Informationen zum Kernkraftwerk Mühleberg

Im Nachgang zum Reaktorunglück Fukushima hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI verschiedene Verfügungen zu Handen des Kernkraftwerks Mühleberg, aber auch der anderen Kernanlagen in der Schweiz erlassen.

Dabei ging es einerseits darum, die Sicherheit anhand der neuen Erkenntnisse erneut zu überprüfen, andererseit die Sicherheit weiter zu verbessern. Besonders im Fokus standen die Themen Hochwasser und Erdbeben. Jüngst kamen Forderungen zum befristeten Betrieb bis 2019 hinzu.

Nachfolgend finden Sie eine Aufstellung von verschiedenen Themen rund um das Kernkraftwerk Mühleberg.

Ausserbetriebnahme 2019

Forderungen zur Ausserbetriebnahme 2019

Die Sicherheitsmarge im Kernkraftwerk Mühleberg muss auch bei der Ausserbetriebnahme im Jahr 2019 bis zum letzten Betriebstag hoch sein. Dies fordert das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI mit seiner Verfügung vom 14. November 2013. ENSI-Direktor Hans Wanner beantwortet einige Fragen dazu.

Fordert das ENSI nun weniger vom Kernkraftwerk Mühleberg als vor einem Jahr? Warum akzeptiert die Aufsichtsbehörde Abweichungen von den ursprünglichen Forderungen? Wenn das Kernkraftwerk Mühleberg nachrüsten muss, heisst das, dass es heute nicht sicher ist? Diese Fragen beantwortet Hans Wanner, Direktor des ENSI, im folgenden Videointerview vom 21. November 2013.

Forderungen, die unabhängig vom Ausserbetriebnahmezeitpunkt umgesetzt werden müssen

