Der Betrieb der schweizerischen Kernanlagen war auch im Jahr 2002 sicher

Alle schweizerischen Kernanlagen wurden im Jahr 2002 erneut auf einem hohen Sicherheitsniveau betrieben. Dies ist die wichtigste Folgerung der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) im Rückblick auf das vergangene Jahr. In den Kernkraftwerken und den übrigen Kernanlagen (Zwischenlager, nukleare Forschungseinrichtungen etc.) hat die HSK 10 Vorkommnisse (Vorjahr: 18) gemäss ihren Richtlinien klassiert. Auf der international gebräuchlichen Störfall-Bewertungsskala (INES) wurden alle Vorkommnisse der untersten Stufe (Stufe 0) zugeordnet. Die Sicherheit im Strahlenschutz für Personal und Bevölkerung war überall jederzeit gewährleistet. Die Transporte abgebrannter Brennelemente zur Wiederaufarbeitung in Frankreich und Grossbritannien sowie die Anlieferungen von hochaktiven Abfällen und abgebrannten Brennelementen zum Zentralen Zwischenlager in Würenlingen wurden ordnungsgemäss und frei von Kontaminationen durchgeführt.

Kernkraftwerke (KKW) und Forschungsreaktoren

Die fünf Kernkraftwerke Beznau mit Block 1 und 2, Mühleberg, Gösgen und Leibstadt wiesen im vergangenen Jahr ein sicheres Betriebsverhalten auf. Für die Kernkraftwerke klassierte die HSK nach ihrer Richtlinie 9 (im Vorjahr 16) Vorkommnisse. Auf die einzelnen Kernkraftwerke bezogen sind dies: je ein Vorkommnis pro Block des Kernkraftwerks Beznau, zwei im KKW Mühleberg, keines im KKW Gösgen und fünf im KKW Leibstadt. Hinzu kommt im Paul Scherrer Institut (PSI) ein klassiertes Vorkommnis im Forschungsreaktor Proteus (Vorjahr: zwei), wo ein Experiment zur Bestimmung des Neutronenverhaltens in abgebrannten Reaktorbrennstäben durchgeführt wird. Alle Vorkommnisse wurden auf der internationalen Bewertungsskala INES (INES-Stufen 0 bis 7) der niedrigsten Stufe 0 zugeordnet. Unter den Vorkommnissen befinden sich zwei Reaktorschnellabschaltungen im KKW Leibstadt. (Darüber hat die HSK in ihren Medienmitteilungen vom 23. April und vom 26. Juni 2002 berichtet.) Die Sicherheit der Anlagen sowie der Strahlenschutz der Bevölkerung und des Personals waren durch die Vorkommnisse nicht beeinträchtigt.

Das Kernkraftwerk Leibstadt konnte im Jahr 2002 mit höherer Leistung als im Vorjahr betrieben werden, nachdem es am 21. Dezember 2001 von der HSK die Freigabe für die Leistungserhöhung auf die maximale thermische Leistung von 3600 Megawatt erhalten hatte. Es handelt sich dabei um die vierte und letzte Stufe der vom Bundesrat 1998 bewilligten, stufenweisen Leistungserhöhung. Nach entsprechenden technischen Anpassungen konnte der Betrieb des KKW Leibstadt mit der maximalen Leistung nach dem Jahresstillstand 2002 aufgenommen werden.

Die Betreiber der schweizerischen Kernkraftwerke sind verpflichtet, ihre Anlagen periodisch einer sicherheitstechnischen Überprüfung zu unterziehen. Diese alle zehn Jahre durchzuführenden Überprüfungen stellen eine Ergänzung zur ständigen Aufsicht durch die HSK dar. Im Dezember 2002 veröffentlichte die HSK ihre Stellungnahme zur Periodischen Sicherheitsüberprüfung des Kernkraftwerks Mühleberg. Darin attestiert sie dem Werk ein hohes Mass an technischer und organisatorischer Sicherheitsvorsorge, und dass die Voraussetzungen für einen sicheren Weiterbetrieb erfüllt sind. (In ihrer Medienmitteilung vom 18. Dezember 2002 hat die HSK ausführlich darüber berichtet.)

