Rückbau von Kernkraftwerken muss sorgfältig geplant werden

Stilllegung und Rückbau von Kernkraftwerken sind arbeitsintensive Verfahren. Besondere Aufmerksamkeit gilt bei der Vorbereitung dem Strahlenschutz und der Behandlung der radioaktiven Stoffe. Mehrere erfolgreich abgeschlossene Rückbauprojekte im Ausland zeigen, dass auch in der Schweiz ein Kernkraftwerk bis zur „Grünen Wiese“ zurückgebaut werden kann.

Rückbau des deutschen Kernkraftwerks Greifswald: Blick in das Maschinenhaus. Copyright: BMU / Brigitte Hiss
Rückbau des deutschen Kernkraftwerks Greifswald: Blick in das Maschinenhaus. Copyright: BMU / Brigitte Hiss

Unabhängig von politischen Entscheidungen erreichen Kernkraftwerke früher oder später ihr technisches Lebensende. Mit der Ausserbetriebnahme verschwindet nicht gleichzeitig das Gefahrenpotenzial. Eine gute Vorbereitung des Stilllegungsprojekts ist deshalb unerlässlich.

Nach der Abschaltung beginnen die letzten beiden Abschnitte im Lebenszyklus eines Kraftwerks: der Nachbetrieb und der Rückbau. Wie Erfahrungen im Ausland zeigen (zum Beispiel bei den deutschen Kernkraftwerken Niederaichbach und Stade), dauern der Nachbetrieb bei einer geplanten Ausserbetriebnahme rund fünf Jahre und die Rückbauarbeiten rund zehn Jahre. Die Betreiber der Schweizer Kernkraftwerke gehen von vergleichbaren Zeiträumen aus. Damit es keine Überraschungen gibt, planen sie bereits während des Betriebs den Rückbau des Kernkraftwerks.

 

Betreiber konkretisieren die Stilllegung während des Betriebs

Während des Betriebs des Kraftwerks wird das Stilllegungskonzept zum so genannten Stilllegungsplan ausgearbeitet. Aufgrund dieses Stilllegungsplans werden die künftigen Stilllegungskosten berechnet, die Teil der Kostenstudien sind. Die Kostenstudien werden mindestens alle fünf Jahre überprüft und nachgeführt, die Stilllegungspläne mindestens alle zehn Jahre –dies ist gesetzlich so vorgegeben. Damit ist es möglich, die neuesten Entwicklungen bei den Rückbautechniken zu berücksichtigen und die positiven wie auch negativen Erfahrungen aus bereits laufenden Projekten in die Stilllegungspläne einfliessen zu lassen. Zuletzt wurden die Kostenstudien 2011 aktualisiert und 2012 geprüft.

Zeichnet sich das Betriebsende einer Anlage ab, konkretisiert der Betreiber den Stilllegungsplan und arbeitet das Stilllegungsprojekt aus. Das Stilllegungsprojekt reicht der Betreiber anschliessend mit anderen Unterlagen beim Bundesamt für Energie und dem Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI ein, um damit die Stilllegungsverfügung des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK zu erwirken. Im Stilllegungsprojekt ist der Rückbau detailliert beschrieben: einzelne Arbeitsschritte, Meilensteine im Rückbau, geschätzter Personal- und Zeitbedarf, die einzusetzenden Rückbautechniken, Umgang mit radioaktivem Material und dessen Entsorgung, Kosten usw.

 

Brennelemente werden abtransportiert

Bis der Betreiber die Stilllegungsverfügung erhält, gelten die Sicherheitsanforderungen der Betriebsbewilligung weiter. Die Übergangsphase zwischen der endgültigen Ausserbetriebnahme und dem Inkrafttreten der Stilllegungsverfügung heisst Nachbetriebsphase. In dieser Zeit kann der Betreiber erste vorbereitende Arbeiten für den Rückbau durchführen. Typischerweise wird zum Beispiel während des Nachbetriebs der Kernbrennstoff (die abgebrannten Brennelemente) aus der Anlage entfernt und sicher in Transport- und Lagerbehältern in einem Zwischenlager aufbewahrt. Damit sind der grösste Teil der Radioaktivität und somit das grösste Gefahrenpotenzial aus der Anlage entfernt. Beim Rückbau der Anlage selbst fallen neben grossen Mengen inaktivem Material auch schwach- und mittelradioaktive Abfälle an (vor allem aktivierter Stahl und Beton). Diese Stilllegungsabfälle aus den Kernkraftwerken machen weniger als ein Drittel des Gesamtvolumens für die radioaktiven Abfälle in der Schweiz aus.

