Wissensmanagement ist das Kerngeschäft des ENSI
Unmittelbar nach dem verhängnisvollen Kernkraftwerksunfall im japanischen Fukushima vom 11. März dieses Jahres hat das ENSI intern eine Expertengruppe eingesetzt. Es handelt sich um ein interdisziplinäres Team aus Ingenieuren, Geo- und Nuklearphysikern sowie Psychologen.
Das Japan-Team, wie wir die Expertengruppe intern nennen, hat die Aufgabe, alle zugänglichen Daten und Informationen aus Japan und der übrigen Welt zur Katastrophe in Fukushima zu sammeln, zu analysieren, zu interpretieren und mit vorhandenem Wissen abzugleichen – immer mit dem Ziel, für die Schweiz neue Erkenntnisse über sicherheitsrelevante Faktoren zu gewinnen.
Wo das Japan-Team während der bisherigen Analyse der Daten sofortigen Handlungsbedarf für die Schweiz erkannt hat, wurden die entsprechenden Verfügungen, wie beispielsweise zum Hochwasserschutz, bereits erlassen.
Aufgrund der Verfügung des ENSI vom 1. April hat die Betreiberin des Kernkraftwerkes Mühleberg einen gravierenden Mangel an der Wasserfassung für das Notkühlsystem festgestellt und das Kraftwerk Ende Juni früher als ursprünglich geplant für die Jahresrevision vom Netz genommen.
In der Zwischenzeit sind laufend neue Informationen aus Japan und von anderen internationalen Organisationen gesammelt und vom Japan-Team ausgewertet worden. Die Summe der neuen Erkenntnisse aus dem aktualisierten Wissen wird zurzeit zu sogenannten „Lessons Learned“ aufbereitet. Diese bilden die Grundlagen für noch detailliertere und weiterführende Sicherheitsüberlegungen und eventuell neue Verfügungen für die schweizerischen Kernanlagen.
Darüber hinaus hat die Arbeit der ENSI-Wissenschafter auch internationale Bedeutung, werden doch unsere Berichte den weltweiten Stellen, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, zur Verfügung gestellt.
Dabei kann in Klammer angemerkt werden, dass die Schweiz, was die Sicherheitsstandards ihrer Kernkraftwerke anbelangt, international einen sehr guten Ruf geniesst.
Der Eindruck, der in jüngster Zeit immer mal wieder vermittelt wird, das ENSI sei erst wegen Fukushima überhaupt aktiv geworden, ja sei erst im März richtig aufgewacht, ist unsinnig.
Wissensmanagement ist das Kerngeschäft des ENSI. Ein Prozess der Vorkommnisbearbeitung, in dem Erfahrungen aus internationalen Ereignissen gesammelt, analysiert und bewertet werden, gibt es im ENSi schon seit jeher.
Es gehört zu unseren zentralen Aufgaben, tagtäglich und weltweit Daten und Informationen zu allen Vorkommnissen in Kernanlagen, über neue gesetzliche Vorschriften und Verordnungen, zu Ergebnissen einschlägiger Forschungsarbeiten, wissenschaftliche Publikationen und so weiter und so fort zu sammeln und auszuwerten.
Das ENSI verarbeitet jährlich Tausende solcher Daten und Informationen aus der Schweiz und der ganzen Welt. Sie fliessen in eine „Wissensdatenbank“ein, die den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des ENSI dazu dient, die Datenflut zu bewältigen, Berichte anderer Organisationen einzuordnen und Eingaben der Kernkraftwerksbetreiber zu beurteilen. Sie bildet die Basis für Sicherheitsanalysen, Verfügungen und für geänderte oder neue Richtlinien für die Kernkraftwerke der Schweiz.
Es handelt sich demnach um einen permanenten, nie endenden Prozess, in dem der Wissensspeicher immer weiter gefüllt wird.
Auch wenn Ereignisse wie Fukushima in der weltweiten Ereignisskala als heftige seismische Ausschläge aufgezeichnet werden und die veröffentlichte Meinung Sofort-Massnahmen fordert, sind wir bei der Qualität der Ergebnisse unserer Arbeit nicht kompromissbereit. Unser Japan-Team arbeitet unabhängig vom Druck der Öffentlichkeit akribisch an der Auswertung der Informationen.
Die Berichte des ENSI zu besonderen Ereignissen sind gesichertes Grundlagenmaterial. Deshalb räumen wir uns die nötige Zeit ein für das Verfassen der Berichte und für das Einholen von Zweitmeinungen zu den erarbeiteten Erkenntnissen durch weitere interne und externe Fachleute.
Unser Bericht zu Fukushima, mit dessen Veröffentlichung wir heute beginnen, hat diese Sorgfaltsstufen durchlaufen und ist auch von Experten in Deutschland und den USA geprüft worden. Die „Chronologie der Ereignisse“ ist der erste Teil einer Dreierserie, die wir veröffentlichen werden.
Nächste Woche folgt Teil 2 zu den menschlichen und organisatorischen Aspekten des Kernkraftwerkunfalls in Fukushima und in der zweiten Septemberhälfte werden wir dann über die Schlussfolgerungen („Lessons Learned“) berichten, die das ENSI aus der Analyse der bis heute vorliegenden Informationen zieht, und über allfällige Massnahmen, die wir ergreifen respektive verfügen werden.