Artikelserie Tschernobyl: Verbesserung der Informationskanäle

Die Informationskanäle wurden in der Schweiz nach dem Unfall Tschernobyl verbessert.
Die Informationskanäle wurden in der Schweiz nach dem Unfall Tschernobyl verbessert.

Der Bundesrat hat nach dem Unfall in Tschernobyl eine Verbesserung der Informationskanäle veranlasst. Zu diesen Massnahmen gehörten sowohl der Aufbau einer zentralen Informationsstelle bei Ereignissen wie auch die Erarbeitung von neuen bilateralen Abkommen zur gegenseitigen Information.

Bereits am 18. Juni 1986 legte Bundesrat Alphons Egli ein 12-Punkte-Programm vor. In seinem Buch über die Geschichte der Nuklearaufsicht schrieb Roland Naegelin, damaliger Leiter der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen, dazu: „Die zwölf Punkte betrafen vorwiegend den Strahlen- und Bevölkerungsschutz. Hier hatten sich bei der Bewältigung der durch den Tschernobyl-Unfall in der Schweiz verursachten Kontaminationen einige Mängel und Verbesserungsmöglichkeiten gezeigt.“

12-Punkte-Programm des Eidgenössischen Departements des Innern EDI

  1. Die Arbeiten am Strahlenschutzgesetz sind voranzutreiben. Die Gesetzesvorlage befindet sich in der Vernehmlassung.
  2. Die Strahlenschutzverordnung ist zu revidieren
  3. Die in Vorbereitung befindliche Verordnung über die Alarmorganisation zum Schutze der Bevölkerung bei einer Gefährdung durch Radioaktivität ist zu überarbeiten. Insbesondere ist zu prüfen, ob die Kommission für AC-Schutz und die Nationale Alarmzentrale NAZ, die eine in Bern, die andere in Zürich, zusammengelegt werden sollten, mit einem Verbindungsdetachement zum Bundesrat in Bern.
  4. Die Kommission für AC-Schutz ist personell und materiell zu verstärken und mit einem Einsatzkonzept auszurüsten für die Träger der einzelnen Funktionen.
  5. Die Informationstätigkeit muss ausgebaut werden, qualitativ und quantitativ. Es ist eine Informationszentrale zu schaffen, die die eingehenden und die ausgehenden Informationen koordiniert.
  6. Die Verbindung zu den Kantonen spielte grundsätzlich. Es muss aber dafür gesorgt werden, dass auch innerhalb der Kantone die Informationen an die zuständige Stelle weitergehen. Es ist auch nach einer Information der Gemeinden gerufen worden. Wir sind der Auffassung, dass es nicht die Aufgabe des Bundes ist, die 3000 Gemeinden der Eidgenossenschaft direkt zu informieren.
  7. Die Bevölkerung soll ganz allgemein über Radioaktivität besser informiert werden. Es schwebt uns hier die Herausgabe einer Broschüre vor, wie wir das für den Fall der Aids getan haben.
  8. Es sind Notfallkonzepte für die ganze Bevölkerung zu erstellen.
  9. Es bedarf einer genaueren Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Anordnung von Massnahmen und dem Vollzug, auch hinsichtlich des Einsatzes von militärischen Formationen und solchen des Zivilschutzes.
  10. Die Frage ist zu klären, wie sich radioaktive Strahlung auf Nahrungsmittel auswirkt, insbesondere auf Nahrungsmittel, auf Pflanzen, die im Freien wachsen.
  11. Die Frage der Entschädigung ist zu klären, und zwar nach zwei Richtungen:
    a. Kann die Sowjetunion für all das verantwortlich gemacht werden, was in der Schweiz und auch in anderen Ländern geschehen ist?
    b. Wie sind jene zu entschädigen, die einen Ausfall in ihrer Produktion und in ihrem Umsatz zufolge der Empfehlungen der Kommission für AC-Schutz erlitten haben?
  12. Internationale Kontakte, die dringend notwendig sind zur Herbeiführung von Harmonisierungen, sind in drei Richtungen aufzunehmen:
    a. Einmal eine Harmonisierung der Messeinheiten für die radioaktive Strahlung,
    b. Eine Harmonisierung der verschiedenen Toleranzgrenzen, wie sie heute noch herrschen und
    c. Auch eine Harmonisierung im Grad der Sicherheit der Kernkraftwerke.

