BFE: Nagra muss Unterlagen zu technischen Berichten nachreichen
Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI prüft zurzeit die Vorschläge der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle Nagra für mindestens zwei Standortgebiete pro Lagertyp. Es hat dabei festgestellt, dass die Datengrundlage der Nagra teilweise nicht vollständig und somit nicht belastbar ist. Dies führt zu einer Verzögerung des Zeitplans der Standortsuche für geologische Tiefenlager von sechs bis zwölf Monaten.
Seit Anfang 2015 ist bekannt, dass die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) die Standortgebiete Jura Ost und Zürich Nordost in der dritten Etappe der Standortsuche für geologische Tiefenlager zur Entsorgung der radioaktiven Abfälle vertieft untersuchen will. Diese Vorschläge musste die Nagra mit umfassenden technisch-wissenschaftlichen Berichten unterlegen, die seither vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI einer Detailprüfung unterzogen werden. Das ENSI hat dabei festgestellt, dass die Nagra zum Indikator «Tiefenlage im Hinblick auf bautechnische Machbarkeit» zusätzliche technisch-wissenschaftliche Unterlagen nachliefern muss, ohne die eine abschliessende Beurteilung durch das ENSI nicht möglich ist. Nachforderungen von Datengrundlagen in derart komplexen, wissenschaftlich-technischen Prüfprozessen sind nichts Aussergewöhnliches. Das Bundesamt für Energie (BFE) wird die Nagra deshalb anweisen, die entsprechenden Unterlagen in den kommenden Monaten nachzureichen. Obwohl das ENSI die Prüfung der bereits vorliegenden Unterlagen weiterführt, führt dies zu einer Verzögerung des Zeitplans der Standortsuche für geologische Tiefenlager um sechs bis zwölf Monate.
Die Nagra hatte gemäss den Vorgaben des «Sachplans geologische Tiefenlager» und des ENSI die Aufgabe, für jedes Standortgebiet aus Etappe 1 provisorische Sicherheitsanalysen durchzuführen, die Standortgebiete anhand der im «Sachplan geologische Tiefenlager» definierten Kriterien zu bewerten (in Bezug auf die Eigenschaften des Wirtgesteins, Langzeitstabilität, Zuverlässigkeit der geologischen Aussagen und bautechnische Eignung) und darauf basierend die Standortgebiete sicherheitstechnisch zu vergleichen. Aufgrund der Ergebnisse musste die Nagra mindestens zwei Standortgebiete pro Lagertyp (Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, Lager für hochradioaktive Abfälle oder Kombi-Lager) vorschlagen, wobei sich diese Vorschläge ausschliesslich auf sicherheitstechnische Aspekte stützen müssen.
In ihren Berichten, die Ende Januar 2015 publiziert wurden (die gesamte Dokumentation umfasst drei zentrale Berichte mit rund 1`700 Seiten sowie rund 15`000 Seiten Referenzberichte), kam die Nagra zum Schluss, dass alle in Etappe 1 der Standortsuche festgelegten sechs Standortgebiete (Jura Ost, Jura-Südfuss, Nördlich Lägern, Südranden, Wellenberg und Zürich Nordost) die im «Sachplan geologische Tiefenlager» definierten geologischen und sicherheitstechnischen Anforderungen erfüllen. Die Standortgebiete Jura Ost und Zürich Nordost weisen jedoch gemäss Nagra weniger Nachteile auf als die vier anderen Standortgebiete. Die Nagra schlug deshalb nur diese beiden Gebiete für vertiefte Untersuchungen in Etappe 3 vor (siehe dazu die Medienmitteilung vom 30. Januar 2015).
Seit Ende Januar 2015 werden die Berichte der Nagra vom ENSI, der Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) sowie von weiteren Bundes- und Kantonsstellen überprüft. Konkret hat das ENSI mit Unterstützung zahlreicher externer Fachexperten zu beurteilen, ob der Vorschlag der Standortgebiete aus sicherheitstechnischer Sicht gerechtfertigt ist und die von der Nagra nicht vorgeschlagenen Standortgebiete zu Recht zurückgestellt werden sollen.
Unterlagen der Nagra zu Tiefenlage und bautechnischer Machbarkeit entsprechen in einem spezifischen Punkt nicht den Anforderungen des ENSI
Das ENSI und seine externen Experten haben bei der laufenden Detailprüfung der Unterlagen für Etappe 2 der Standortsuche festgestellt, dass die durch die Nagra eingereichte Datengrundlage für den Indikator „Tiefenlage im Hinblick auf bautechnische Machbarkeit“ (dieser definiert die maximale Tiefenlage) nicht vollständig und damit nicht belastbar ist. Sie wird den durch das ENSI publizierten behördlichen Anforderungen nicht gerecht. Die Nagra muss nun zusätzliche Unterlagen zu diesem spezifischen Punkt nachreichen.
Die Frage der maximalen Tiefenlage ist insbesondere relevant für die Beurteilung, ob das Standortgebiet Nördlich Lägern in Etappe 3 weiter untersucht werden soll. Grundsätzlich gilt, dass sämtliche sechs potentiellen Standortgebiete solange im Auswahlverfahren verbleiben, bis das ENSI die Detailprüfung abgeschlossen hat und der Bundesrat voraussichtlich 2018, in Kenntnis aller relevanten Fakten darüber entscheiden wird, welche Standortgebiete in Etappe 3 tatsächlich vertieft untersucht werden sollen.
Zeitplan der weiteren Standortsuche verzögert sich um mehrere Monate
Klar festzuhalten ist, dass Nachforderungen von Datengrundlagen in derart komplexen, wissenschaftlich-technischen Prüfprozessen nichts Aussergewöhnliches sind. Es kann deshalb auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich in der laufenden Detailprüfung noch weitere, zusätzlich zu dokumentierende Fragestellungen ergeben. Bisher zeichnet sich dies jedoch nicht ab. Das im «Sachplan geologische Tiefenlager» definierte Verfahren stellt die Sicherheit an oberste Stelle und lässt den zeitlichen Spielraum für die Klärung solcher Fragestellungen explizit zu.
Da dadurch jedoch die weitere Standortsuche für geologische Tiefenlager spürbar verzögert wird und somit auch Auswirkungen auf die beteiligten Akteure hat (Standort-Kantone, Regionalkonferenzen, etc.), hat sich das BFE als verfahrensleitende Behörde für eine rasche und transparente Information der Öffentlichkeit entschieden.
Das BFE wird die Nagra nun anweisen, die entsprechenden Unterlagen nachzureichen. Der zusätzliche Zeitaufwand für deren Erarbeitung durch die Nagra wird auf mehrere Monate geschätzt. Obwohl das ENSI die Prüfung der bereits vorliegenden Unterlagen weiterführt, verzögert sich dadurch der Zeitplan der Standortsuche aus heutiger Sicht um sechs bis zwölf Monate.