  • Das KKM wird aufgefordert, dem ENSI bis zum 31. Dezember 2013 ein Konzept vorzulegen, wie die Aspekte der Materialalterung für die mechanischen Komponenten der Sicherheitsklasse 4 berücksichtigt werden. (Forderung 2)
  • Das KKM wird aufgefordert, dem ENSI bis zum 31. Dezember 2013 ein Konzept vorzulegen, wie der Materialzustand des Primärcontainments umfassender beurteilt werden kann. Dazu sind insbesondere die bisher als unzugänglich eingestuften Bereiche des Drywells sowie die ermüdungsrelevanten Bereiche der Überströmrohre zu betrachten. Es sind zerstörungsfreie Messtechniken, Analysen zu den relevanten Korrosionsmechanismen und mögliche Abhilfemassnahmen zu berücksichtigen. Basierend auf den Erkenntnissen hat das KKM das weitere Instandhaltungskonzept für das Primärcontainment festzulegen. (Forderung 6)
  • Das KKM hat vor der nächsten Beladung eines Brennelementbehälters den deterministischen Sicherheitsnachweis zu erbringen, dass die Vorsorgemassnahmen für den Störfall „Absturz eines Brennelementbehälters“ ausreichend sind. Der entsprechende Nachweis für den Störfall „Torusleckagen“ ist bis zum 31. Dezember 2013 zu führen. (Forderung 7)
  • Das KKM hat die Nachrüstung einer diversitären, automatischen Auslösung der Sicherheitsfunktion „Kühlmitteleinspeisung in den RDB“ sicherheitstechnisch zu bewerten und die Ergebnisse dem ENSI bis zum 31. Dezember 2013 einzureichen. (Forderung 8)
  • Das KKM hat die Nachrüstung einer automatischen Auslösung der Reaktorschnellabschaltung bei hohem RDB-Füllstand sowie weitere diversitäre Massnahmen zur Sicherstellung des Überspeisungsschutzes des RDB sicherheitstechnisch zu bewerten und die Ergebnisse dem ENSI bis zum 31. Dezember 2013 einzureichen. (Forderung 9)
  • Das KKM hat bis zum 30. Juni 2014 die erweiterten Analysen bezüglich der Auswirkungen von Bränden und Überflutung im Reaktorgebäude beim ENSI einzureichen. (Forderung 16)
  • Das KKM hat für Brände und interne Überflutungen im Reaktorgebäude systematisch aufzuzeigen, dass alle angemessenen Vorkehrungen zu einer weiteren Verminderung der Gefährdung mittels fest installierter Systeme oder kurzfristig verfügbarer, vorbereiteter Massnahmen getroffen wurden. Eine sicherheitstechnische Bewertung der geplanten sowie der umgesetzten Nachrüstungen und Massnahmen ist dem ENSI bis zum 30. Juni 2014 in einem Bericht vorzulegen. (Forderung 17)
  • Das KKM hat bis zur Jahresrevision 2014 Massnahmen durchzuführen, um potentielle seismisch bedingte Leckagen aus dem Bereich des Brennelementbecken-Kühlkreislaufs weiter zu reduzieren. (Forderung 10)
  • Das KKM wird aufgefordert, die bisher durchgeführten thermohydraulischen und bruchmechanischen Analysen zum Integritätsnachweis des Reaktordruckbehälters bei postulierten Rissen unter Thermoschockbedingungen gemäss dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu aktualisieren. Die Ergebnisse der aktualisierten Berechnungen sind dem ENSI bis zum 31. Dezember 2014 in einem Bericht vorzulegen. (Forderung 4)
  • Es sind Massnahmen zur Reduktion der Gefährdung aufgrund von erdbebeninduzierter Überflutung zu treffen. Deren Umsetzung hat bis zum 31. Dezember 2014 zu erfolgen. (Forderung 12)
  • Das KKM wird aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2014 alle 1E-Kabel der Sicherheitssysteme im Reaktorgebäude, für welche keine Auslegungsdokumentation vorhanden ist, zu ersetzen. Für die übrigen sicherheitsrelevanten Kabel ist der Austausch bzw. die Requalifikation laut Konzept vom 27. Juni 2013 bis spätestens 2018 umzusetzen. Die entsprechende Dokumentation ist dem ENSI vorzulegen. (Forderung 3)
  • Das KKM hat bis zum Ende der Jahresrevision 2015 einen zusätzlichen, erdbebenfesten Anschluss im SUSAN-Kühlwassersystem für den Einsatz mobiler Pumpen zu installieren. (Forderung 11)
  • Das KKM hat bis zum Ende der Jahresrevision 2015 eine zusätzliche, von der Aare unabhängige Kühlwasserversorgung für das SUSAN-Notstandsystem nachzurüsten. (Forderung 13)

Forderungen, bei denen Alternativvorschläge eingereicht werden können

  • Das KKM hat für den Betrieb über das Jahr 2017 hinaus bis zum 30. Juni 2014 aufzuzeigen, wie es auch ohne Umsetzung der im Instandhaltungskonzept vom 23. Dezember 2011 beschriebenen Stabilisierungsmassnahmen für den Kernmantel, einen unter Berücksichtigung der verbleibenden Betriebsdauer ausreichenden Sicherheitsgewinn erzielen kann. (Forderung 5)
  • Das KKM hat für den Betrieb über das Jahr 2017 hinaus bis zum 30. Juni 2014 aufzuzeigen, wie es auch ohne Realisierung der zusätzlichen, erdbebenfesten und überflutungssicheren, von der Aare unabhängigen Kühlwasserversorgung, einen unter Berücksichtigung der verbleibenden Betriebsdauer ausreichenden Sicherheitsgewinn erzielen kann. (Forderung 14)
  • Das KKM hat für den Betrieb über das Jahr 2017 hinaus bis zum 30. Juni 2014 aufzuzeigen, wie es auch ohne Realisierung eines erdbebenfesten und überflutungssicheren Brennelementbecken-Kühlsystems, einen unter Berücksichtigung der verbleibenden Betriebsdauer ausreichenden Sicherheitsgewinn erzielen kann. (Forderung 15)
  • Das KKM hat für den Betrieb über das Jahr 2017 hinaus bis zum 30. Juni 2014 aufzuzeigen, wie es auch ohne Realisierung eines zusätzlichen Nachwärmeabfuhrsystems, einen unter Berücksichtigung der verbleibenden Betriebsdauer ausreichenden Sicherheitsgewinn erzielen kann. (Forderung 18)

