ENSI genehmigt Massnahmen für Mühleberg-Restlaufzeit mit Auflagen

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat die Massnahmen, die das Kernkraftwerk Mühleberg für die Restlaufzeit bis 2019 vorsieht, geprüft und akzeptiert. Die Aufsichtsbehörde hat für die Umsetzung der Nachrüstmassnahmen Fristen gesetzt und für den Kernmantel zudem neue Grenzwerte definiert.

„Mit der fristgerechten Umsetzung der Massnahmen erfüllt das Kernkraftwerk Mühleberg die Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb bis zur endgültigen Ausserbetriebnahme 2019“, fasst ENSI-Direktor Hans Wanner das Ergebnis der ENSI-Stellungnahme zusammen.

Ende 2012 hatte das ENSI den unbefristeten Langzeitbetrieb des Kernkraftwerks Mühleberg KKM unter Auflagen akzeptiert. Die BKW hat dann aber im November 2013 entschieden, das Kernkraftwerk Mühleberg frühzeitig bereits 2019 ausser Betrieb zu nehmen. Das ENSI hat der BKW deshalb erlaubt, zu vier Massnahmen, die für den unbefristeten Langzeitbetrieb gefordert wurden, Alternativen einzureichen.

Diese Bereiche waren betroffen

  • die Stabilisierungsmassnahmen für den Kernmantel
  • die Realisierung der zusätzlichen, erdbebenfesten und überflutungssicheren, von der Aare unabhängigen Kühlwasserversorgung
  • die Realisierung eines erdbebenfesten und überflutungssicheren Brennelementbecken-Kühlsystems
  • sowie ein zusätzliches Nachwärmeabfuhrsystem.

Kernmantel: Prüfaktivitäten und Grenzwerte

Das ENSI kann aufgrund der beschränkten Restlaufzeit akzeptieren, dass die BKW auf die Stabilisierungsmassnahmen, die das ENSI für einen unbefristeten Langzeitbetrieb gefordert hatte, verzichtet und stattdessen das Prüfprogramm des Kernmantels ausdehnt. Es fordert aber, dass neu am Kernmantel in der verbleibenden Laufzeit bei jeder Jahresrevision zerstörungsfreie Prüfungen mit einem qualifizierten Prüfsystem durchzuführen sind.

Das Konzept der BKW sieht eine Erweiterung des Wiederholungsprüfprogrammes an den Schweissnähten des Kernmantels sowie verfeinerte bruchmechanische Berechnungen vor. Berücksichtigt werden dabei auch die Querrisse, die während der Jahresrevision 2014 erstmals in Mühleberg entdeckt wurden.

Zudem hat das ENSI zwei technische Kriterien für die Risse festgelegt, die nicht überschritten werden dürfen. „Mit dieser Vorgabe stellen wir sicher, dass die Stabilität des Kernmantels mit einer Sicherheitsmarge gewährleistet bleibt“, erklärt Georg Schwarz, stellvertretender ENSI-Direktor und Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke.

Auf Grund internationaler Erkenntnisse zu den Rissen in Kernmänteln ist nach heutigem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass die Risse im Kernmantel des Kernkraftwerks Mühleberg vor der endgültigen Ausserbetriebnahme 2019 die Grenzwerte erreichen. „Sollte sich die Entwicklung jedoch unerwartet ändern, haben wir mit den Grenzwerten ein Abschaltkriterium definiert“, erklärt Georg Schwarz.

Bauliche Massnahmen zur Sicherstellung der Kühlwasserversorgung

Anstelle der ursprünglich geplanten Grundwasserfassung Saanetal hat die BKW ein Konzept für eine grundlegende Erneuerung der Wasserversorgung über ein REWAG-Pumpwerk eingereicht. Dieses soll überflutungssicher errichtet werden und das bestehende Hochreservoir Runtigenrain mit Wasser aus der bestehenden Grundwasserfassung REWAG versorgen. Als Reserven sollen der Verbund „Grosses Moos“ und das Reservoir Stockeren angebunden werden. Das Wasser kann für die Kühlung der SUSAN-Notstromdiesel, für die Kernkühlung und die Kühlung des Brennelementbeckens eingesetzt werden.

