1 Jahr Fukushima: Weiterhin grosse Anstrengungen bei Aufräumarbeiten
Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI verfolgt auch ein Jahr nach dem Reaktorunglück die Entwicklungen in Japan. Es stützt sich dabei auf aktuelle, öffentlich zugängliche Berichte.
In den havarierten Blöcken 1 bis 4 des Kernkraftwerkparks in Fukushima Dai-ichi werden die Erkundungsarbeiten sowohl zur Ursachenfindung als auch für die Planung der zukünftigen Abrissarbeiten intensiviert. Dazu werden aufgrund der immer noch sehr hohen Strahlenbelastung überwiegend Roboter eingesetzt, im Einzelfall und mit strikten Strahlenschutzmassnahmen auch Personen. Die Begehung durch Personal im Reaktorgebäude des Blockes 4 führte zur Klärung der Ursache der Wasserstoffexplosion in diesem Reaktorgebäude. Offensichtlich wurde im März 2011 Wasserstoff über die Lüftungskanäle von Block 3 zu Block 4 geleitet, wodurch es in Block 4 zu einem zündfähigen Gasgemisch gekommen war. Erhebliche Schäden an den Brennelementen im Lagerbecken von Block 4 können daher als Ursache für die Wasserstoffexplosion ausgeschlossen werden.
Wie zuvor am unbeschädigten Block 5 geübt, wurde am Block 2 eine Auskundschaftung des Primärcontainments mit Hilfe von Kameras durchgeführt. Auch wenn aus den ersten Bildern noch keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gewonnen werden konnten, zeichnet sich ab, dass bereits in näherer Zukunft neue Informationen über den Zustand in den Anlagen erwartet werden können.
Ab Mitte März 2012 sollen dafür zwei neue Roboter zur Erkundung der radiologischen und räumlichen Situation eingesetzt werden. Im Oktober 2011 war ein Roboter in der Anlage stecken geblieben.
Verbesserungsmassnahmen an den Kernanlagen
Aus der Erkenntnis der freigesetzten Menge an radioaktiven Stoffen und der Wasserstoffexplosionen haben die japanischen Kraftwerksbetreiber beschlossen, in all ihren Kernkraftwerken Systeme zur aktiven gefilterten Druckentlastung – das sogenannte Venting – zu installieren. Weiterhin werden Notstromgeneratoren nachgerüstet und der Schutz gegen Tsunamis verbessert.
Die Verbesserungen gehen mit dem Stresstest für die japanischen KKW einher. Der erfolgreiche Stresstest ist eine Voraussetzung für das Wiederanfahren nach der planmässigen jährlichen Revision. Einige Betreiber haben die Stresstestunterlagen bereits an die Aufsichtsbehörde eingereicht, die Prüfung durch die Behörde ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Da fast alle Kernkraftwerke zur Jahresrevision abschalten mussten und aufgrund des nicht abgeschlossenen Stresstests noch nicht wideranfahren konnten, sind derzeit nur noch zwei Kernkraftwerke in Japan in Betrieb.
Defektes Thermometer täuschte Temperaturanstieg vor
Von Anfang bis Mitte Februar 2012 haben erhöhte Temperaturwerte bei einem der Thermometer im Reaktordruckgefäss von Block 2 für Aufmerksamkeit gesorgt. Die festgelegte Temperatur für den abgeschalteten sicheren Zustand (< 80 Grad Celsius) wurde fast erreicht. Als Ursache für diese Anzeige wurde ein defektes Thermometer identifiziert. Die anderen zwei Thermometer in diesem Bereich hatten unveränderte Werte bzw. sinkende Temperaturen bei der Erhöhung der Wassereinspeisung angezeigt, um der vermuteten Temperaturerhöhung zu begegnen. Da gleichzeitig keine Entstehung von radioaktivem Xenon festgestellt wurde, war eine erneute Kritikalität (Zustand einer sich selbst erhaltenden Kettenreaktion) als Ursache für die Temperaturerhöhung zuvor ausgeschlossen worden. Die Temperaturen in den Reaktordruckgefässen der Reaktoren 1 bis 3 liegen weiterhin stabil zwischen 24 und 51 Grad Celsius, in den Brennelement-Lagerbecken zwischen 13 und 26 Grad Celsius (Reaktoren 1 bis 6). Diese Messwerte zeigen, dass der sicher abgeschaltete Betriebszustand des Kernkraftwerkes Fukushima seit Dezember 2011 gewährleistet ist.
Beton soll Meeresboden versiegeln
Nach dem Unfall wurden im Kernkraftwerk Fukushima die nicht mehr funktionierenden Kühlsysteme ersetzt. Wie TEPCO berichtet, kam es in Einzelfällen zu Defekten an diesen Systemen, wodurch kurzfristig deren Betrieb unterbrochen wurde und kontaminiertes Wasser ausgetreten ist. Dieses konnte jedoch innerhalb des Kernkraftwerkes aufgefangen werden, weshalb es bislang zu keinen neuen Freisetzungen in die Umgebung gekommen ist.
