„Wann werden die AKWs stillgelegt?“

„Jetzt kommt es auf das ENSI an.“ Diese Aussage hören wir immer wieder, seit Bundesrat und Parlament entschieden haben, die Schweiz werde geordnet aus der Atomenergie aussteigen.

Für diejenigen, die schon immer kritisch gegenüber der Nuklearenergie waren, heisst das: „Jetzt muss das ENSI die Kernkraftwerke subito abstellen, weil ein Weiterbetrieb nicht zu verantworten ist.“ Für diejenigen, die bisher die Kernenergie befürwortet haben, heisst es ebenso selbstverständlich: „Jetzt muss das ENSI dafür sorgen, dass die Kraftwerke solange wie möglich am Netz bleiben, damit die Versorgungssicherheit gewährleistet ist.“

Diese Forderungen zielen an der Aufgabenstellung des ENSI vorbei. Sie sind Ausdruck einer falschen Erwartungshaltung an das ENSI.

Es ist nicht das ENSI, das die Energiepolitik in diesem Land bestimmt. Es ist auch nicht am ENSI zu bestimmen, wann in der Schweiz die Kernkraftwerke endgültig stillgelegt werden.

Das Kerngeschäft des ENSI ist die Aufsicht, die Überwachung der Sicherheit der Schweizer Nuklearanlagen. Ebenfalls zu unserem gesetzlichen Auftrag gehört es, dafür zu sorgen, dass die Schweizer Kraftwerksbetreiber die Werke sicher betreiben und aus jedem Ereignis – gross oder klein – die notwendigen Lehren ziehen.

Diese Praxis des ständigen Lernens hat sich in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten bewährt. Die Sicherheit der Schweizer Kraftwerke ist laufend verbessert worden und wir können heute sagen: Unsere KKW sind sicher. Die beiden ältesten Kraftwerke Beznau und Mühleberg sind heute rund 100-mal sicherer als vor 40 Jahren, als sie in Betrieb gegangen sind.

Das folgenschwere Ereignis in Fukushima muss als Chance genutzt werden, die Sicherheit für die Bevölkerung weiter zu verbessern. Genau daran sind wir derzeit. Unsere Erkenntnisse aus Fukushima werden eine ganze Reihe von Massnahmen auslösen. Der entsprechende Aktionsplan wird bis Ende Januar 2012 vorliegen. Mehrere Massnahmen sind bereits umgesetzt oder eingeleitet worden.

Natürlich bleibt es ein Fakt, dass unsere Kraftwerke nicht mehr die jüngsten sind und trotz allen weiteren Nachrüstungen wird der Tag kommen, an dem sie stillgelegt werden.

Der Entscheid für den Zeitpunkt dieser Stilllegung liegt einerseits beim Bund (v.a. UVEK). Er kann die Werke jederzeit vom Netz nehmen, indem er ihnen die Betriebsbewilligung entzieht. Andererseits liegt der Entscheid bei den Betreibern und Besitzern der Kraftwerke (u.a. die Kantone). Denn aus Sicht der Aufsichtsbehörde können die Werke solange Strom produzieren, wie sie technisch sicher sind. Ob das 40, 50 oder gar 60 Jahre sind, hängt nicht zuletzt mit der Bereitschaft der Besitzer zusammen, die Kraftwerke wie bis anhin ständig sicherheitstechnisch weiter nachzurüsten. Aber auch Parlament und Volk können mit den demokratischen Instrumenten Einfluss nehmen.

Eine der zentralen Aufgaben des ENSI ist das ständige Sammeln von Informationen auf der Suche nach Verbesserungsmassnahmen. Dank unserer vielfältigen internationalen Kontakte wissen wir immer, was Stand der Technik im Kernkraftwerksbau ist.

Dank unserem ständigen Kontakt mit den Werken, dank häufigen Inspektionen in den Anlagen, kennen wir die Kraftwerke sehr genau und können deshalb frühzeitig erkennen, wenn der Alterungsprozess zu wirklich sicherheitsrelevanten Problemen führt – eine Überprüfung, die übrigens die Werke laufend auch selber vornehmen und beurteilen. Wir werden die nötigen Verbesserungen wie bis anhin konsequent einfordern und wenn nötig auch veranlassen, dass ein Kraftwerk aus Sicherheitsgründen stillgelegt wird.

 

Hans Wanner
Direktor ENSI