten Arbeitsbühnen ausgeführt werden kann.

Langzeitbeständigkeit von Ausbaumaterialien

In Österreich läuft derzeit eine Untersuchung zur Langzeitbeständigkeit von Stützmitteln. In den 1970er und 1980er Jahren wurde eine Reihe von Strassentunneln einröhrig errichtet. Seit etwa 2005 werden die zweiten Röhren bei einigen Tunneln gebaut. Im Zuge dieser Bauarbeiten werden Querschläge zu den bereits seit 30 bis 40 Jahren in Betrieb befindlichen Röhren hergestellt. Dies ermöglichte, Proben der Stützmittel zu entnehmen und zu untersuchen. Unter anderem wurden Proben des Spritzbetons, der Betoninnenschale und der Felsbolzen aus 10 Tunnels untersucht. Die Versuchsergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Ergebnisse der bisher untersuchten Betonproben von Aussen- und Innenschalen aus den unterschiedlichen Tunnelbauwerken zeigen keine Verschlechterung der Betoneigenschaften. Es konnten bei den untersuchten Proben nach zirka 30 Jahren unter Belastung keine geringeren Festigkeiten festgestellt werden. Ganz im Gegenteil wurden vereinzelt erhöhte Festigkeiten gemessen, was auf eine Nachhydratisierung schliessen lässt. Die Analyse der vermörtelten Felsbolzen zeigt an den Oberflächen der Anker lokal deutliche korrosive Angriffe, aufgrund der beobachteten Festigkeiten und Härtewerte sowie der Gefügeuntersuchungen ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Proben von den äusseren korrosiven Angriffen signifikant beeinträchtigt wurden.

Bei den untersuchten Spritzbetonproben ergab sich eine durchschnittliche einachsiale Druckfestigkeit von rund 54 MPa, bei den Innenschalenbetonproben eine einachsiale Druckfestigkeit von durchschnittlich rund 38 MPa.

Aus den Untersuchungen lässt sich ableiten, dass Beton mit zunehmendem Alter in der Regel an Festigkeit zunimmt. Keine der Proben zeigte eine niedrigere Festigkeit, als beim Bau spezifiziert worden war. Dies ist in den folgenden beispielhaften Illustrationen dargestellt (Figur 103-13, Figur 103-14, Figur 103-15, Figur 103-16, Figur 103-17, Figur 103-18 und Figur 103-19).

Figur 103-13: Foto von Spritzbetonprobe LST_T1_EQ01_02
Figur 103-13: Foto von Spritzbetonprobe LST_T1_EQ01_02
Figur 103-14: Spannungs-Dehnungsdiagramm für Spritzbetonprobe LST_T1_EQ01_02
Figur 103-14: Spannungs-Dehnungsdiagramm für Spritzbetonprobe LST_T1_EQ01_02
Figur 103-15: Bild von Innenschalenbetonprobe EQ 01/15
Figur 103-15: Bild von Innenschalenbetonprobe EQ 01/15
Figur 103-16: Spannungs-Dehnungsdiagramm für Probe EQ 01/15
Figur 103-16: Spannungs-Dehnungsdiagramm für Probe EQ 01/15
Figur 103-17: Typischer Zustand eines vermörtelten Felsbolzens
Figur 103-17: Typischer Zustand eines vermörtelten Felsbolzens

 

Figur 103-18: Typischer Zustand eines vermörtelten Felsbolzens
Figur 103-18: Typischer Zustand eines vermörtelten Felsbolzens

 

Figur 103-19: Spannungs-Dehnungsdiagramm von Zugversuchen an Felsbolzen
Figur 103-19: Spannungs-Dehnungsdiagramm von Zugversuchen an Felsbolzen

 Referenzen

[1] http://www.energienucleaire.ch/de/home.html

[2] http://www.energienucleaire.ch/de/atomkraftwerke.html

[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Heizwert

[4] nach Schön (1983), Petrophysik, Akademie-Verlag, Berlin

[5] http://www.vgka.ch/index.php?id=34#c57