„Nur die Ultraschall-Untersuchung erlaubt verlässliche Aussagen über den aktuellen Zustand des Reaktordruckbehälters“

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI erwartet vom Kernkraftwerk Beznau einen Nachweis, dass der Reaktordruckbehälter sicher ist. In einem Interview erklärt Georg Schwarz, Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke und stellvertretender ENSI-Direktor, die Bedeutung der Ultraschall-Untersuchung.

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Seit vergangener Woche ist auch Beznau 2 vom Netz. Wie ist der aktuelle Stand bei der Überprüfung der Reaktordruckbehälter in den beiden Beznau-Blöcken?

Georg Schwarz: Bei Beznau 1 warten wir darauf, dass uns die Axpo den Nachweis für die Sicherheit des Reaktordruckbehälters einreicht. Dazu wird sie weitere Untersuchungen durchführen und nachweisen müssen, dass die festgestellten Befunde die Sicherheit nicht beeinträchtigen. Nur wenn das ENSI davon überzeugt ist, dass Beznau 1 sicher ist, wird es wieder anfahren können. In Beznau 2 wird die Axpo im Rahmen der laufenden Revision die geforderte Ultraschalluntersuchung ebenfalls durchführen.

Nachdem in Belgien die Befunde in Doel 3 und Tihange 2 entdeckt worden waren, hat das ENSI zuerst die Überprüfung der Herstellungsdokumente und anschliessend auch die Prüfung des Grundmaterials verlangt. Warum ist man zweistufig vorgegangen?

Der Reaktordruckbehälter des Kernkraftwerks Mühleberg, der aus der gleichen Schmiede wie Doel 3 und Tihange 2 stammt, wurde bereits im Jahr 2012 mit Ultraschallmessungen überprüft. Im Januar 2013 hat das ENSI die Untersuchungen auf alle geschmiedeten Reaktordruckbehälter ausgedehnt. In einem ersten Schritt haben wir von allen Werken die Überprüfung der Herstellungsdokumente verlangt. Damit wollten wir uns möglichst rasch einen ersten Überblick über die Situation in der Schweiz verschaffen. In einem zweiten und viel wichtigeren Schritt hat das ENSI im Juli 2013 die Ultraschalluntersuchung von allen geschmiedeten Reaktordruckbehältern angeordnet.

Sie sind damit einer Empfehlung der Western European Nuclear Regulators Association WENRA gefolgt.

Die Schweiz, die seit 2011 mit ENSI-Direktor Hans Wanner den Vorsitz der WENRA innehat, hat sich für eine solche europaweite Überprüfung stark gemacht. Wir hätten diese Ultraschalluntersuchung aber auch unabhängig von einer solchen Empfehlung durchführen lassen.

Wie wichtig ist die Überprüfung der Herstellerdokumente?

Ultraschalluntersuchungen des Reaktordruckbehälters können nicht von heute auf morgen organisiert und durchgeführt werden. Dazu müssen spezialisierte Firmen engagiert und die Anlage muss abgeschaltet werden. Wir wollten 2013 aber rasch einen ersten Überblick haben. Darum haben wir diesen Schritt angeordnet. Die Überprüfung der Herstellerdokumente kann aber eine Ultraschall-Untersuchung nicht ersetzen. Es ist diese Prüfung, die Auskunft über den aktuellen Zustand des Druckbehälters gibt, und somit eine Beurteilung der Sicherheit ermöglicht.

Die Dokumentation für den Reaktordruckbehälter in Beznau 1 war nicht vollständig. Ist das ein Problem?

Wenn Dokumente fehlen, geht das ENSI immer vom ungünstigsten Fall aus. Im vorliegenden Fall fehlten Detailangaben zur Wärmebehandlung der Schmiedeteile von Beznau 1. Ohne diese Angaben können damit zusammenhängende Schmiedefehler nicht ausgeschlossen werden. Trotzdem konnte das ENSI auch ohne diesen Bericht eine erste Beurteilung vornehmen. Ich wiederhole mich an dieser Stelle, das ENSI hat sich nicht nur die Dokumente angeschaut, sondern zusätzliche Ultraschall-Messungen verlangt. Nur die Ultraschall-Untersuchung kann verlässliche Aussagen über den aktuellen Zustand des Reaktordruckbehälters erlauben.

Wird das Grundmaterial des Reaktordruckbehälters auch während der Laufzeit eines Kernkraftwerks mit Ultraschall untersucht?

Normalerweise werden gemäss internationalem Standard nur die Schweissnähte in regelmässigen Abständen überprüft. Die Ausdehnung der Untersuchungen auf das Grundmaterial wurde wegen der in Belgien festgestellten Befunde angeordnet.

Wann wird Beznau 1 wieder Strom produzieren?

Die erforderlichen Untersuchungen sind sehr umfangreich. Nach heutigem Planungsstand rechne ich damit, dass wir unsere Stellungnahme frühestens im ersten Quartal 2016 fertiggestellt haben.

Und was passiert, wenn die Axpo für Beznau 1 den Nachweis nicht erbringen kann?

Dann wird Beznau 1 nicht wieder in Betrieb genommen.