Die Sicherheit der Schweizer Kernkraftwerke ist gesetzlich definiert

Die Sicherheit der Schweizer KKW ist gesetzlich definiert
Dr. Anne Eckhardt, Präsidentin ENSI-Rat

Wer von Sicherheit spricht, meint oft ein persönliches Gefühl. Sicher ist, wer sich nicht gefährdet fühlt. Der Unfall von Fukushima hat vielen diese Sicherheit geraubt. Was in Japan geschehen ist, kann es nicht jederzeit auch in der Schweiz passieren?

Sicherheit ist die Kernaufgabe des ENSI. Diese Kernaufgabe ist vor allem technisch ausgerichtet. Letztlich gilt sie aber etwas sehr Lebendigem: Sicherheit entsteht dadurch, dass Menschen handeln. Die Sicherheit der Kernanlagen beruht auf einer Vielzahl technischer Massnahmen. Sie beruht aber auch darauf, dass die Mitarbeitenden in den Kernkraftwerken gut ausgebildet sind, ihre Verantwortung bewusst wahrnehmen und ihre Arbeit mit wachem Blick für die Sicherheit angehen. Nicht zuletzt wird Sicherheit auch durch ein lebendiges Kräftespiel zwischen den Betreibern auf der einen Seite und dem ENSI sowie der Kommission für nukleare Sicherheit auf der anderen Seite gewonnen.

Wie sicher ist sicher genug? Diese Frage wird von verschiedenen Menschen unterschiedlich beantwortet. In der Schweiz haben wir uns daher vor einigen Jahren in einem umfassenden demokratischen Prozess darauf geeinigt, was „sicher“ im Bereich der Nuklearenergie bedeutet. In der Kernenergiegesetzgebung gibt es dazu klare Regelungen.

Das ENSI wacht darüber, dass diese Regelungen eingehalten werden. Als Behörde des Bundes setzt es die rechtlichen Vorgaben um, die es von Bundesrat und Parlament erhält. Der Unfall von Fukushima hat die rechtlichen Vorgaben nicht verändert – auch wenn sich das Sicherheitsempfinden vieler Menschen danach gewandelt hat. Der Unfall führt daher nicht dazu, dass sich das ENSI an neuen Sicherheitsstandards ausrichtet oder dass das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK einem Kernkraftwerk die Bewilligung entzieht.

Dies bedeutet aber nicht, dass Fukushima die Aufsicht unberührt lässt. Anders als in vielen anderen Ländern verlangt die Schweizer Gesetzgebung, dass die Sicherheit der Kernkraftwerke laufend verbessert wird. Wann immer neue Erkenntnisse bekannt werden, die dazu beitragen, die Sicherheit weiter zu erhöhen, sind die Betreiber der Anlagen verpflichtet, entsprechende Nachrüstungen vorzunehmen – auch wenn diese oft sehr aufwändig sind. Das Prinzip „Sicherheit ist kein Zustand. Sicherheit ist ein Prozess“ ist also in der Schweiz Gesetz und hat dazu geführt, dass zum Beispiel die älteren Kernkraftwerke heute bezüglich Kernschadenhäufigkeit 100-mal sicherer sind als an dem Tag, an dem sie in Betrieb gingen.

Kann der Betreiber eines Kernkraftwerks die gesetzlichen Sicherheitsvorgaben nicht einhalten, muss das betroffene Kraftwerk der Ausserbetriebnahmeverordnung folgend abgeschaltet werden. Erfüllt er die gesetzlichen Anforderungen, kann das Kraftwerk weiter betrieben werden. Diese klare Regelung sorgt für die nötige Rechtssicherheit. Halten sich die Betreiber der Kernkraftwerke an die gesetzlichen Vorgaben, haben sie das Recht, ihre Anlagen zu betreiben. Nur wenn diese Rechtssicherheit garantiert ist, sind die Besitzer der Kernkraftwerke bereit, die ständig nötigen Investitionen in die Verbesserung der Sicherheit zu tätigen.

Die Aufsichtsbehörde wacht darüber, dass die Betreiber ihrer Pflicht zur ständigen weiteren Verbesserung der Sicherheit ihrer Anlagen nachkommen. Gemäss Kernenergiegesetz müssen sie ihre Anlagen soweit nachrüsten, „als dies nach der Erfahrung und dem Stand der Nachrüstungstechnik notwendig ist, und darüber hinaus, soweit dies zu einer weiteren Verminderung der Gefährdung beiträgt und angemessen ist.“ Dazu müssen die Betreiber die Entwicklung von Wissenschaft und Technik sowie die Betriebserfahrungen vergleichbarer Anlagen verfolgen.

Der Unfall von Fukushima hat das ENSI in den letzten zwölf Monaten intensiv beschäftigt und wird es in Zukunft auch weiterhin beschäftigen. Der Verlauf des Unfalls wurde eingehend ausgewertet und mehrfach Massnahmen zur weiteren Verbesserung der Sicherheit der Schweizer Kernkraftwerke angeordnet. Zudem hat das ENSI auch seine eigene Aufsichtstätigkeit aufgrund der Erkenntnisse aus Japan selbstkritisch hinterfragt.

Hochwasser, Erdbeben, extreme Wetterereignisse, Flugzeugabstürze, Stromausfälle aber auch der Ausfall wichtiger Komponenten sind Szenarien, die bei der Beurteilung der Sicherheit von Kernkraftwerken genau geprüft werden. Derzeit wird insbesondere die Gefährdung durch Naturereignisse neu überprüft. Dabei reicht die Betrachtung bis zu Naturgefahren, die höchstens einmal pro 10‘000 Jahre erwartet werden. Seit 2007 läuft unter der Federführung von swissnuclear das PEGASOS Refinement Project. In diesem Projekt werden die Gefährdungsannahmen für Erdbeben in der Schweiz noch detaillierter als bisher ermittelt. Ende 2012 sollen die konsolidierten Resultate vorliegen. Weiter ist das ENSI daran, im Gespräch mit Fachleuten und Amtsstellen die Hochwassergefahr präziser zu bestimmen. Und im Rahmen des Aktionsplans, den es infolge des Unfalls von Fukushima eingeleitet hat, werden auch Extremwetterereignisse nochmals genau überprüft.

Dennoch: Was in Japan geschehen ist, kann es nicht jederzeit auch in der Schweiz passieren? Einen schweren Unfall in einem Kernkraftwerk kann niemand mit absoluter Sicherheit ausschliessen – ebenso wie sich auch beispielsweise ein verheerendes Erdbeben in der Schweiz nicht ausschliessen lässt. Die Schweizer Kernkraftwerke halten jedoch ausgesprochen hohe Sicherheitsstandards ein. Das Kernenergiegesetz verpflichtet sie zudem, ihre Sicherheit laufend weiter zu verbessern. Damit gehört die Schweiz bei der Sicherheit von Kernkraftwerken zu den weltweit führenden Nationen.

Die Kernkraftwerke erfüllen die Sicherheitsanforderungen, die wir in einem demokratischen Prozess festgelegt haben. Als ENSI-Ratspräsidentin kann ich daher berechtigt sagen: Die Schweizer Kernkraftwerke sind sicher. Das ENSI und der ENSI-Rat werden sich auf dieser Aussage aber nicht ausruhen, sondern auch in Zukunft an weiteren Verbesserungen der Sicherheit arbeiten.

 

Dr. Anne Eckhardt
Präsidentin ENSI-Rat