Unfall in japanischem Kernkraftwerk (Stand 15.3.2011 14:00)

In Folge des Erdbebens und Tsunami vom letzten Freitag kam es im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi zu einem schweren Unfall mit Freisetzung grösserer Mengen von Radioaktivität. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI ist seit Freitag mit seiner Notfallorganisation im Einsatz und analysiert die Lage laufend. Für die Schweizer Bevölkerung besteht keine Gefahr.

Vom Erdbeben im Nordosten Japans sind drei Kernkraftwerks-Standorte mit insgesamt 13 Reaktorblöcken ernsthaft betroffen: Fukushima-Daiichi, Fukushima-Daini und Onagawa. Alle Reaktoren wurden aufgrund des Erdbebens automatisch abgeschaltet oder sie befanden sich bereits vorher in der Revisionsabstellung. Die grössten Schäden entstanden in Fukushima-Daiichi. Die Angaben über die Situation sind immer noch lückenhaft und teilweise widersprüchlich. Das ENSI stützt sich auf seine internationalen Informationskanäle sowie Angaben der japanischen Betreiber und Sicherheitsbehörden.

Fukushima-Daiichi

Die Situation in dem vom Erdbeben und Tsunami am schwersten betroffenen japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi hat sich weiter verschärft. In den Blöcken 1 bis 3 des Kernkraftwerks muss von einem Kernschaden ausgegangen werden. Nachdem die Kühlung in den drei Blöcken nur noch teilweise durch Einspeisung von Meerwasser mittels mobiler Pumpen aufrecht erhalten werden konnte und es in den Blöcken 1 und 3 zu einer Wasserstoffexplosion mit Schädigung der Reaktorgebäude gekommen ist, hat es auch im Block 2 eine Explosion gegeben. Das ENSI geht davon aus, dass in Block 2 das Containment, d.h. der Sicherheitsbehälter aus Stahl um den Reaktordruckbehälter, beschädigt ist. Damit ist eine Sicherheitsbarriere gegen den Austritt von Radioaktivität nicht mehr intakt.

Im Weiteren hat es einen Brand im Lagerbecken für abgebrannte Brennelemente des Blocks 4 von Fukushima-Daiichi gegeben. Dieser soll mittlerweile wieder gelöscht worden sein, das Dach von Block 4 ist aber beschädigt

Fukushima-Daini und Onagawa

Die Anlagen sind gemäss dem ENSI vorliegenden Informationen unter Kontrolle.

Radioaktivität in der Anlagenumgebung von Fukushima-Daiichi

Die Explosion im Block 2 vom Dienstagmorgen früh (Lokalzeit) hat nach den vorliegenden Informationen die Druckabbaukammer beschädigt, das heisst die Integrität des Containments ist verletzt. Dadurch sind neben Edelgasen sehr wahrscheinlich auch Iod-Isotope und in geringerem Masse Aerosole freigesetzt worden.

Der Brand von letzter Nacht im Block 4 wurde nach Einschätzung des ENSI durch das Austrocknen und Erhitzen der beim Revisionsstillstand ausgeladenen Brennelemente ausgelöst. Es wird angenommen, dass flüchtige Spaltprodukte – das sind Edelgase, Iod-Isotope und Aerosole – zusammen mit den Brandgasen in Bodennähe freigesetzt wurden. Die Strahlenbelastung am Standort der Anlagen hat sich drastisch erhöht. Sie erreichte am Vormittag Werte bis 12 Millisievert pro Stunde und sinkt nun wieder auf Werte unter 0,3 mSv pro Stunde. Auf dem Betriebsareal werden nahe bei den Reaktoren punktuell bis zu 100 Millisievert pro Stunde gemessen, was auf eine schwerwiegende Kontamination des Areals schliessen lässt. Der weitere Personaleinsatz wird dadurch erschwert, und Berichten zufolge wurden Einsatzkräfte vor Ort abgezogen bis auf ein Team von 50 Personen. Kontaminationen und deren Verschleppungen sind nicht mehr auszuschliessen. Allfällig für die Bekämpfung des Brandes im Brennelement-Lagerbecken eingesetztes Personal dürfte einer erheblichen Belastung durch Direktstrahlung und Streustrahlung ausgesetzt worden sein, da die hoch radioaktiven Brennelemente nicht mehr mit Wasser abgeschirmt sind.

Die Anordnung der japanischen Behörden, dass in einem Umkreis von 30 km alle Personen in den Häusern bleiben sollen, beurteilt das ENSI als angemessen.

Die Wetterlage für Dienstagmorgen (MEZ) zeigte bodennahen Schwachwind aus Nordost und Ost. Momentan dreht der Wind auf Süd, Niederschläge sind möglich. Am Dienstagnachmittag stellt sich ein Südwestwind ein, der luftgetragene Schadstoffe wieder aufs Meer hinaus treibt. Die Höhenströmung kommt vorwiegend aus Südwest.

Abschätzungen des ENSI

Die in Japan freigesetzte Radioaktivität stellt keine Gefahr für die Schweizer Bevölkerung dar. Das Schweizerische Hilfskorps im rund 80 km von Fukushima-Daiichi entfernten Tobe wird witterungsbedingt voraussichtlich nur geringfügig von den Radioaktivitätsfreisetzungen betroffen sein. Gemäss japanischen Behörden besteht aktuell keine Gefahr für die Bevölkerung Tokios. Das ENSI erachtet diese Einschätzung als plausibel.

Konkrete Rückschlüsse auf den Betrieb der schweizerischen Kernkraftwerke lassen sich aus dem Unfall im Moment nicht ziehen. Das ENSI wird jedoch den Ursachen auf den Grund gehen und Lehren daraus ziehen. Alle schweizerischen Kernkraftwerke sind jetzt gesetzlich verpflichtet, ihre Auslegung zu überprüfen. Weil in der Schweiz schwere Erdbeben sehr viel seltener sind als in Japan – ein Erdbeben der Magnitude 9, wie es am Freitag Japan traf, und ein Hochwasser vom Ausmass des darauf folgenden Tsunamis kann für die Schweiz praktisch ausgeschlossen werden – besteht kein Anlass zur Annahme einer akuten Gefährdung. Da alle schweizerischen Kernkraftwerke über autarke, gebunkerte Notstandssysteme verfügen, weisen sie weltweit gesehen einen sehr hohen Schutzgrad gegen externe Ereignisse wie Erdbeben und Überflutung auf.