Gestaffelte Sicherheitsvorsorge: Ebenenübergreifende Aspekte der Sicherheit (13/13)

Gestaffelte SicherheitsvorsorgeDie Sicherheit eines Kernkraftwerks hängt von der Anlage – das heisst der eingesetzten Technik und deren Zustand – ab, von den Menschen, welche die Anlage betreiben und von den organisatorischen Strukturen und Hilfsmitteln.

Die einzelnen Elemente der Anlage lassen sich mehrheitlich spezifisch einzelnen Sicherheitsebenen zuordnen. Dies gilt auch für ausgewählte organisatorische Strukturen und Hilfsmittel.

Einzelne Elemente der Anlage, viele organisatorische Strukturen und Hilfsmittel, vor allem aber die Menschen im Kernkraftwerk lassen sich nicht klar einzelnen Sicherheitsebenen zuordnen. Bei diesen handelt es sich um ebenenübergreifende Aspekte der Sicherheitsvorsorge.

Ebenenübergreifende Aspekte sind namentlich:

  • qualifiziertes und geschultes Personal in genügender Zahl, das seine Arbeit und seine Aufgaben hinterfragt
  • eine in ihrem Aufbau geeignete Organisation
  • eine starke Unternehmensführung, die der nuklearen Sicherheit jederzeit Priorität gibt gegenüber anderen unternehmerischen Zielen, die eine offene Kommunikationskultur pflegt und die Meldung von Fehlern, insbesondere auch sogenannte Beinahefehlern, bewusst fördert, um daraus die notwendigen Lehren zu ziehen
  • ein integriertes Managementsystem, das alle sicherheitsrelevanten Tätigkeiten strukturiert und namentlich folgende Programme enthält:
    • ein Programm zur systematischen Sicherheitsbewertung aufgrund der Betriebserfahrung, Erkenntnisse aus Inspektionen und Vorkommnissen sowie Anlagenänderungen
    • ein Alterungs-Überwachungs-Programm zur Überprüfung und Analyse alterungsbedingter Zustandsänderungen sicherheitsrelevanter Komponenten
    • ein Programm zur Verfolgung der weltweiten Betriebserfahrung und des Standes von Wissenschaft und Technik und daraus abgeleiteten Massnahmen für die eigene Anlage zur Verbesserung der Sicherheit
  • eine ergonomische Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine: klare Anzeige und Bedienelemente
  • allgemeine Vorkehrungen für Brandschutz und Brandbekämpfung
  • allgemeine Vorkehrungen für den Blitzschutz
  • Sicherheitsanalysen allgemein
  • Erdbebeninstrumentierung
  • Kommunikationsmittel
  • Sicherheitsaspekte mit indirektem Bezug zur nuklearen Sicherheit, beispielsweise Ordnung und Sauberkeit in der Anlage, Fluchtwege und Sanität
  • ein umfassendes Sicherungskonzept zur Verhinderung von Sabotage

Die ebenenübergreifenden Aspekte sind von grosser Bedeutung, weil Schwachstellen in diesen Bereichen die Sicherheitsvorsorge auf mehreren Ebenen schwächen können. Deshalb widmet das ENSI in seiner Aufsicht diesen Aspekten besondere Aufmerksamkeit. In seiner systematischen Sicherheitsbewertung macht es die ebenenübergreifenden Bewertungen klar sichtbar.

Die 5 Ebenen der gestaffelten Sicherheitsvorsorge

  • Anforderungsfall: Normalbetrieb
  • Ziel: Vermeidung von Betriebsstörungen
  • Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Betriebssysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
  • Anforderungsfall: Betriebsstörungen
  • Ziel: Beherrschung von Betriebsstörungen
  • Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Begrenzungssysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
  • Anforderungsfall: Auslegungsstörfälle
  • Ziel: Beherrschung von Auslegungsstörfällen, sodass ein Kernschaden verhindert wird
  • Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Sicherheits- und Notstandsysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
  • Anforderungsfall: Auslegungsüberschreitende Störfälle ohne schweren Kernschaden
  • Ziel: Beherrschung bestimmter auslegungsüberschreitender Störfälle
  • Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Notfallsysteme und Notfallausrüstungen (präventive Notfallmassnahmen)
  • Anforderungsfall: Auslegungsüberschreitende Störfälle mit schwerem Kernschaden
  • Ziel: Begrenzung der Freisetzung radioaktiver Stoffe
  • Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Notfallausrüstungen (mitigative Notfallmassnahmen)
  • Anforderungsfall: Schwere Notfälle mit grösserer Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umgebung
  • Ziel: Linderung der radiologischen Auswirkungen in der Umgebung
  • Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen
    • Massnahmen zur Minimierung der Strahlendosis der Bevölkerung und des Personals

Dies ist der letzte Teil der dreizehnteiligen Serie zur gestaffelten Sicherheitsvorsorge. Eine Übersicht über alle Teile finden Sie hier.

Dieser Artikel wurde am 3.12.2018 aktualisiert.