Die Verklausung der Flüsse im Bereich der Kernkraftwerke wird weiter untersucht

Verklausung der Flüsse um KKW wird weiter untersucht
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Gemäss den Angaben der Betreiber im EU-Stresstest verfügen die Schweizer Kernkraftwerke bei der Bewältigung des 10‘000-jährlichen Hochwassers über zusätzliche Sicherheitsmargen. Trotzdem will das ENSI die Thematik der Verklausung weiterverfolgen. Die Kernkraftwerke Gösgen und Mühleberg sind aufgefordert, zusätzliche Informationen über die Verstopfung von Engstellen im Fluss, die ein Hochwasserereignis beeinflussen können, zu liefern.

Brücken, Stauwehre, scharfe Krümmungen und andere Engstellen können bei einem Hochwasserereignis beispielsweise durch Treibgut verstopfen und damit die Überflutungsproblematik verschärfen. Dies bestätigen die Angaben der Betreiber im Rahmen des EU-Stresstests. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI ordnete deshalb weitergehende Untersuchungen an.

Die Gefährdungsannahmen sind in den Rahmenbewilligungsgesuchen für neue Kernkraftwerke 2008 beziehungsweise den vom ENSI geforderten neuen Hochwassernachweisen 2011 neu bestimmt worden. Das 10‘000-jährliche Hochwasser wird auf Basis dieser neuen Gefährdung auslegungsgemäss beherrscht. Über die Auslegungsbasis hinaus sind im Rahmen des EU-Stresstests von den Betreibern noch Sicherheitsmargen ausgewiesen worden. Als offener, weiter zu untersuchender Punkt wurde vom ENSI die vollständige Verklausung wasserbaulicher Einrichtungen identifiziert.

Das Kernkraftwerk Beznau hat bereits die nötigen Informationen eingereicht. Die Kernkraftwerke Gösgen und Mühleberg müssen gemäss einer Verfügung des ENSI vom 10. Januar 2012 bis am 30. September 2012 verklausungsgefährdete Engstellen identifizieren. Diese müssen sie im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Anlagensicherheit bewerten. Das ENSI wird anschliessend die Analysen der Betreiber überprüfen und wo nötig weitere Schritte verfügen. Das Kernkraftwerk Leibstadt ist auf Grund seiner Lage keiner Gefahr durch Hochwasser und Verklausung ausgesetzt und muss deshalb keine zusätzlichen Informationen einreichen.

Dem Wasser genügend Freiraum lassen

„Die Hochwasserereignisse von 1999 und 2005 der Aare in Bern zeigen exemplarisch die Folgen einer Verklausung“, erläutert Ralph Schulz, Leiter des Fachbereichs Sicherheitsanalysen des ENSI. Beide Hochwasser wiesen einen ähnlich hohen Spitzenabfluss auf, „derjenige von 1999 überstieg sogar leicht denjenigen von 2005“, so Schulz weiter. Dennoch habe das Wasser 2005 im Mattequartier aufgrund einer Verklausung der Matteschwelle etwa zwei Meter höher als während des Ereignisses von 1999 gereicht.

Die Verfahren zur konservativen Abschätzung der Verklausungswahrscheinlichkeit orientieren sich meistens am Verhältnis des verfügbaren, durch das Hindernis eingeschränkten Flussquerschnitts zum direkt vor dem Hindernis durchflossenen Flussquerschnitt, und bei Brücken manchmal auch am sogenannten Freibord, dem Abstand zwischen Brückenunterkante und Wasserspiegel beim betrachteten Hochwasserereignis.

Um die Verklausung zu vermeiden, verlangt das Bundesamt für Energie generell, dass der horizontale Freiraum der Öffnungen von Wehren und Entlastungsbauwerken grösserer Flüsse im Unterland weit mehr als zehn Meter betragen soll. Unabhängig davon muss nachgewiesen werden, dass ein 1‘000-jährliches Hochwasser auch dann bewältigt werden kann, wenn das leistungsfähigste der beweglichen Entlastungsorgane, beispielsweise Wehrklappen, ausser Betrieb ist. Diese als „(n-1)-Regel“ bekannte Vorgabe aus dem Regelwerk für Stauanlagen gilt auch für den Sicherheitsnachweis von Kernkraftwerken.

ENSI verlangt Untersuchungen zum „Worst Case“

Die genannten Ansätze liefern Anhaltspunkte, in welchen Situationen eine Teilverklausung oder vollständige Verklausung nicht ausgeschlossen werden kann. Sie basieren auf Erfahrungen mit Hochwassern, die höchstens einmal pro hundert Jahre vorkommen. Daraus resultieren Unsicherheiten bezüglich der Verklausungswahrscheinlichkeiten bei einem 10‘000-jährlichen Hochwasser, gegen das Schweizer Kernkraftwerke auszulegen sind.

Daher hat das ENSI im Rahmen des EU-Stresstests von den Kernkraftwerken so genannte „Worst-Case-Analysen“, das heisst Analysen für den schlimmsten möglichen Fall, als Sensitivitätsstudien verlangt. Es waren vollständige Verklausungen aller verklausungsgefährdeter Bereiche, deren Verklausung Auswirkungen auf die Hochwassersituation am Standort haben kann, sowohl in Bezug auf den Rückstaueffekt als auch in Bezug auf ein plötzliches Aufbrechen mit resultierender Flutwelle zu betrachten.