Im Bereich der Kühlwassereinläufe des Kernkraftwerks Fukushima Dai-ichi wurden hohe Konzentrationen an Radionukliden auf dem Meeresboden festgestellt. Um eine Ausbreitung zu verhindern, soll der Meeresboden an dieser Stelle auf einer Fläche von ungefähr 70‘000 Quadratmetern mit einer 60 Zentimeter dicken Schicht aus speziellem Beton fixiert werden. Diese Massnahmen sollen Ende Februar 2012 erprobt werden. Die Umsetzung der Behandlung soll innerhalb von drei bis vier Monaten erfolgen und 50 Jahre wirksam sein.
Gesundheitsministerium kontrolliert Nahrung
Die Prüfungen der Lebensmittel sind sehr umfangreich und werden weiter intensiviert. Als Beispiel sei die Überwachung der Milch genannt. Seit dem Unfall wird die Rohmilch überwacht, bevor sie zur Weiterverarbeitung abtransportiert wird. Ergänzend dazu werden nun auch die Milchprodukte durch die Hersteller an 180 Standorten überwacht. Diese Massnahmen gehen einher mit der Verschärfung der Grenzwerte ab April 2012. Dann wird der Grenzwert für Milch von 200 auf 50 Bq/kg herabgesetzt.
Das Gesundheitsministerium hat die Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung von Ende Januar bis Mitte Februar 2012 veröffentlicht. Von den 14‘344 Proben aus 46 Präfekturen wurden bei 76 Proben Werte oberhalb der Grenzwerte für Cäsium-134 und -137 sowie Jod-131 festgestellt. Damit wurden in über 99 Prozent der Proben keine Radioaktivität oder Werte unterhalb der Grenzwerte gemessen.
Umfangreiche Strahlungsmessungen um Fukushima
An Schulen, in Parks und bei anderen Einrichtungen, wo sich Kinder häufig aufhalten, hat die Regierung Messstellen zur Dosisüberwachung einrichten lassen. 2‘700 dieser Messstellen sind der Öffentlichkeit zugänglich. Die Messwerte werden alle zehn Minuten aktualisiert und ihr zeitlicher Verlauf ist nachvollziehbar.
Die Präfektur Fukushima führt umfangreiche radiologische Überwachungen für die Bevölkerung durch, das heisst für ca. zwei Millionen Einwohner. Dazu zählen Dosisabschätzungen für 10‘000 Personen, die in der Evakuierungszone gelebt haben, medizinische Überwachung der Schilddrüsen von rund 360‘000 Kindern sowie Untersuchungen für bislang 25‘000 Neugeborene.
Erste Einwohner kehren in Evakuierungszone zurück
Die Vorbereitungen für die Rückkehr der Bevölkerung, aber auch öffentlichen Einrichtungen und Arbeitgeber in die Evakuierungszone laufen. Dazu wird durch die Regierung eine detaillierte Planung erstellt. Die Massnahmen umfassen eine detaillierte Erfassung der radiologischen Situation und wenn erforderlich, Dekontaminierungsmassnahmen.
Den Einwohnern des Dorfes Kawauichi in der Evakuierungszone von Fukushima soll bis April 2012 die Rückkehr ermöglicht werden. Seit September 2011 waren Teile des Ortes als radiologisch rein erklärt worden, aber nur 200 der 3‘000 Einwohner sind bislang zurückgekehrt. Gründe für die Verzögerung bei der Rückkehr sind neben fehlenden Arbeitsplätzen Verzögerungen bei der Dekontamination. Im April 2012 sollen auch einzelne Schulen wieder geöffnet werden.
22 Millionen Tonnen Schutt zu entsorgen
Das japanische Umweltministerium hat bekannt gegeben, dass noch 95 Prozent der durch das Erdbeben und den Tsunami verursachten Müll- und Schuttmengen zu entsorgen sind; insgesamt wird mit ca. 22 Millionen Tonnen gerechnet. Bislang sind ungefähr fünf Prozent in Verbrennungsanlagen verbrannt oder direkt deponiert worden. Den ursprünglichen Zeitplan, die Entsorgung bis im März 2014 abzuschliessen, wird man nicht einhalten können. Eine Erschwernis ist die mögliche zusätzliche radioaktive Belastung des Mülls durch den Unfall in Fukushima.
Evakuation von 10‘000 Personen als Übung
Eine gross angelegte Notfallübung wurde in den Präfekturen Ehime und Shimane in Westjapan durchgeführt. Als Szenario wurde ein schwerer Unfall angenommen, welcher eine Evakuierung erfordern würde. Rund 10‘000 Personen nahmen an der Notfallübung teil. Das ist die bisher grösste Anzahl Leute, die in eine Übung eingebunden wurden. Dabei wurde eine Evakuierung der Personen in Unterkünfte in 50 km Entfernung real durchgeführt. Die Evakuierung erfolgte vor allem mit Bussen, des Weiteren wurden auch Helikopter und Schiffe der Küstenwache eingesetzt.
Quellen: JAIF-Berichte (Zusammenfassung der Medien, TEPCO und Regierungsinformationen) und Fukushima Dai-ichi Status Report vom 23. Februar 2012 der IAEA