Bielersee: Studie von Eawag und LABOR SPIEZ bestätigt bisherige Beurteilung

Die Ablagerungen von radioaktiven Nukliden aus dem Kernkraftwerk Mühleberg im Bielersee sind gering und gesundheitlich unbedenklich. Eine Studie, die das Bundesamt für Gesundheit BAG heute veröffentlicht hat, konnte keinen zusätzlichen Eintrag von Plutonium nachweisen. Weiter zeigte sich, dass der Eintrag von Cobalt-60 in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist.

Tiefenverteilung künstlicher Radionuklide am Standort 1. (Grafik: BAG)
Tiefenverteilung künstlicher Radionuklide am Standort 1. (Grafik: BAG)

„Das Ergebnis überrascht uns nicht. Es deckt sich mit den Angaben zu den Abgaben des Kernkraftwerks Mühleberg, die das BAG und wir jährlich veröffentlicht haben“, sagt Georges Piller, Leiter des Fachbereichs Strahlenschutz beim Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI.

Das Kernkraftwerk Mühleberg hat in den vergangenen Jahren umfangreiche Massnahmen umgesetzt, um die Aktivität, die mit dem Abwasser abgegeben wird, zu reduzieren. „Wir haben aber im Rahmen der Stellungnahme zur Periodischen Sicherheitsüberprüfung 2010 gefordert, dass die Anstrengungen fortgesetzt werden“, betont Georges Piller.

 

Sedimentkern aus dem Bielersee (Standort 1) mit Zuordnung der Herkunft des künstlichen Radioisotopes Cs-137. Dargestellt ist die ursprünglich im Sediment eingelagerte Menge an Cs-137. Aufgrund der Halbwertszeit von 30 Jahren ist inzwischen ein Teil des Cs-137 in den unteren Schichten bereits zerfallen. Die Spitzen sind aber immer noch erkennbar. (Grafik: BAG)
Sedimentkern aus dem Bielersee (Standort 1) mit Zuordnung der Herkunft des künstlichen Radioisotopes Cs-137. Dargestellt ist die ursprünglich im Sediment eingelagerte Menge an Cs-137. Aufgrund der Halbwertszeit von 30 Jahren ist inzwischen ein Teil des Cs-137 in den unteren Schichten bereits zerfallen. Die Spitzen sind aber immer noch erkennbar. (Grafik: BAG)

Die Studie vom ETH-Forschungsinstitut Eawag und dem LABOR SPIEZ bestätigt die Existenz von Cäsium-137-Spitzen im Bielersee. Diese können gemäss den veröffentlichten Abgaben teilweise dem KKW Mühleberg zugeordnet werden.

Die für das Jahr 2000 gemessenen 41 Becquerel pro Kilogramm sind eine vergleichsweise kleine Erhöhung des Cäsiumwerts im Bielersee und korrelieren mit den erhöhten Cäsium-Abgaben des Kernkraftwerks Mühleberg.

Die Ursache für die erhöhten Abgaben ist nicht auf Zwischenfälle zurückzuführen, sondern auf die endlagerfähige Konditionierung von Altharzen aus dem Zwischenlager mit der im Jahr 1995 in Betrieb genommenen Verfestigungsanlage CVRS.

Der Betrieb dieser Anlage wurde in den Folgejahren weiter optimiert und damit die Cäsiumabgaben wieder verringert.

Becquerel

Becquerel ist eine Einheit für die Aktivität eines radioaktiven Stoffs. Ein Becquerel bedeutet, dass in einer Sekunde ein Atomkern eines radioaktiven Stoffes zerfällt. Benannt ist die Einheit nach dem Physiker Antoine Henri Becquerel, der die Radioaktivität 1896 entdeckte, als er eher zufällig bemerkte, dass natürliches Uran in der Lage ist, fotografische Platten zu schwärzen.

Plutonium stammt von Atomwaffenversuchen

Neben Cäsium-137 und Cobalt-60 wurde an einigen der Sedimentkerne auch Plutonium gemessen. „Die Verteilung des Plutoniums zeigt, dass dieses Radionuklid ausschliesslich durch die oberirdischen Atomwaffenversuche in den frühen 1960er Jahren freigesetzt wurde“, heisst es im Bericht.

Plutonium

Plutonium ist ein giftiges und radioaktives Schwermetall. Es ist das schwerste in der Natur vorkommende Element. Vom Plutonium existieren ausschliesslich radioaktive Isotope. In den Kernkraftwerken entsteht Plutonium-239 durch den Einfang von Neutronen im Uran-238. Auch Plutonium-238 und -240 kommen vor. Diese drei Plutonium-Isotope haben Halbwertszeiten zwischen 87,7 und 24‘110 Jahren.

