Der Kernmantel hat keine Barrierenfunktion

Im Inneren des Druckbehälters eines Siedewasserreaktors ist ein Kernmantel eingebaut. Dieser hat die Form eines Zylinders und besteht aus dickem Stahlblech. Der Kernmantel steht nicht unter Druck und hat keine Barrierenfunktion zum Einschluss von Radioaktivität. Das ENSI beurteilt die Integrität der Kernmäntel.

Der Kernmantel ist unten und oben offen und im Innern des Reaktordruckbehälters fest montiert. Er ist aus mehreren übereinander stehenden Stahlblech-Zylindern zusammengeschweisst und gehört zu den Reaktoreinbauten. Da er nicht druckführend ist – im Gegensatz zum Reaktordruckbehälter, weist er eine relativ geringe Wanddicke von rund 3 bis 5 Zentimetern auf.

Der Begriff Kernmantel wird nur für Siedewasserreaktoren verwendet. Die analoge Struktur in Druckwasserreaktoren wird als Kernbehälter oder Kerntragmantel bezeichnet, wobei die Strömungsverhältnisse und somit die Funktion dieser Struktur in Druckwasserreaktoren andere sind. Deshalb besitzen in der Schweiz nur die beiden Reaktoren von Leibstadtund Mühleberg einen eigentlichen Kernmantel.

  1. Deckel des Reaktordruckbehälters
  2. Auslass für Dampf (Primärkreislauf)
  3. Dampf
  4. Einlass für Kühlwasser (Primärkreislauf)
  5. Kernmantel
  6. Brennelemente
  7. Steuerstäbe

Der Kernmantel trennt im Innern des Reaktordruckbehälters (RDB) die Strömungsrichtungen des Reaktorkühlwassers. Weiter muss er Brennelemente stabilisieren und das Wasserniveau halten.

Der Kernmantel steht nicht unter Druck und hat keine Einschlussfunktion. Er ist unten und oben offen.

In der Schweiz ist der eigentliche Kernmantel in den Kernkraftwerken Leibstadt und Mühleberg im Einsatz.Der Kernmantel erfüllt im Wesentlichen die folgenden drei Funktionen:

– Strömungsrichtung leiten

Der Kernmantel trennt im Innern des Reaktordruckbehälters die Strömungsrichtungen des Reaktorkühlwassers und Wasser unterschiedlicher Temperatur. Im Ringspalt zwischen dem Kernmantel und der Wand des Reaktordruckbehälters strömt kälteres Wasser von oben nach unten. Im inneren Bereich des Kernmantels, wo die Brennelemente eingesetzt sind, strömt wärmeres Wasser in umgekehrter Richtung – also von unten nach oben. Diese Strömungsverhältnisse stellen sich als Naturumlauf aufgrund der Wärme der Brennelemente von selbst ein. Mit den Pumpen des Reaktorumwälzsystems kann die Geschwindigkeit der an den Brennelementen vorbeiführenden Strömung erhöht werden. Die Reaktorleistung hängt direkt von der Strömungsgeschwindigkeit des Wassers ab. Die Leistung des Siedewasserreaktors wird mit den Umwälzpumpen reguliert. Wenn in einem Siedewasserreaktor das Wasser die Brennelemente durchströmt, wird es erhitzt und zum Teil in Dampf umgewandelt. Dieser Dampf wird dann aus dem oberen Bereich des Reaktordruckbehälters über die Leitungen des Primärkreislaufs zu den Turbinen weggeführt.

– Brennelemente stabilisieren

Im Kernmantel befinden sich unten die so genannte Kerngrundplatte und oben das Kernführungsgitter. Beide dienen dazu, die seitliche Position der Brennelemente zu gewährleisten, um jederzeit das sichere Einfahren der Steuerstäbe zu ermöglichen.

– Wasserniveau halten

Der Kernmantel muss so weit dicht sein, dass selbst beim Bruch der grössten Leitung des Primärkreislaufs ein Fluten des Kerns bis auf zwei Drittel seiner Höhe möglich ist. Dies ist eine Voraussetzung für die ausreichende Kühlbarkeit des Reaktorkerns in diesem Fall.

 

Periodische Überprüfung des Kernmantels

Aus dem langjährigen weltweiten Betrieb von Siedewasserreaktoren ist bekannt, dass sich in den Schweissnähten der Kernmäntel Risse bilden können. Sie sind dementsprechend gut untersucht. Die Bildung und Ausbreitung der Risse entstehen hauptsächlich wegen der so genannten Spannungsrisskorrosion, die unter bestimmten chemischen und physikalischen Bedingungen auftritt. Da der Kernmantel eine nicht druckführende Einbaute des Reaktors ist, kann der Betrieb selbst mit einem Kernmantel, der Rissbefunde aufweist, weitergeführt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Risse nicht ein Ausmass erreichen, das die mechanische Stabilität oder die Wasserniveauhaltung bei einem Störfall mit grossem Kühlmittelverlust gefährden. Deshalb muss der Kernmantel regelmässig materialtechnisch geprüft und sicherheitstechnisch beurteilt werden.

Kernmäntel können verstärkt, repariert oder ersetzt werden, wobei letzteres allerdings mit erheblicher Strahlenbelastung für das Personal verbunden ist. Zur zusätzlichen Verstärkung und Stabilisierung des Kernmantels – vor allem, wenn Risse in seinen Schweissnähten vorhanden sind – werden oft so genannte Zuganker montiert, so zum Beispiel in Siedewasserreaktoren in Spanien, Japan, den USA sowie in der Schweiz in Mühleberg.

Um das Auftreten von Rissen frühzeitig zu erkennen, deren Wachstum zu verfolgen und gegebenenfalls Massnahmen anzuordnen laufen spezifische Überwachungsprogramme. Die Schweissnähte werden periodisch während der Revisionsabstellungen mittels zerstörungsfreier Prüfmethoden kontrolliert. Das ENSI beurteilt die Integrität der Kernmäntel der beiden schweizerischen Siedewasserreaktoren anhand von Schweissnahtprüfungen, Risswachstumsmessungen und bruchmechanischen Bewertungen.