Kernkraftwerke: Wasser spielt eine Hauptrolle

Öl-, Kohle-, Gas- und Kernkraftwerke haben eines gemeinsam: Sie sind thermische Kraftwerke. Diese wandeln mit Wärme Wasser in Dampf und Dampf in Strom um. Dafür wird der Dampf zuerst in grossen Druckbehältern – ähnlich einem übergrossen Dampfkochtopf – oder in Dampferzeugern produziert und dann auf Turbinen geleitet. Bei Kernkraftwerken übernimmt das Wasser gleichzeitig mehrere Aufgaben.

In der Schweiz sind fünf Reaktoren vom Typ Leichtwasserreaktor in Betrieb. Zu diesem Reaktortyp zählen die zwei Varianten Druckwasserreaktor (wie in Beznau Block 1 und 2 und Gösgen) sowie Siedewasserreaktor (wie in Mühleberg und Leibstadt). Sie werden mit normalem Wasser (H2O) gekühlt, welches zugleich auch zur Erzeugung des Dampfs dient.

Im Reaktordruckbehälter, einem dickwandigen, dichten Stahlbehälter, befinden sich die Brennstäbe, welche den nuklearen Brennstoff in Form von Tabletten oder Pellets enthalten. Mehrere Brennstäbe sind zu einem Brennelement gebündelt. Der Brennstoff enthält einen Anteil von rund vier bis fünf Prozent des spaltbaren Uran-235. Im Brennstoff spalten freie Neutronen die spaltbaren Atomkerne.

 

Wasser als Moderator

Bei der Kernspaltung entstehen Wärme und neue Neutronen. Diese werden aus dem gespaltenen Atomkern rausgeschleudert. Allerdings sind sie noch zu schnell, um weitere Urankerne zu spalten. Deshalb müssen sie auf eine geeignete Geschwindigkeit abgebremst werden, bevor sie ihrerseits weitere Urankerne spalten können. Das Abbremsen der Neutronen wird durch das Wasser im Reaktor bewirkt, was im Fachjargon Moderation heisst.

Damit im Reaktor nicht zu viele Neutronen vorhanden sind und die Kernspaltung reguliert werden kann, werden Steuerstäbe eingesetzt, die Neutronen absorbieren. Mit diesen Stäben lässt sich der Reaktor regulieren oder anders gesagt „fahren“. Die Kernspaltung im Reaktor ist also eine kontrollierte Kettenreaktion.

 

Von der Wärme zum Strom

Das Wasser hat in den Leichtwasserreaktoren neben der Moderation noch eine zweite Funktion: es dient zugleich als Kühlmittel und befördert die Energie in Form von Wärme vom Reaktordruckbehälter (RDB) zu den Turbinen. Im RDB wird unter hohem Druck heisses Wasser oder Dampf erzeugt – analog wie in einem Dampfkochtopf in der Küche. Mit dem Dampf werden die Turbinen angetrieben. Diese rotieren und treiben ihrerseits den Generator an, der wie ein Dynamo Strom erzeugt.


Wie funktioniert ein Siedewasserreaktor?

  1. Reaktordruckbehälter
  2. Brennelemente
  3. Steuerstäbe
  4. Hochdruckturbine
  5. Niederdruckturbine
  6. Generator
  7. Transformator
  8. Kondensator
  9. Kühlvorrichtung (Kühlturm oder Flusswasser)
Ein Siedewasserreaktor (SWR) funktioniert mit einem einzigen Kreislauf, dem Dampf-Wasser-Kreislauf. Das Wasser im Reaktordruckbehälter wird von den Brennelementen erhitzt. Der daraus entstandene Dampf wird direkt auf die Turbinen geleitet. Anders als beim Druckwasserreaktor (DWR) sind beim SWR auch Turbinen und andere Teile ausserhalb des Containments radioaktiv belastet. In der Schweiz ist der SWR im Kernkraftwerk Leibstadt im Einsatz. Das abgeschaltete Kernkraftwerk Mühleberg verfügte ebenfalls über einen SWR.

Im Siedewasserreaktor, wie in Mühleberg und Leibstadt, wird der Dampf im Reaktordruckbehälter erzeugt. Er wird über die dickwandigen Leitungen des Primärkreislaufs direkt auf die Turbinen im Maschinenhaus geleitet. Dieser Dampf enthält Spuren von radioaktiven Stoffen. Diese sind kurzlebig. Im Maschinenhaus der Siedewasserreaktoren wird die schwache radioaktive Strahlung mit Betonwänden und Bleimatten abgeschirmt. Wird der Reaktor abgestellt, klingt die Radioaktivität im Primärkreislauf innert weniger Minuten ab.


Wie funktioniert ein Druckwasserreaktor?

  1. Reaktordruckbehälter
  2. Steuerstäbe
  3. Brennelemente
  4. Dampferzeuger
  5. Hochdruckturbine
  6. Niederdruckturbine
  7. Generator
  8. Transformator
  9. Kondensator
  10. Kühlvorrichtung (Kühlturm oder Flusswasser)
Ein Druckwasserreaktor (DWR) wird mit zwei voneinander getrennten Kreisläufen betrieben: dem Primär- und dem Sekundärkreislauf. Während im Primärkreislauf das Wasser unter Druck durch die Wärme der Brennstäbe erhitzt wird, dient erst der Sekundärkreislauf der Erzeugung von Dampf. Dieser wird danach auf die Turbinen geleitet. Der Sekundärkreislauf bleibt somit frei von radioaktiven Partikeln, die aus dem Reaktor stammen. Dies kann bei Instandhaltungsarbeiten ein Vorteil gegenüber dem Siedewasserreaktor (SWR) sein. In der Schweiz ist der DWR in den Kernkraftwerken Beznau und Gösgen im Einsatz.

Beim Druckwasserreaktor, wie in Beznau und Gösgen, wird das heisse, unter hohem Druck stehende Wasser vom Reaktordruckbehälter im ersten geschlossenen Kreislauf (Primärkreislauf) zum Dampferzeuger geleitet. Hier wird die Wärme vom Primärkreislauf an den Sekundärkreislauf übertragen. Das Wasser des Sekundärkreislaufs wird im Dampferzeuger zu Dampf. Dieser wird im zweiten geschlossenen Kreislauf (Sekundärkreislauf) auf die Turbinen geleitet. Die Turbinen treiben die Generatoren an.

Fluss oder Kühlturm

Damit die Dampfturbinen die Wärmeenergie optimal in Bewegungsenergie umwandeln können, müssen die Unterschiede von Temperatur und Druck vor und nach den Turbinen möglichst gross sein. Deshalb muss der Dampf nach dem Durchlaufen der Turbine abgekühlt werden, wobei er zu Wasser kondensiert. Dies geschieht im Kondensator, der die Funktion eines Wärmetauschers hat. Beim Siedewasserreaktor wird das abgekühlte Wasser nach dem Durchlaufen durch den Kondensator im geschlossenen Primärkreislauf zurück in den Reaktordruckbehälter gepumpt. Beim Druckwasserreaktor gelangt es im geschlossenen Sekundärkreislauf zum Dampferzeuger zurück.

Der Kondensator befördert derweil die abgeschiedene Wärme zum äusseren Kühlkreislauf. Hier wird die Wärme abtransportiert. Diese Kühlung kann mit Flusswasser (wie bei den KKW Mühleberg und Beznau) oder durch einen Kühlturm (wie bei den KKW Gösgen und Leibstadt) erfolgen. So gelangt das Wasser sauber und ohne Radioaktivität auf dem Wasser- oder Luftweg wieder zurück in die Umwelt.