ENSI beteiligt sich an Verbesserung des Notfallschutzes bei Extremereignissen
Der Bundesrat will den Notfallschutz bei Extremereignissen verbessern. Dazu zählen auch Zwischenfälle in Kernanlagen. Er hat den Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Notfallschutzmassnahmen bei Extremereignissen in der Schweiz IDA NOMEX zur Kenntnis genommen und verschiedene Bundesstellen mit der Erarbeitung von Massnahmen beauftragt. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI beteiligt sich im Bereich der Kernanlagen.
„Fukushima hat bei aller Tragik auch viele Erkenntnisse für den Notfallschutz gegeben“, sagt Georges Piller, Leiter des Fachbereichs Strahlenschutz beim ENSI. Deshalb hat das ENSI insbesondere im vergangenen Jahr die Ereignisse eingehend analysiert. „Die Aufträge, die das ENSI betreffen, sind mehrheitlich bereits in den Lessons Learned erfasst, die wir im Oktober 2011 publiziert haben“, hält Georges Piller weiter fest. Auch das ENSI ist daran interessiert, dass alle betroffenen Organisationen den Notfallschutz bei Extremereignissen verbessern.
Eine der Erkenntnisse war, dass in der Akutphase eines Unfalls in einem Kernkraftwerk ein grosser Bedarf an Material und Personal besteht. Kommen erschwerende Umweltbedingungen wie Erdbeben oder Überschwemmungen hinzu, kann vorhandenes Material beschädigt oder sogar zerstört sein. Der Bundesrat hat deshalb das Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS beauftragt, bis Ende dieses Jahres in Zusammenarbeit mit den Kernkraftwerbetreibern, dem ENSI, MeteoSchweiz und den Kantonen die Zuständigkeiten in Bezug auf die Bereitstellung von Material und Personal zu klären und Vorschläge zur Behebung der Mangelsituation auszuarbeiten.
„Das ENSI hat dieses Problem bereits kurz nach dem Reaktorunglück in Fukushima erkannt und die Betreiber im März 2011 angewiesen, ein externes Notfalllager einzurichten“, so Piller. Ein zentrales Lager ist seit dem 1. Juni 2011 in Reitnau operationell. Das Konzept wurde vom ENSI überprüft. Praktische Tests sind in den nächsten Monaten vorgesehen.
Referenzszenarien und Zonenpläne überprüfen
Um sich für Notfälle rüsten zu können, braucht es Szenarien, an denen man sich orientieren kann. Das ENSI hat derzeit drei repräsentative Referenzszenarien definiert. In Fukushima sind aber grössere Mengen an radioaktiven Stoffen in die Umwelt gelangt als in den Referenzszenarien bisher angenommen. „Wir haben daher im Rahmen der IDA NOMEX die periodisch geplante Überprüfung dieser Referenzszenarien zeitlich vorgezogen“, sagt Georges Piller. Bis Ende dieses Jahres muss das ENSI in Zusammenarbeit mit dem BABS, dem Bundesamt für Gesundheit BAG und den Kantonen einen Bericht abliefern.
Damit verbunden muss das ENSI im Auftrag des Bundesrates bis Mitte des nächsten Jahres das Zonenkonzept in der Umgebung der Kernkraftwerke im Hinblick auf eine Änderung der Notfallschutzverordnung überprüfen. „Dabei werden wir auch die Empfehlungen internationaler Gremien wie Heads of European Radiological protection Competent Authorities HERCA, der Internationalen Atomenergieagentur IAEA und der Commission on Radiological Protection ICRP berücksichtigen“, sagt Georges Piller. Diese Empfehlungen wurden nach Fukushima überprüft und enthalten bereits allfällige Konsequenzen.
Optimierung der Probeentnahme- und Messorganisation
In der Schweiz sind die gesundheitlichen Aspekte des Strahlenschutzes im Strahlenschutzgesetz sowie in der Strahlenschutzverordnung geregelt. Um die Bevölkerung rechtzeitig schützen zu können, muss ein Anstieg der Radioaktivität rechtzeitig erfasst werden. Heute betreiben verschiedene Stellen ein Messnetz. Das ENSI verfügt über das Messnetz zur automatischen Dosisleistungsüberwachung in der Umgebung der Kernkraftwerke. Das BAG wurde nun vom Bundesrat beauftragt, zusammen mit dem BABS und dem ENSI im Rahmen des Bundesstabs ABCN bis Ende Juni 2014 die Einrichtung einer Plattform zur Koordination der Probeentnahme- und Messorganisation zu prüfen.
Das Erdbeben in Japan vom März 2011 hat auch gezeigt, wie wichtig funktionierende Kommunikationsmittel sind. Auch das ENSI ist im Krisenfall auf funktionierende Verbindungen zu den Partnern und für die Mess- und Prognosesysteme angewiesen. Neben den anderen Organisationen hat auch das ENSI vom Bundesrat den Auftrag erhalten, bis Ende dieses Jahres die Anforderungen für Redundanz und Ausfallsicherheit zu erarbeiten.
Harmonisierung der Grenz- und Referenzwerte
Vordefinierte Grenz- und Referenzwerte dienen dem Schutz von Einsatzkräften und Bevölkerung. Der Bundesrat verlangt nun, soweit möglich und sinnvoll, einen Abgleich der Werte in der Strahlenschutzverordnung mit den Werten der EU und denjenigen der ICRP. Entsprechend hat er dem BAG den Auftrag erteilt, die heutigen Grenz- und Referenzwerte zusammen mit dem ENSI zu überprüfen.
Bei einem Unglück in einer Kernanlage kann es zu Verstrahlungen bei Menschen kommen. Heute ist in der Schweiz gemäss der Analyse der IDA NOMEX nicht klar, wer für die Pflege stark verstrahlter Personen zuständig ist. Die Kantone, die Suva, das Bundesamt für Gesundheit und das ENSI sind zum Teil involviert, aber niemand hat die Führung. Der Bundesrat hat nun das ENSI beauftragt, bis Ende dieses Jahres zusammen mit den anderen Involvierten einen Bericht über die aktuelle Situation zu erstellen und konkrete Lösungsvarianten zu unterbreiten.
IDA NOMEX als Folge des Erdbebens in Japan
Der Bundesrat hatte die IDA NOMEX Anfang Mai 2011 als Reaktion auf erste Erkenntnisse nach dem Erdbeben und dem Reaktorunglück in Japan eingesetzt. Unter der Leitung des Bundesamts für Energie BFE überprüften die Bundeskanzlei, das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA, das Eidgenössische Departement des Inneren EDI, das Eidgenössische Justizdepartement EJPD, das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS, das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement EVD, das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK sowie das ENSI und die Kantone den Notfallschutz in der Schweiz und zeigten Verbesserungsmöglichkeiten auf.