Design Basis Threat: Der Bogen zwischen Einschätzung und Vorbeugung
Im Bereich der Sicherung kommt die internationale Konvention über den physischen Schutz von Kernmaterial zum Tragen. Das ENSI hat den Vorsitz in der European Nuclear Security Regulator Association und setzt sich für eine länderübergreifende Zusammenarbeit ein. Die Einschätzung der Gefährdung spielt eine wesentliche Rolle und kann von Land zu Land variieren.
Die Internationale Atomenergieagentur IAEA hat für den Sicherungsbereich eine Reihe von Empfehlungen erarbeitet. Es handelt sich vor allem um praktische Hinweise wie ein effizientes Schutzsystem aufgebaut werden soll. Jedes Land mit Kernkraftwerken, Forschungsreaktoren oder Strahlenquellen aus Medizin, Industrie und Forschung ist für die Bedrohungsanalyse und der daraus abzuleitenden Sicherungsmassnahmen verantwortlich.
Um zwischen Einschätzung von Gefahren und deren Vorbeugung einen Bogen zu schlagen, wird ein sogenannter Design Basis Threat (DBT) erstellt, zu Deutsch eine „Auslegungsbedrohung“. Die „Empfehlungen für den physischen Schutz von Kernmaterial und Kernanlagen“ der IAEA beschreiben, dass ein DBT vier wichtige Themen umfasst:
- Insider oder externer Täter? Ein potenzieller Widersacher ist jede Person oder Gruppe, die die Absicht hat oder fähig ist, eine böswillige Handlung auszuüben.
- Welche Fähigkeiten und Eigenschaften haben die Täter? Waffen, Sprengstoff, Werkzeuge, Transport, Insider und Insider-Absprachen sowie die Anzahl der Individuen sind Attribute, die ein DBT beschreibt.
- Welche Massnahmen müssen ergriffen werden, um böswillige Handlungen wie unbefugtes Entfernen des Materials oder Sabotage sowie die dadurch entstehenden Konsequenzen zu verhindern?
- Entwurf und Evaluation: Als Werkzeug hilft der DBT beim Ausarbeiten und Auswerten von geeigneten Sicherungssystemen und deren Effektivität gegen Gefahren.
Der DBT unterstützt die Betreiber und Behörden dabei, auf nationaler Ebene die Art, Anzahl und Ausrüstung von Tätern zu definieren, das Ausmass des Schadens abzugrenzen und die Sicherheitssysteme wirksam aufzubauen. Abschliessend werden die Systeme auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. Die Bedrohungsanalyse kann von Fall zu Fall anders aussehen: Verschiedene Arten von Materialien stehen in unterschiedlichen Betrieben unterschiedlichen Gefährdungen gegenüber.
Den internationalen Informationsaustausch fördern
Der DBT als Instrument dient also auf nationaler Ebene der Erreichung verschiedener Ziele, die genauer betrachtet internationale Gemeinsamkeiten haben können. Damit länderübergreifend von den Erkenntnissen aus den Analysen, die für den DBT gemacht werden, profitiert werden kann, wird in unterschiedlichen Gremien ein Know-how-Transfer organisiert. Da der Bereich security aber die staatlichen Hoheiten tangiert, können teilweise differenzierte Gefährdungseinschätzungen entstehen. Im Rahmen eines Workshops hat das ENSI den österreichischen Professor Friedrich Steinhäusler, einen anerkannten Experten am radiologischen Messlabor der Universität Salzburg, eingeladen, die verschiedenen Fragestellungen in diesem Kontext zu erörtern und die Eckwerte zu prüfen, welche das ENSI für die Gefährdung annimmt. Die Schweiz gilt laut ihm als ein Land, das sowohl in punkto Sicherheit als auch Sicherung als gutes Beispiel vorangeht. Die IAEA hat 2005 durch eine Reihe internationaler Experten den Sabotageschutz der Schweiz überprüft und ein gutes Zeugnis ausgestellt. Der schweizerische DBT, der im Jahre 2004 erstellt wurde, wird derzeit in Kooperation mit Experten aus dem Nachrichtendienst des Bundes sowie nationalen und kantonalen Polizeistellen überarbeitet. Die neuen Gefährdungen durch Cyberangriffe werden mitberücksichtigt.