Das ENSI akzeptiert diese Vorschläge als vollwertige alternative Lösung zur Sicherstellung der Kühlwasserversorgung bei auslegungsüberschreitendem Hochwasser. Es fordert die Umsetzung der Wasserversorgung bis zum Ende der Jahresrevision 2015. Die Notnachspeisung in den Reaktordruckbehälter muss bis zum Ende der Jahresrevision 2016 realisiert werden.

Sicherheitsgewinn durch Staumauerverstärkung

Aufgrund der bereits realisierten Verstärkung der Wohlensee-Staumauer können erdbebenbedingte Überflutungen nahezu ausgeschlossen werden. Deshalb bleibt der Kühlwasserbezug aus der Aare bis in den auslegungsüberschreitenden Bereich möglich. „Diese Massnahme hat die Sicherheit des Kernkraftwerks generell weiter verbessert“, erklärt Georg Schwarz. Die Verstärkung der Stauanlage bringt zusammen mit der Realisierung der hochwassersicheren Kühlwasserversorgung einen vergleichbaren Sicherheitsgewinn wie die ursprünglich vorgesehene Grundwasserfassung Saanetal.

Verbesserungen bezüglich der -11m-Ebene

Die Pumpen der Notkühlsysteme des Kernkraftwerks Mühleberg befinden sich alle im untersten Raum des Reaktorgebäudes der sogenannten -11m-Ebene. Um die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls all dieser Pumpen durch interne Brände oder eine interne Überflutung zu verringern, sind mehrere Verbesserungsmassnahmen vorgesehen. Zudem ist eine Notnachspeisung in den Reaktordruckbehälter geplant, mit der die Kernkühlung auch bei einem vollständigen Ausfall aller Pumpen möglich ist, die sich auf der -11m-Ebene befinden. Das ENSI verlangt, dass die Notnachspeisung in den Reaktordruckbehälter bis zum Ende der Jahresrevision 2016 realisiert wird.

Verstärkung der Notfall-Kühlung des Brennelementbeckens

Das Kühlsystem für das Brennelementbecken will die BKW in zwei Phasen verstärken. In einer ersten Phase sollen Eintauchkühler installiert werden, die über das Hochreservoir Runtigenrain sowie über mobile Mittel mit Kühlwasser versorgt werden können. In einer zweiten Phase nach der endgültigen Ausserbetriebnahme soll das Notfall-Kühlsystem in ein vollwertiges Sicherheitssystem umgebaut werden.

Das ENSI akzeptiert diesen Vorschlag als Übergangslösung und fordert eine Umsetzung bis Ende 2016. Der Umbau in ein vollwertiges Sicherheitssystem ist bis Ende September 2020 durchzuführen, da dieses System insbesondere nach der Ausserbetriebnahme von Bedeutung ist.

ENSI fordert Umsetzung weiterer Massnahmen

Neben den vier Alternativvorschlägen hatte die BKW weitere Nachweise und Verbesserungsmassnahmen eingereicht, die das ENSI gefordert hatte. Diese betreffen unter anderem den Schutz vor einer Überspeisung des Reaktordruckbehälters und die Verkabelung. Das ENSI hat auch diese Massnahmen geprüft und dort, wo noch Handlungsbedarf besteht, Forderungen mit Fristen formuliert.

