Trinkwasser vor radioaktiver Kontamination geschützt
Die bestehenden Abläufe im Notfallschutz reichen bei einem Extremereignis in einem Schweizer Kernkraftwerk aus, um das Trinkwasser zu schützen. Dies geht aus den verschiedenen Abklärungen hervor, die auf Grund von Anfragen aus dem Parlament und von Trinkwasserwerken sowie im Rahmen des Aktionsplans Fukushima des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI durchgeführt wurden.
Bei einem Extremereignis in einem schweizerischen Kernkraftwerk könnten radioaktive Stoffe via Grundwasser, Aare oder Rhein in das Trinkwasser gelangen. Verschiedene Schutzmassnahmen sollen eine solche Kontamination verhindern. Dazu müssen beispielsweise Trinkwasseraufbereitungen flussabwärts vorsorglich unterbrochen werden.
Weitere Überprüfungen abgeschlossen
Nach dem Reaktorunfall in Fukushima identifizierte das ENSI das Thema der grossen Mengen radioaktiver Wässer, die bei einem Störfall in einem Kernkraftwerk anfallen können, als eines der Prüfpunkte. „Wir haben deshalb zusammen mit den Notfallschutzpartnern die bestehenden Abläufe und Massnahmen im Notfallschutz hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zum Schutz des Trinkwassers überprüft“, erklärt Rosa Sardella, Leiterin des Fachbereichs Strahlenschutz beim ENSI.
Beteiligte Amtsstellen
- Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI
- Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
- Bundesamt für Umwelt BAFU
- Bundesamt für Gesundheit BAG
- Kanton Aargau
- Kanton Basel-Landschaft
- Kanton Basel Stadt
- Kanton Bern
- Kanton Freiburg
- Kanton Neuenburg
- Kanton Solothurn
- Kanton Waadt
2013 kam das ENSI zum Schluss, dass die gesetzlichen Regelungen und die bestehenden Abläufe und Massnahmen des Notfallschutzes geeignet sind, um die Menschen und die Umwelt bei einer unkontrollierten Abgabe von radioaktiven Stoffen in das Grundwasser und Fliessgewässer zu schützen. In einigen wenigen Punkten wurde jedoch Überprüfungsbedarf festgestellt. Diese Punkte wurden in vier Arbeitspakete zusammengefasst, welche nun beendet werden konnten.
Grundwasser in der Schweiz besser geschützt als in Fukushima
„Selbst bei einem Extremereignis mit Kernschmelze wird es keine grösseren Kontaminationen von Grundwasser und Fliessgewässern als bei Auslegungsstörfällen geben“, fasst Rosa Sardella das Ergebnis der Überprüfungen im Arbeitspaket 1 zusammen. Die Robustheit der Reaktorgebäude und die wirksamen Notfallschutzmassnahmen verhindern dies wirkungsvoll.
Auch die Situation in Fukushima, wo permanent Grundwasser in das Reaktorgebäude eindringt und zu einem grossen Anfall an radioaktiv kontaminierten Wasser führt, ist aufgrund der Grundwassersituation an den Standorten und der Robustheit der Reaktorgebäude nicht auf Schweizer Kernkraftwerke übertragbar. Das ENSI erachtet daher weitere Vorsorgemassnahmen hinsichtlich Rückhaltung und Aufbereitung radioaktiv kontaminierten Wassers als nicht angemessen.
ENSI passt Schwelle für Meldepflicht an und erarbeitet Faustregeln
Weiter hat das ENSI im Rahmen des Arbeitspakets 3 zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit BAG und der Nationalen Alarmzentrale NAZ die radiologischen Kriterien für die Alarmierung und die Sofortmassnahmen erarbeitet, sollten radioaktive Stoffe in die Aare oder den Rhein gelangen. „Als Ergebnis dieser Überprüfung haben wir, damit die Schweiz ihre Verpflichtung im Rahmen des Warndienstes Rhein vollumfänglich erfüllen kann, die Schwelle für die Meldepflicht für geplante Tritiumabgaben herabgesetzt“, sagt Rosa Sardella. Die revidierte Fassung der Richtlinie ENSI-B03 wird voraussichtlich Anfang 2017 in Kraft treten.
Zusätzlich hat das ENSI Faustregeln erarbeitet, um die Aktivitätskonzentrationen und Fliesszeiten nach einem KKW-Unfall mit einer Angabe von radioaktiven Stoffen in Aare beziehungsweise Rhein abzuschätzen. „Dank dieser Faustregeln können wir die Nationale Alarmzentrale NAZ bei der Anordnung von geeigneten Schutzmassnahmen noch besser beraten“, erklärt Rosa Sardella.
Verbesserung der Meldewege
Unter der Federführung des Bundesamts für Bevölkerungsschutz BABS wurden im Arbeitspaket 2 die Meldewege überprüft. Dabei zeigte sich, dass die etablierten Prozesse weitgehend genügen, gewisse Prozessabläufe jedoch zu ergänzen beziehungsweise zu optimieren sind. Das BABS plant im 1. Quartal 2017 die Alarmierungsprozesse und Meldewege bei einer Abgabe von radioaktiven Stoffen in die Fliessgewässer mittels einer Alarmierungsübung zu verifizieren. Im Anschluss daran sind periodische Alarmierungsübungen vorgesehen.
Ergänzendes Messnetz zur Radioaktivitätsüberwachung in Flüssen
Das Bundesamt für Gesundheit BAG hat im Arbeitspaket 4 die bestehenden Umgebungsüberwachungsprogramme in Zusammenarbeit mit dem ENSI überprüft und als Ergebnis zusätzliche Messsonden zur automatischen Überwachung der Radioaktivität im Flusswasser (URAnet aqua) in Betrieb genommen. Die Messsonden befinden sich in Radelfingen, Hagneck, Aarau, Laufenburg und Basel. Nach einer Testphase ist das Messnetz seit November 2015 operativ. Die Daten sind online einsehbar.