Das vom Betreiber eingereichte Stilllegungsprojekt wird von den Bundesbehörden geprüft. Bei der Prüfung der Unterlagen fällt dem ENSI ein grosser Teil der Arbeiten zu. Denn die Aufsichtsbehörde muss beurteilen, ob der Rückbau wie vom Betreiber vorgesehen durchgeführt werden kann und ob die Sicherheit von Umwelt, Bevölkerung und Personal zu jeder Zeit gewährleistet ist. Entsprechen die Unterlagen den Vorgaben und konnte der Betreiber darin nachweisen, dass der Rückbau unter Einhaltung der Schutzziele sicher durchgeführt werden kann, verfügt das UVEK die Stilllegung.

 

Rückbau erfolgt in mehreren Phasen

Nun beginnt der eigentliche Rückbau: In mehreren Phasen zerlegt das Rückbaupersonal das Kraftwerk in transport- und lagergerechte Einzelteile. Dabei müssen die Arbeiter vor allem den grössten Teil des Materials, der nicht radioaktiv ist und konventionell entsorgt werden kann, vom radioaktiven Anteil trennen. Gewisse Komponenten, wie der Reaktordruckbehälter und einzelne Dampfleitungen, müssen wegen der Strahlenbelastung mit ferngesteuerten Geräten zerlegt werden. Auch hierzu liegen bereits Erfahrungen vor (etwa in Deutschland, Frankreich, England, Kanada, USA). Es gibt sogar Forschungsprojekte, die sich nur mit der Weiterentwicklung der fernhantierten Techniken auseinandersetzen.

Die Rückbauarbeiten werden vom ENSI intensiv begleitet werden. Denn zum einen benötigt jede Rückbauphase eine Freigabe des ENSI, und zum anderen verändert sich beim Rückbau der Zustand der Anlage laufend, weshalb regelmässige Inspektionen vor Ort notwendig sein werden.

 

Erfahrungen gibt es auch in der Schweiz

Völlig unbekannt ist der Rückbau von Kernanlagen in der Schweiz nicht: Erste Erfahrungen liegen auch hierzulande vor. So wurden am Paul Scherrer Institut (PSI) bereits die Forschungsreaktoren SAPHIR und DIORIT weitgehend zurückgebaut, und der Forschungsreaktor AGN-201-P der Universität Genf wurde unter der Leitung der Fachleute des PSI vollständig entfernt und entsorgt.

Ist die Stilllegung eines Kernkraftwerks gut vorbereitet, ist der Rückbau in einem überschaubaren Zeitraum realisierbar. Die grösste Herausforderung ist die Organisation der Arbeiten und die Schaffung ausreichender Kapazitäten für die Behandlung der anfallenden Abfälle und sonstigen Materialien.

 

ENSI bereitet sich intensiv vor

Bei der Vorbereitung und Durchführung eines Stilllegungsprojekts ist nicht nur der Betreiber gefordert, sondern auch das ENSI. Bereits seit Jahren verfolgen Mitarbeiter des ENSI die internationale Entwicklung auf dem Gebiet der Stilllegung. Zur Bündelung dieser Kompetenzen wurde im August 2012 eine eigene Sektion Stilllegung geschaffen.

Die Mitarbeiter dieser Sektion arbeiten derzeit eine neue Richtlinie für die Stilllegung aus, beraten sich mit Fachleuten in Deutschland, Frankreich, Schweden und anderen Ländern und beteiligen sich an internationalen Forschungsprojekten der International Atomic Energy Agency IAEA. Durch die bestehende Gesetzgebung und die Implementierung internationaler Vorgaben, insbesondere der Safety Reference Levels der Western European Nuclear Regulators Association WENRA, ist die Schweiz auch auf ein grosses Rückbauprojekt vorbereitet.