Forderungen des ENSI für die Restlaufzeit

Periodisch:

  • EABN2019-Forderung 1: Am Kernmantel des KKM sind in jeder Jahresrevision zerstörungsfreie Prüfungen mit qualifizierten Prüfsystemen durchzuführen.
  • EABN2019-Forderung 2: Die Befunde der Kernmantelprüfungen sind aufgrund des Standes von Wissenschaft und Technik sowie der internationalen Betriebserfahrung in jeder Jahresrevision zu bewerten. Die Freigabe zum Wiederanfahren der Anlage nach der Jahresrevision wird vom ENSI erteilt, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: –      KI,max ˂ 75 MPa√m unabhängig von der Orientierung und Risstiefe –      lquer ˂ 320 mm für wanddurchdringende Querrisse

Bis Ende April 2015:

  • EABN2019-Forderung 4: Das KKM hat die Auswirkungen von Leckagen in den vom RCIC bzw. dem Hochreservoir kommenden und innerhalb des Reaktorgebäudes in die Speisewasserleitungen einbindenden Leitungsabschnitten zu untersuchen. Die Analyse ist dem ENSI bis zum 30. April 2015 einzureichen.
  • EABN2019-Forderung 6: Das KKM hat zu überprüfen, inwieweit die begrenzenden Betriebsbedingungen in den Technischen Spezifikationen anzupassen sind, damit in der Betriebsart 4 eine ausreichende Anzahl von Sicherheitssystemen für die Beherrschung von Bränden im Reaktorgebäude verfügbar ist. Die Ergebnisse sind dem ENSI bis zum 30. April 2015 darzulegen.

Bis Ende Jahresrevision 2015:

  • EABN2019-Forderung 5: Die Störfallvorschrift SYA-B-003 ist bis zum Ende der Jahresrevision 2015 unter Berücksichtigung der aus der aktuellen Überflutungsanalyse abgeleiteten Verbesserungsmassnahmen gegen interne Überflutungen im Reaktorgebäude zu überprüfen und entsprechend anzupassen.
  • EABN2019-Forderung 7: Das KKM hat die geplante, von der Aare unabhängige CWS-Noteinspeisung gemäss Aktennotiz AN-AM-2014/076 Rev. a vom 24. Oktober 2014 bis zum Ende der Jahresrevision 2015 nachzurüsten.
  • EABN2019-Forderung 9: Das KKM hat die geplanten Verbesserungen zur Verminderung der Gefährdung durch interne Überflutung gemäss Aktennotiz AN-AM-2014/076 Rev. a vom 24. Oktober 2014 bis zum Ende der Jahresrevision 2015 umzusetzen.

Bis Ende 2015:

  • EABN2019-Forderung 3: Das KKM hat vor der nächsten Beladung eines Brennelementbehälters jedoch spätestens bis zum 31. Dezember 2015 den deterministischen Sicherheitsnachweis zu erbringen, dass die Vorsorgemassnahmen für den Störfall „Absturz eines Brennelementbehälters“ ausreichend sind.

Bis Ende Jahresrevision 2016:

  • EABN2019-Forderung 10: Das KKM hat eine automatische erdeben- und überflutungssichere Notnachspeisung in den Reaktordruckbehälter gemäss Aktennotiz AN-AM-2014/076 Rev. a vom 24. Oktober 2014 bis zum Ende der Jahresrevision 2016 nachzurüsten.

Bis Ende 2016:

  • EABN2019-Forderung 8: Das KKM hat die geplante Brennelementbecken-Notfallkühlung gemäss Aktennotiz AN-AM-2014/076 Rev. a vom 24. Oktober 2014 bis zum Ende des Jahres 2016 nachzurüsten. Die Brennelementbecken-Notfallkühlung ist bis 30. September 2020 zu einem Sicherheitssystem umzubauen.

Bis September 2020:

  • EABN2019-Forderung 8: Das KKM hat die geplante Brennelementbecken-Notfallkühlung gemäss Aktennotiz AN-AM-2014/076 Rev. a vom 24. Oktober 2014 bis zum Ende des Jahres 2016 nachzurüsten. Die Brennelementbecken-Notfallkühlung ist bis 30. September 2020 zu einem Sicherheitssystem umzubauen.

Stellungnahme der KNS

Das ENSI unterbreitet die vorliegende Stellungnahme auch der Kommission für nukleare Sicherheit KNS. Nach deren Stellungnahme wird das ENSI die abschliessende Verfügung erlassen.

 

(Dieser Artikel wurde am 10. März 2015 aktualisiert.)