Zwischenberichte zum EU-Stresstest eingereicht
Bis zum 15. August 2011 mussten die Betreiber der schweizerischen Kernkraftwerke dem ENSI einen Zwischenbericht zum EU-Stresstest vorlegen. Sämtliche Betreiber haben diesen Bericht fristgerecht eingereicht. Im Bericht mussten die Betreiber darlegen, mit welcher Methodik sie die vom Stresstest vorgegebenen Szenarien bewerten wollen. Die fertigen Berichte zum EU-Stresstest erwartet das ENSI bis Ende Oktober 2011.
Der Unfall vom 11. März 2011 im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi veränderte international den Blick auf Kernkraftwerke und deren Sicherheit.
In der Schweiz wurden die Ereignisse in Japan vom ENSI beobachtet und unverzüglich ausgewertet. Bereits am 18. März 2011 ordnete das ENSI eine erste Verfügung für die Schweizer Kernkraftwerke an.
In der Europäischen Union (EU) beschloss der Europäische Rat am 25. März 2011, dass die Sicherheit der Kernkraftwerke in der EU – und möglichst auch der an die EU angrenzenden Kernkraftwerke (siehe Abbildung) – aufgrund der Erkenntnisse aus Japan neu zu überprüfen sei. Möglichst schnell sollte eine Risiko- und Sicherheitsbewertung der Kernkraftwerke erfolgen.
Umfang und Vorgehensweise dieses sogenannten „EU-Stresstests“ wurden von der Europäischen Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit (ENSREG) vorgeschlagen und von der Europäischen Kommission am 25. Mai 2011 verabschiedet. Der Test sollte spätestens am 1. Juni 2011 beginnen – mangels rechtlicher Grundlage zwar nur auf freiwilliger Basis, doch alle europäischen Länder, die Kernkraftwerke besitzen, erklärten sich zur Teilnahme bereit.
Auch die Schweiz wurde von der EU eingeladen, sich dem Test anzuschliessen. Das ENSI nahm die Einladung gerne an, ergänzte der EU-Stresstest doch die vom ENSI bereits verfügten Überprüfungen.
Am 1. Juni 2011 forderte das ENSI deshalb sämtliche Schweizer Kernkraftwerke per Verfügung auf, ihre Sicherheitsreserven entsprechend dem EU-Stresstest neu zu bewerten. Dies war bereits die vierte Verfügung, die in Zusammenhang mit dem Unfall in Japan vom ENSI angeordnet worden ist.
Die Folgen von Naturereignissen werden geprüft
Ziel des EU-Stresstestes ist zu prüfen, ob es auch in einem europäischen Kernkraftwerk zu einem vergleichbaren Ereignisablauf wie in Japan kommen könnte. Laut Spezifikationen des EU-Stresstests wird Folgendes analysiert:
- Ausgehend von den Erkenntnissen aus Fukushima konzentriert sich der Test auf die Auswirkungen, die extreme Erdbeben und Überflutungen auf die Sicherheit eines Kernkraftwerks haben können. Der Test soll zeigen, welche Sicherheitsreserven die Kernkraftwerke über ihre Auslegung hinaus haben, um solchen extremen Naturereignissen widerstehen zu können.
- Weiter wird unabhängig vom auslösenden Ereignis bewertet, welche Folgen ein weitreichender und lang anhaltender Stromausfall, ein Verlust der Kühlwasserversorgung oder beide Ausfälle zugleich nach sich ziehen.
- Ebenso ist die Wirksamkeit der Notfallschutzmassnahmen zu bewerten, wenn es zu einem mehrfachen Ausfall von Sicherheitsfunktionen und Rückhaltebarrieren für radioaktive Stoffe kommt. Erschwerende Randbedingungen für die Durchführung der Notfallschutzmassnahmen, wie etwa die Zerstörung der Infrastruktur um das Kernkraftwerk, müssen in Betracht gezogen werden.
In einer zweiten Phase sollen auch Auswirkungen von terroristischen Angriffen oder böswilligen Handlungen betrachtet werden. Das Mandat und die Vorgehensweise hierzu sind aber noch durch den Europäischen Rat festzulegen.
Es bleibt in der Zuständigkeit der jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden zu entscheiden, welche Konsequenzen das Testergebnis für ein Kernkraftwerk hat.
In drei Schritten zum Testergebnis
Der EU-Stresstest läuft in allen teilnehmenden Ländern seit dem 1. Juni 2011 und wird in drei Schritten nach einem vorgegebenen Zeitplan durchgeführt:
- Im ersten Schritt nehmen die Kernkraftwerksbetreiber eine Bewertung ihrer Anlage anhand der Spezifikationen des EU-Stresstests (siehe oben) vor. Bis zum 15. August 2011 müssen die Betreiber den Zwischenstand dieser Bewertung den nationalen Aufsichtsbehörden vorlegen. Darin soll im Wesentlichen die Methodik dargelegt werden, die bei der Bewertung der Szenarien angewandt wird. Bis spätestens 31. Oktober 2011 werden die Endberichte der Betreiber bei den Behörden erwartet.
- Im zweiten Schritt verfassen die nationalen Aufsichtsbehörden einen Länderbericht über die Bewertungen der Kernkraftwerke, die in ihrem Aufsichtsbereich liegen. Darin werden die Angaben der Kernkraftwerksbetreiber dargelegt und überprüft. Eine erste Stellungnahme der Behörden hat am 15. September 2011 zu erfolgen. Die fertigen Länderberichte sind spätestens am 31. Dezember 2011 der Europäischen Kommission vorzulegen.
- Im dritten und abschliessenden Schritt werden Expertenüberprüfungen, sogenannte „Peer Reviews“ durchgeführt. Eine Gruppe mit unabhängigen Experten aus verschiedenen Ländern wird die Länderberichte prüfen. Die Zusammensetzung der Gruppen sowie die genauen Schritte der Expertenüberprüfungen werden zurzeit noch festgelegt.
Das Gesamtergebnis des Tests soll im Juni 2012 in einer Sitzung des Europäischen Rats behandelt werden. Alle Ergebnisse und Berichte der Überprüfung – mit Ausnahme der Sicherungsaspekte, die durch böswillige Handlungen die Sicherheit des Kernkraftwerkes gefährden könnten – werden veröffentlicht.
Hohe Anforderungen in der Schweiz
Der EU-Stresstest wird unabhängig von den jeweiligen nationalen Aufsichtsverfahren der Länder durchgeführt. In der Schweiz finden die im Test vorgesehenen Prüfungen parallel zu den bereits laufenden Überprüfungen statt.
Das ENSI hat in seinen Verfügungen nach Fukushima die Überprüfung von Szenarien hinsichtlich Erdbeben, Hochwasser und der Kombination von Erdbeben und Hochwasser anhand der aktuellen Datenbasis angeordnet. Die geforderten Nachweise gehen hier über die Anforderungen des EU-Stresstests hinaus.