Forderungen für die Zeit nach der Ausserbetriebnahme

Für eine endgültige Ausserbetriebnahme des KKM im Jahr 2019 muss die BKW Energie AG im Hinblick auf die Stilllegung entsprechend dem Ausserbetriebnahmedatum die folgenden Unterlagen bis zum 31. Dezember 2014 einreichen:

  • Darlegung, welche sicherheitsrelevanten Systeme und Anlageteile für die Nachbetriebsphase und die daran anschliessenden Stilllegungsphasen noch benötigt oder angepasst werden.
  • Konzept für Abtransport und Zwischenlagerung des Kernbrennstoffs inkl. Beschaffung geeigneter Transport- und Lagerbehälter.
  • Darstellung von Art und Umfang der Arbeiten im Nachbetrieb mit zeitlichem Ablauf.
  • Allgemeine Sicherheitsbewertung des Nachbetriebes.
  • Vorgehen zur Berücksichtigung menschlicher und organisatorischer Faktoren im Hinblick auf die endgültige Ausserbetriebnahme und den Nachbetrieb.
  • Darstellung der erwarteten radioaktiven Abfälle und inaktiv freigemessenen Materialien für die Nachbetriebsphase.

Hochwasser und Erdbeben

Forderungen zum Thema Hochwasser

Das ENSI hat die von den Kernkraftwerkbetreibern eingereichten sicherheitstechnischen Nachweise eingehend geprüft. Im Zentrum der detaillierten Überprüfung der Analysen der Kraftwerke bezüglich des 10’000-jährlichen Hochwassers standen:

  • die Auswirkungen auf die Anlagen,
  • die Annahmen zur Überführung der Anlagen in einen sicheren Zustand,
  • die Aufrechterhaltung dieses Zustands während der geforderten Zeitdauer von 72 Stunden,
  • die aus diesem Störfall resultierende Strahlendosis für die Bevölkerung.

Das KKM hat den Nachweis der Beherrschung des 10‘000-jährlichen Hochwassers unter den vom ENSI gesetzten Rahmenbedingungen im Jahr 2011 erbracht. Die bei diesem Überflutungs-Störfall resultierende Strahlendosis liegt auch bei Annahme konservativer Rahmenbedingungen deutlich unter dem für einen Störfall nach Strahlenschutzverordnung zulässigen Wert von 100 mSv für die Bevölkerung im Umfeld des Kraftwerks.

Mehr Informationen

Dokumente

Forderungen zum Thema Erdbeben

Die Überprüfungen der eingereichten Nachweise der Betreiber durch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI haben ergeben, dass die Schweizer Kernkraftwerke auch einem schweren Erdbeben widerstehen und keine Schäden infolge Strahlung für Mensch und Umwelt entstehen.

Beim Nachweis der Beherrschung der Kombination von Erdbeben und dem durch Erdbeben ausgelöste Versagen der Stauanlagen im Einflussbereich des Kernkraftwerkes Mühleberg hat der Betreiber nachgewiesen, dass diese Stauanlagen standhalten. Die Nachweise für die Stauanlagen Mühleberg, Schiffenen und Rossens wurden von der zuständigen Fachstelle im Bundesamt für Energie BFE überprüft.

Mehr Informationen

Dokumente

Wohlensee-Staudamm

Die Stauanlagen rund um Mühleberg wie z.B. der Wohlensee-Staudamm stellen bei einem 10‘000-jährlichen Erdbeben keine Gefahr für das Kernkraftwerk dar.

Weitere Themen

Verfügungen nach Fukushima

Bereits eine Woche nach dem Reaktorunglück in Fukushima verfügte das ENSI die Neubewertung der Sicherheitsmargen in Schweizer Kernkraftwerken. Weitere Verfügungen folgten.

