Gestaffelte Sicherheitsvorsorge: Notstandsysteme (9/13)
Alle Schweizer Kernkraftwerke verfügen zusätzlich zu den klassischen Sicherheitssystemen über ein sogenanntes Notstandsystem. Dieses ist ausgelegt auf den sogenannten Notstandfall, eine Situation, in der die Schichtmannschaft aufgrund äusserer Einwirkung nicht mehr handlungsfähig ist.
Das Notstandsystem erfüllt auch redundant und diversitär Funktionen der klassischen Sicherheitssysteme. Das Notstandsystem ist dazu da, im Anforderungsfall die Anlage abzuschalten und die Nachwärme abzuführen. Während der ersten 10 Stunden des Störfalls sind hierfür keine Personalhandlungen erforderlich.
Das Notstandsystem ist von den in den vorangehenden Teilen dargestellten klassischen Sicherheitssystemen unabhängig. Es verfügt über eine eigenständige Stromversorgung sowie eigene Kühl‑ und Lüftungssysteme. Es ist gegen Erdbeben, Flugzeugabsturz und Überflutung sowie Einwirkungen Dritter besonders geschützt.
Mit Ausnahme des Kernkraftwerks Mühleberg verfügen die Notstandsysteme der Schweizer Kernkraftwerke zudem über eigene Brunnenwassersysteme, die als zum Fluss diversitäre letzte Wärmesenke dienen. Das Kernkraftwerk Mühleberg besitzt eine alternative Wärmesenke. Notstandsysteme sind weltweit nicht üblich und werden nur in wenigen Ländern verlangt, namentlich in Deutschland.
Das Notstandsystem ist somit eine zusätzliche Stärkung der Sicherheitsebene 3 und hilft darüber hinaus, Schutzzielfunktionen der Sicherheitsebene 4a und 4b zu übernehmen.
Die 5 Ebenen der gestaffelten Sicherheitsvorsorge
- Anforderungsfall: Normalbetrieb
- Ziel: Vermeidung von Betriebsstörungen
- Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Betriebssysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
- Anforderungsfall: Betriebsstörungen
- Ziel: Beherrschung von Betriebsstörungen
- Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Begrenzungssysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
- Anforderungsfall: Auslegungsstörfälle
- Ziel: Beherrschung von Auslegungsstörfällen, sodass ein Kernschaden verhindert wird
- Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Sicherheits- und Notstandsysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
- Anforderungsfall: Auslegungsüberschreitende Störfälle ohne schweren Kernschaden
- Ziel: Beherrschung bestimmter auslegungsüberschreitender Störfälle
- Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Notfallsysteme und Notfallausrüstungen (präventive Notfallmassnahmen)
- Anforderungsfall: Auslegungsüberschreitende Störfälle mit schwerem Kernschaden
- Ziel: Begrenzung der Freisetzung radioaktiver Stoffe
- Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Notfallausrüstungen (mitigative Notfallmassnahmen)
- Anforderungsfall: Schwere Notfälle mit grösserer Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umgebung
- Ziel: Linderung der radiologischen Auswirkungen in der Umgebung
- Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen
- Massnahmen zur Minimierung der Strahlendosis der Bevölkerung und des Personals
Dies ist der neunte von 13 Teilen zur gestaffelten Sicherheitsvorsorge. Der nächste Teil behandelt die Beherrschung bestimmter der Auswirkungen auslegungsüberschreitender Störfälle.
Dieser Artikel wurde am 30.11.2018 aktualisiert.