Sicherheitstechnische Stellungnahme der HSK zur Periodischen Sicherheitsüberprüfung des Kernkraftwerks Mühleberg abgeschlossen

Die HSK (Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen) kam bei der Beurteilung der Periodischen Sicherheitsüberprüfung des Kernkraftwerks Mühleberg zum Schluss, dass im Kernkraftwerk Mühleberg ein hohes Mass an technischer und organisatorischer Sicherheitsvorsorge getroffen ist, dass die Anlage während der vergangenen zehn Jahre zuverlässig betrieben wurde und die Voraussetzungen für einen sicheren Weiterbetrieb erfüllt sind.

Die Betreiber der schweizerischen Kernkraftwerke sind verpflichtet, ihre Anlagen periodisch zu überprüfen. Eine solche, alle zehn Jahre durchzuführende Periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) stellt eine Ergänzung zur ständigen Aufsichtstätigkeit der HSK dar. Schwerpunktsmässig werden dabei Vergleiche mit dem fortschreitenden Stand von Wissenschaft und Technik und der Erfahrung angestellt, eine systematische Beurteilung des Anlagenzustandes, des Betriebes und der Organisation vorgenommen und die Ergebnisse der aufdatierten deterministischen Sicherheitsstatusanalyse und probabilistischen Sicherheitsanalyse berücksichtigt.

In der Verfügung des Bundesrates vom 28. Oktober 1998 zum Gesuch der BKW um Aufhebung der Befristung der Betriebsbewilligung wurde die BKW verpflichtet, bis zum Jahre 2001 eine Periodische Sicherheitsüberprüfung durchzuführen und umfassend zu dokumentieren. Die HSK hat die eingereichten Dokumente geprüft und beurteilt. Die Ergebnisse dieser Prüfung sind in der nun vorliegenden sicherheitstechnischen Stellungnahme dokumentiert. Die vollständige Stellungnahme ist unter http://www.hsk.psi.ch einsehbar.

Die Organisation und das Qualitätsmanagement des KKM bilden einen geeigneten Rahmen für den sicheren Betrieb der Anlage. Keine Brennstoffschäden, eine hohe Arbeitsausnutzung und Zeitverfügbarkeit sowie eine geringe Anzahl störungsbedingter Abstellungen sind klare Hinweise auf eine gute Anlage und eine gute Betriebsführung. Der Betreiber hat in den letzten zehn Jahren aufgrund weltweiter Erfahrungen und aus eigener Initiative eine Reihe von Nachrüstungen und Verbesserungen durchgeführt, die die Anlagensicherheit weiter sicherstellen und verbessern. Zu erwähnen sind hier die Einführung und Umsetzung des Alterungsüberwachungsprogramms, die Vergrösserung der Saugsiebe in den Ansaugleitungen der Notkühlsysteme sowie die komplette Erneuerung der Reaktorschutz- und Neutronenflussmesssysteme. Die regelmässigen Funktions- und Wiederholungsprüfungen bestätigten den guten Zustand der Anlage. Die Gebäude, Systeme und Komponenten des KKM befinden sich in einem sehr guten Zustand.

Die Betriebsführung, die Organisation und Dokumentation wurden im November 2000 durch ein internationales Expertenteam unter Leitung der Internationalen Atomenergie Agentur (IAEA) im Rahmen einer sogenannten OSART-Mission (Operational Safety Review Team) eingehend überprüft. Die Experten (mit langjähriger nuklearer Betriebserfahrung) wiesen in ihrem Abschlussbericht besonders auf den hervorragenden Materialzustand der Anlage, die durchgeführten Nachrüstungen zur Verbesserung der Sicherheit und die ausgezeichnete Teamarbeit des KKM-Personals hin. Es wurden auch Empfehlungen zur Verbesserung der betrieblichen Sicherheit gemacht. Im Juni 2002 überprüfte ein IAEA-Team die Umsetzung ihrer Empfehlungen und weitere Massnahmen in den sicherheitstechnischen Bereichen. Während dieser Überprüfung konnten sich die Experten erneut vom hohen Sicherheitsstand der Anlage überzeugen und feststellen, dass alle ihre Empfehlungen entweder umgesetzt sind oder grosse Fortschritte bei deren Umsetzung erzielt wurden. Der Abschlussbericht der beiden OSART-Überprüfungen vom November 2000 und Juni 2002 ist unter www.hsk.psi.ch einsehbar.

Die anfangs der 90er Jahre entdeckten Risse im Kernmantel als Folge interkristalliner Spannungsrisskorrosion wurden seither jährlich visuell und mittels Ultraschallprüfungen untersucht, um das Verhalten der Risse, ihr Wachstum und ihre Lage genau verfolgen zu können. 1996 wurden vorsorglich spezielle Zuganker eingebaut, die die Funktion des Kernmantels und das sichere Abfahren der Anlage auch bei einem vollständigen Rundumriss sicherstellen würden. Mit der im Jahre 2000 eingeführten Wasserstoff- und Edelmetalleinspeisung ins Speisewasser soll das Risswachstum zudem begrenzt werden. Ähnliche Massnahmen wurden auch in ausländischen Anlagen mit Rissen im Kernmantel eingeführt.

Sowohl im Rahmen der deterministischen wie auch der probabilistischen Vorgaben erbrachte KKM den Nachweis der ausreichenden Sicherheit. Die Störfallanalysen zeigen einen ausreichenden Abstand zu den Sicherheitsgrenzwerten, die Einhaltung der übergeordneten Schutzziele und der Dosisgrenzwerte für die Umgebung der Anlage. Die aus aktuellem Anlass, dem Terroranschlag von New York vom 11. September 2001, von den Betreibern für alle schweizerischen Kernkraftwerke durchgeführten, detaillierten Untersuchungen zum Flugzeugabsturz zeigen, dass Mühleberg dank der ursprünglichen konservativen Auslegung der Baustrukturen und dank der Nachrüstungen (SUSAN-Notstandssystem) über einen angemessenen Schutzgrad gegen einen Flugzeugabsturz verfügt. Die HSK überprüft zurzeit diese Berichte und wird dem Bundesrat im Frühjahr 2003 dazu eine Stellungnahme abgeben. Detaillierte Angaben zu den Methoden und Ergebnissen der Untersuchungen können im Interesse des Sabotageschutzes nicht gemacht werden.

Die Ergebnisse der probabilistischen Sicherheitsanalyse bescheinigen der Anlage ein ausgewogenes Risikoprofil und ein im internationalen Vergleich niedriges Risiko. Die Überprüfung durch die HSK identifizierte ein Verbesserungspotential beim methodischen Vorgehen zur Analyse des Risikos für den Stillstand- und Schwachlastzustand.

Zusammenfassend kommt die HSK zum Schluss, dass im Kernkraftwerk Mühleberg ein hohes Mass an Sicherheitsvorsorge getroffen ist und dass die Voraussetzungen für einen sicheren Weiterbetrieb erfüllt sind. Dessen ungeachtet hat die HSK dem Betreiber als Folge der PSÜ einige Verbesserungsmassnahmen vorgeschlagen. Die Gründe für diese Massnahmen stellen den sicheren Betrieb der Anlage nicht in Frage. Viele Massnahmen betreffen die Vervollständigung von formalen Sicherheitsnachweisen. Erwähnenswert ist die Forderung nach einem langfristigen Programm zur Überwachung der thermischen Versprödung und der Neutronenversprödung des Reaktordruckbehälters. Der Betreiber hat alle vorgeschlagenen Verbesserungsmassnahmen der HSK akzeptiert und bereits angefangen, diese umzusetzen.