Im Abwasser, das Kernkraftwerke gemäss dem geltenden Regelwerk kontrolliert an die Umwelt abgeben dürfen, befinden sich neben Cäsium und anderen radioaktiven Stoffen auch kleinste Mengen Plutonium. Plutonium wird zusammen mit anderen Alpha-Strahlern seit Mitte der 1990er-Jahre summarisch gemessen. Die Werte liegen weit unter den in den Reglementen festgelegten Abgabelimiten.

Die Menge der mit dem Abwasser der Kernkraftwerke freigesetzten Alpha-Strahler, zu denen Uran, Americum, Curium und Plutonium gehören, ist von Werk zu Werk unterschiedlich. Das Kernkraftwerk Mühleberg gab in den Jahren 2002 bis 2012 jährlich durchschnittlich rund 300‘000 Becquerel dieser Alpha-Strahler ab.

Alpha-Strahlen

Alpha-Strahlung entsteht beim radioaktiven Zerfall gewisser Atome. Die Alpha-Partikel bestehen aus zwei Protonen und zwei Neutronen. Sie haben in der Luft eine Reichweite von wenigen Zentimetern; ein Blatt Papier reicht, um sie vollständig zu absorbieren. In menschlichen Organen reichen sie nur einige Hundertstel Millimeter weit, können auf dieser Strecke aber viele Zellen beschädigen.

Messungen von Alpha-Strahlern seit 1996

Die Messung von Alpha-Strahlern in Wasser ist auf Grund der physikalischen Eigenart der Strahlung sehr aufwändig. Ab dem Jahre 1996 liess die Hauptabteilung für die Sicherheit von Kernanlagen HSK – die Vorgängerorganisation des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI –Abwasserproben beim Institut de radiophysique IRA in Lausanne nach Alpha-Strahlern untersuchen. Die HSK folgte damit einer Anregung, die von der Eidgenössischen Kommission zur Überwachung der Radioaktivität KUeR und von der Eidgenössischen Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen KSA im Rahmen des Seminars über Umweltbelastung durch langlebige, künstlich erzeugte Radionuklide 1995 in Luzern geäussert worden war.

Zwei Jahre nach Beginn der Messungen wurden die Kontrollen auf eine quartalsweise Messung von Monatsmischproben ausgedehnt. Ab 2000 mussten die Kernanlagen in der Schweiz quartalsweise die Summe der abgegebenen Alpha-Strahler melden. Heute erfolgt die Meldung gemäss Richtlinie ENSI-B02 „Periodische Berichterstattung der Kernanlagen“ monatlich. Die Jahreswerte werden in den Strahlenschutzberichten des ENSI und den Jahresberichten Umweltradioaktivität und Strahlendosen des BAG publiziert.


Die radiologischen Folgen dieser Abgabe sind sehr klein. Dies gilt selbst im aus betrieblichen Gründen unmöglichen Fall, dass die gesamte Menge dieser Alpha-Strahler-Fracht aus Plutonium-239, dem Isotop mit den radiologisch grössten Auswirkungen, bestanden hätte. Bei dem Gesamtabgabevolumen von über 6600 Kubikmetern kontaminiertem Wasser, das beispielsweise im Jahr 2002 in die Aare abgegeben wurde, ergäbe sich aus dem jährlichen Konsum dieses Wassers eine Dosis von weniger als 0,1 Millisievert, was einem Zehntel des Grenzwerts für die Bevölkerung entspricht.

Kleine Mengen von Cobalt-60 im Sediment

Im Unterschied zu den Sedimenten von Seen ohne Kernkraftwerke an den Zuflüssen, wie etwa Thuner- und Brienzersee, kann in den Sedimenten des Bielersees Cobalt-60 nachgewiesen werden. Das Kernkraftwerk Mühleberg hat Cobal-60 abgegeben. Diese fluktuierenden Abgaben lagen stets unterhalb der Limiten und sind in den Jahresberichten des BAG und des ENSI dokumentiert.

Cobalt-60

Cobalt-60 ist mit einer Halbwertszeit von 5,27 Jahren das langlebigste der instabilen Cobalt-Isotope. Es entsteht, wenn das stabile Cobalt-59 durch Neutronenbestrahlung aktiviert wird. Cobalt-59 ist in kleinen Mengen im Material des Reaktordruckbehälters enthalten.

Ablagerungen im Sediment sind gesundheitlich unbedenklich

Die Autoren der Studie kommen zum Schluss, dass eine gesundheitliche Gefährdung durch künstliche Radionuklide im Sediment und auch im Trinkwasser aus dem Bielersee ausgeschlossen werden kann.