Die jährlichen Abgaben von radioaktiven Stoffen an die Umwelt durch Abwasser und Abluft der Kernkraftwerke, des Zentralen Zwischenlagers und des PSI lagen weit unterhalb der in den Bewilligungen festgelegten Limiten. Sie ergaben – auch für Personen, welche in direkter Nachbarschaft der Anlage leben – eine maximale, berechnete Dosis von weniger als 1 % der natürlichen jährlichen Strahlenexposition.

Transporte abgebrannter Brennelemente

Im Jahr 2002 fanden ab den schweizerischen Kernkraftwerken zehn Transporte abgebrannter Brennelemente statt, zwei zur Wiederaufarbeitungsanlage der COGEMA in Frankreich, drei zu BNFL in England und fünf zum Zentralen Zwischenlager der ZWILAG im aargauischen Würenlingen. Ferner erfolgten zwei Rückführungen von verglasten, hochaktiven Abfällen (Glaskokillen) aus Frankreich zur ZWILAG.

Im November veröffentlichte die HSK ihre Bilanz über die Transporte. Darin nimmt sie Stellung zu den 37 Transporten mit abgebrannten Brennelementen und zu den drei Transporten mit Glaskokillen, die zwischen August 1999 und Oktober 2002 durchgeführt wurden. Alle diese Transporte erfolgten ohne Überschreitung der gefahrgutrechtlichen Grenzwerte. Die HSK legte in ihrem Bilanz-Bericht auch die Bedingungen für die Abwicklung der zukünftigen Transporte fest. Die geforderten technischen und organisatorischen Massnahmen tragen nachhaltig zur sicheren und kontaminationsfreien Durchführung solcher Transporte bei und werden deshalb weitergeführt. (Dazu veröffentlichte die HSK am 29. November 2002 eine Medienmitteilung.)

Zentrales Zwischenlager

Mit den Anlieferungen im Jahr 2002 stehen im Zentralen Zwischenlager der ZWILAG in Würenlingen nun zehn Transport- und Lagerbehälter; sieben davon sind mit abgebrannten Brennelementen und drei mit Glaskokillen gefüllt. Im September 2002 fand in der Verbrennungs- und Schmelzanlage der ZWILAG ein Probebetrieb mit inaktivem Material statt. Die Betriebsbereitschaft dieser Anlage konnte dabei weitgehend demonstriert werden. Die erste Versuchskampagne des Ofens mit aktiven Stoffen ist für das Frühjahr 2003 geplant.

Entsorgung radioaktiver Abfälle

Die Erteilung der kantonalen bergrechtlichen Konzession für den am Wellenberg geplanten Sondierstollen wurde an der Volksabstimmung vom 22. September 2002 im Kanton Nidwalden abgelehnt. Daraufhin hat die Genossenschaft für Nukleare Entsorgung Wellenberg (GNW) die Projektarbeiten hinsichtlich eines geologischen Tiefenlagers am Standort Wellenberg eingestellt.

Am 20. Dezember 2002 hat die Nagra den Entsorgungsnachweis für hochaktive (HAA) und langlebige mittelaktive Abfälle (LMA) eingereicht. Dieses Projekt, das sich auf ein Modelllager im Opalinuston des Zürcher Weinlands bezieht, soll zeigen, dass die dauernde, sichere Entsorgung und Endlagerung dieser Kategorie von Abfällen in der Schweiz möglich ist. Es obliegt nun den Sicherheitsbehörden des Bundes, insbesondere der HSK, dieses umfangreiche Projekt zu prüfen und zu beurteilen. Die vom deutschen „Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ („AkEnd“) erstellte Stellungnahme zum Auswahlverfahren Opalinuston im Zürcher Weinland soll vom Auftraggeber, dem deutschen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), anfangs 2003 veröffentlicht werden. Die Deutsch-Schweizerische Kommission für die Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen (DSK) hat auf eine Stellungnahme zu diesem Auswahlverfahren verzichtet. (Darüber hat die HSK in ihrer Medienmitteilung vom 30. Oktober 2002 berichtet.)

In ihrem Jahresbericht 2002, der im April 2003 erscheinen soll, wird die HSK umfassend und ausführlich Stellung zu den erwähnten und zu weiteren Themen nehmen.