Jahresbericht 1998 – HSK-AN-3535 – KSA-AN-2062

Die nukleare Sicherheit wird in Zukunft weltweit mit grossen und teilweise neuen Herausforderungen konfrontiert. Verschiedene Ursachen tragen dazu bei:

  • Die KKW werden älter und man spricht davon, ihre Lebensdauer noch zu verlängern. Das stellt höhere Anforderungen an die Instandhaltung und Alterungsüberwachung.
  • Die Öffnung des Elektrizitätsmarktes schafft einen enormen Spardruck, der die Sicherheit nicht beeinträchtigen darf.
  • Die Gründergeneration der Kernenergie wird pensioniert, was zu einem Know-how-Verlust führen kann. Ein Stück Gedankengut über die Zusammenhänge im Bereich der nuklearen Sicherheit droht verloren zu gehen.
  • Es gibt in der westlichen Welt im Bereich Kernenergie kaum neue Grossprojekte, was bei Universitäten, Forschungsinstituten und Ingenieurbüros zu Desinteresse führt. Die kollektive Fachkunde schrumpft; die Rekrutierung des Nachwuchses wird schwieriger.
  • Die fest verdrahtete Leittechnik wird in naher Zukunft ausgedient haben. Schon heute sind bestimmte Ersatzteile nicht mehr ohne weiteres verfügbar. Der Sprung zur digitalen Leittechnik ist unvermeidbar. Wegen der Möglichkeit versteckter Fehler in der Software und wegen der Konzentration vieler Funktionen auf den Computern können neuartige Störfallabläufe entstehen.

Die HSK begegnet diesen Herausforderungen mit Engagement und Elan und bemüht sich an allen Fronten, um auch in Zukunft ihre Aufgabe kompetent und fundiert wahrzunehmen. Das äussert sich zum Beispiel in der Festlegung und Präzisierung unserer internen Arbeitsabläufe.

Gerade im Jahr 1998 wurden gewisse dieser Herausforderungen bereits spürbar. Es war für uns auch ein Jahr der Superlative: Am wenigsten klassierte Vorkommnisse in den KKW (nur 5), am wenigsten Kollektivdosis des gesamten KKW-Personals (nur 3,74Personen-Sv),die intensivste Aufsicht durch die HSK (519 Fachinspektionen), aber eine tiefe Erschütterung, die sich zur öffentlichen Vertrauenskrise entwickelte:
Die Tatsache, dass beim Transport abgebrannter Brennelemente relativ oft Kontaminationsflecken auf den Behältern oder am Eisenbahn-Waggon vorkamen, und dass diese unsaubere Praxis weder gemeldet noch beanstandet wurde, entwickelte sich zu einem monatelangen medienrelevanten Thema. Die Bewilligungen für Transporte wurden in der Schweiz sistiert und die ganze Angelegenheit gründlich untersucht.

Die HSK benützte die daraus entstandene Dynamik, um sich selber, ihre Arbeitsmethoden und ihre Prioritäten zu hinterfragen. Sie liess sich von einem International Regulatory Review Team (IRRT), bestehend aus einer elfköpfigen Gruppe anerkannter Experten aus sieben Ländern, auditieren. Nachträglich kann das Ganze als eine schmerzhafte, aber sehr lehrreiche und stimulierende Standortneubestimmung betrachtet werden. Das IRRT lehrte uns insbesondere, dass die Aufsicht nicht eine schlichte Fortsetzung der Begutachtung sein darf. Während bei der Begutachtung die Technik (Anlagen, Systeme, Komponenten) im Zentrum steht, werden bei der Aufsicht organisatorische Aspekte (Betreiber und Arbeitsabläufe) immer wichtiger.

1998 war auch das Jahr, in welchem jedes Land, das die Convention on Nuclear Safety ratifiziert hatte, seine erste Selbstbeurteilung in Form eines Berichtes abliefern musste. Die Schweiz erfüllt die Anforderungen dieser Convention. Zwei dieser Anforderungen gaben jedoch zu einigen Diskussionen Anlass, weil sie bislang nicht problemlos zu erfüllen waren:

  • Qualitätssicherung bzw. Qualitätsmanagement sind in den Schweizer KKW und bei der HSK selbst noch nicht auf dem Stand, den man sich idealerweise wünschen würde.
  • Die Unabhängigkeit der HSK als nukleare Sicherheitsbehörde ist noch nicht genügend gesetzlich verankert. Mit der Absicht des Bundesrates, eine unabhängige Nationale Sicherheitsagentur («NASA») zu schaffen, dürfte diese Unvollkommenheit bald behoben werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass gewisse Herausforderungen, die zuerst bloss angekündigt waren, sich im Laufe des Jahres 1998 erstaunlich rasch konkretisiert haben und unsere Vitalität und Reaktionsfähigkeit auf den Prüfstand gestellt haben. Wir wurden erschüttert, haben uns aber wieder gefasst und reagierten energisch. Die eingeleitete Effizienzsteigerung ist noch im Gang.

Jahresbericht 1998 (PDF, 1.1 MB)