Zu diesen Verbesserungsmöglichkeiten gehörten der Ausbau der Informationstätigkeiten von den Behörden zuhanden der Öffentlichkeit und die Information innerhalb der Kantone. Eine Informationszentrale wurde bei der Bundeskanzlei geschaffen. Sie musste nun bei ausserordentlichen Lagen eingesetzt werden.

Videointerview zur Krisenkommunikation (Untertitel auf Deutsch)

Bernard Michaud, ehemaliger Vizedirektor des Bundesamts für Gesundheit, hat die Detektion der radioaktiven Wolke als Leiter der Sektion Strahlenschutz erlebt. Er erklärt in diesem Video, wie die Krisenkommunikation geführt wurde.

Im Rahmen einer Antwort auf die Interpellation von Ständerätin Monika Weber „Informationspraxis des Bundesrates in ausserordentlichen Situationen“ bekräftigte der Bundesrat 1988: „Wichtig erscheint dem Bundesrat, das Vertrauen der Bevölkerung auch in solchen schwierigen Situationen weiterhin zu behalten. Dieses Vertrauen ist durch eine offene, ehrliche, vollständige und verständliche Informationspolitik Tag für Tag neu zu bestätigen.“ Er betonte auch in diesem Zusammenhang, dass die international unterschiedlichen Grenzwerte zu einer Verunsicherung der Bevölkerung beigetragen hatten.

Neue Abkommen zur gegenseitigen Information

Bundesrat Leon Schlumpf erklärte am 9. Juni 1986 im Rahmen der parlamentarischen Fragestunde: „Zwischen der Schweiz und Italien ist noch kein bilaterales Abkommen über die gegenseitige Orientierung bei radiologischen Zwischenfällen abgeschlossen worden; Gespräche darüber sind aber seit geraumer Zeit im Gange. Italien ist bereit, auf der Basis der Übereinkommen unseres Landes mit der Bundesrepublik und mit Frankreich auch ein entsprechendes bilaterales Abkommen abzuschliessen. Im Herbst dieses Jahres findet eine weitere Gesprächsrunde statt. Mit Österreich gibt es keine diesbezüglichen Abmachungen.“

Neue Abkommen zur gegenseitigen Information wurden nach dem Unfall Tschernobyl abgeschlossen.
Neue Abkommen zur gegenseitigen Information wurden nach dem Unfall Tschernobyl abgeschlossen.

Das Abkommen zwischen dem schweizerischen Bundesrat und der italienischen Regierung über den frühzeitigen Informationsaustausch bei nuklearen Zwischenfällen wurde 1989 abgeschlossen. Das «Nuklearinformationsabkommen» zwischen dem Bundesrat und der österreichischen Regierung wurde schliesslich 1999 unterzeichnet.

Die Schweiz hatte bereits 1978 mit der Bundesrepublik Deutschland und im Jahr darauf auch mit Frankreich je ein bilaterales Abkommen über die gegenseitige Orientierung bei radiologischen Zwischenfällen abgeschlossen.

In diesen Abkommen haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, sich gegenseitig über alle radiologischen Notfallsituationen auf ihrem jeweiligen Territorium, die auch das Nachbarland berühren könnten, zu informieren. Im Abkommen mit Frankreich ist diese Verpflichtung auf Notfallsituationen infolge ziviler Tätigkeiten beschränkt. Derartige Notfallmeldungen sollen Angaben über Zeit, Ort, Art und Umfang des Ereignisses sowie die im eigenen Land getroffenen Schutzmassnahmen enthalten.

Das ist der dreizehnte von sechzehn Teilen zur Geschichte des Unfalls Tschernobyl.