EU-Stresstest

Um alle vier Standorte im europäischen Vergleich zu messen und von der ENSREG und der Europäischen Kommission zu prüfen, erliess das ENSI eine Verfügung an die Schweizer KKW-Betreiber, am EU-Stresstest teilzunehmen. Unter diesem versteht man grundsätzlich eine Neubewertung des Risikos unter Berücksichtigung der Erfahrungen von Fukushima.

Die internationalen Experten, die den Schweizer Länderbericht zum EU-Stresstest geprüft hatten, verteilten bereits im April 2012 gute Noten für die Sicherheit der Schweizer Kernkraftwerke. Der Peer-Review-Bericht hob besonders das proaktive Handeln des ENSI nach Fukushima und das Notfalllager Reitnau hervor. Spezielle Erwähnung fand die Tatsache, dass die Energieversorgung der Schweizer Kernkraftwerke über sieben Sicherheits-Ebenen, so genannten Safety-Layers, verfügt.

Kernmantel

Der Kernmantel im Kernkraftwerk Mühleberg erfüllt seine Funktionen weiterhin ohne Zusatzmassnahmen. Für den Langzeitbetrieb verlangt das ENSI aber weitere Verbesserungsmassnahmen.

In diesem Dossier finden Sie weitergehende Informationen zum Kernmantel im Kernkraftwerk Mühleberg:

 kernmantel_anim_700px
  1. Deckel des Reaktordruckbehälters
  2. Auslass für Dampf (Primärkreislauf)
  3. Dampf
  4. Einlass für Külwasser (Primärkreislauf)
  5. Kernmantel
  6. Brennelemente
  7. Steuerstäbe

Der Kernmantel trennt im Innern des Reaktordruckbehälters (RDB) die Strömungsrichtungen des Reaktorkühlwassers. Weiter muss er Brennelemente stabilisieren und das Wasserniveau halten.

Der Kernmantel steht nicht unter Druck und hat keine Einschlussfunktion. Er ist unten und oben offen.

In der Schweiz ist der eigentliche Kernmantel in den Kernkraftwerken Leibstadt und Mühleberg im Einsatz.

Periodische Sicherheitsüberprüfung PSÜ

Das Kernkraftwerk Mühleberg erfüllt die Sicherheitsanforderungen, die für den laufenden Betrieb gelten. Dies ist das Fazit der periodischen Sicherheitsüberprüfung, mit der die Betriebserfahrung und der Zustand gesamtheitlich beurteilt wurden. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat aufgrund der Betriebserfahrung der Jahre 2000 bis 2009 Verbesserungsbedarf festgestellt und im Dezember 2013 26 Forderungen formuliert.

Die Forderungen betreffen

  • die Umsetzung der Massnahmen aus der OSART-Mission im Jahr 2012,
  • die Weiterentwicklung der Wiederholungsprüfungen und der Alterungsüberwachung,
  • die Aktualisierung von Störfall- und Sicherheitsanalysen
  • sowie die Auslegung von Sicherheitssystemen.

Weiter sollen

  • die radioaktiven Abgaben vermindert,
  • Vorkehrungen zum Schutz vor im Normalbetrieb entstehendem Wasserstoff optimiert,
  • die Zuverlässigkeit von Sicherheitsventilen erhöht und
  • der Notfallschutz weiter verbessert

werden. Die insgesamt 26 Forderungen zu den betrieblichen Aspekten ergänzen die Forderungen des ENSI zum Langzeitbetrieb, die die Aufsichtsbehörde am 14. November 2013 verfügt hat.

Mehr Informationen

Materialfehler im belgischen Kernkraftwerk Doel 3

Der Druckbehälter des Reaktors 3 des belgischen Kernkraftwerks Doel weist Anzeichen von Fertigungsfehlern auf. Da der Reaktordruckbehälter des Kernkraftwerks Mühleberg vom selben Hersteller stammt, hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI Analysen durchgeführt.