Strahlenschutz-Serie: Die Entwicklung der Kernenergie

Nach der Entdeckung der Kernspaltung gingen die Entwicklungen sowohl in der kriegerischen Nutzung wie auch in der friedlichen Verwendung der Kernenergie rasant voran. Damit wurde auch der Strahlenschutz immer wichtiger. Vor allem mit der Katastrophe in Tschernobyl wurde dieser stark vorangetrieben.

Exponential pile. At least 29 exponential piles were constructed in 1942 under the West Stands of Stagg Field. Credit: U.S. Department of Energy, Historian's Office. This image is in the Public Domain.
Einer von 29 Stapel-Versuchen des Chicago Pile 1 Projekts – Graphitklötze, welche die bei der Kernspaltung im Inneren des Blocks entstehenden Neutronen abbremsen und nach innen reflektieren (Quelle: Wikipedia)

Die erste experimentell nachgewiesene Kernspaltung 1938 in Berlin ist eine der folgenreichsten Entdeckungen in der Geschichte der Naturwissenschaften. Der Chemiker Otto Hahn und sein Assistent Fritz Strassmann führten ein Experiment durch, bei dem sie Uran mit Neutronen bestrahlten. Dabei entstanden Spaltprodukte des Urans. Auf der Basis dieses Experimentes veröffentlichte die österreichische Kernphysikerin Lise Meitner zusammen mit ihrem Neffen Otto Frisch 1939 die erste physikalisch-theoretische Erklärung der Kernspaltung.

Die Entwicklung des ersten Reaktors

Die erste kontrollierte Kernspaltungskettenreaktion fand 1942 in den USA statt. Der italienische Physiker Enrico Fermi leitete das Projekt „Chicago Pile 1“, das als Teil des Manhattan-Projekts den Bau von Kernwaffen als Ziel hatte.

Chicago Pile 1 entstand unter einer stillgelegten Tribüne des Football-Stadions der Universität von Chicago und kann als der weltweit erste funktionierende Kernreaktor bezeichnet werden. Das darin gebrütete Plutonium sowie die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem Betrieb dieses Reaktors flossen in die Entwicklung und den Bau der ersten Atombomben ein.

Die ersten Atombomben und ihre Folgen

Der erste Test einer Atombombe erfolgte im Juli 1945 in der Wüste von New Mexiko in den USA. Im August 1945 wurden mit den Atombombenabwürfen in den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki die katastrophalen Auswirkungen von Kernenergie als Kriegswaffe weltweit offensichtlich. Bei den Explosionen wurden schätzungsweise 90‘000 Menschen durch die Wirkung der Druck- und Hitzewelle sofort getötet, in den Jahren danach starben viele weitere Betroffene an Folgeschäden der ionisierenden Strahlung.

Die bei der Explosion erzeugten radioaktiven Stoffe mit Halbwertszeiten von mehreren Jahren verteilten sich weltweit in der Atmosphäre und wurden als radioaktiver Niederschlag (Fallout) auf der Erdoberfläche abgelagert.

Die Phase der oberirdischen Atombombentests

In den 1950er- und 1960er-Jahren zündeten vor allem die USA und die damalige Sowjetunion zahlreiche Atombomben zu Testzwecken zunächst oberirdisch. Die weltweite radioaktive Belastung durch Fallouts verstärkte sich dadurch markant.

1963 unterzeichneten Grossbritannien, die damalige Sowjetunion und die USA aus Strahlenschutzgründen den Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser. Die zuvor fast auf das Doppelte der natürlichen Höhe angestiegene Konzentration radioaktiver Stoffe in der Atmosphäre ging nach Inkrafttreten des Vertrages schnell wieder zurück. Jedoch kann ein Grossteil der radiologischen Ablagerungen auf dem Boden und in Sedimenten bis heute nachgewiesen werden.

Nutzung der Kernenergie

Neben der Kernenergie als Kriegswaffe wurde aber auch deren kommerzielles Potenzial erkannt. 1951 wurde an einem Forschungsreaktor in den USA erstmals aus Kernenergie elektrischer Strom für vier Glühbirnen erzeugt. Die grosstechnische Erzeugung von Strom gelang 1954 in einem russischen Kraftwerk. Das erste Kernkraftwerk für die kommerzielle Stromerzeugung wurde 1956 in Grossbritannien in Betrieb genommen.

Entwicklung des Strahlenschutzes

Dass auch die friedliche Nutzung der Kernenergie Gefahren birgt, wurde durch einige gravierende Unfälle in Kernanlagen offensichtlich, insbesondere durch die Katastrophen in Tschernobyl 1986 (vgl. Artikelserie Tschernobyl) und in Fukushima 2011. In der Folge wurden die Schutzmassnahmen in der Kernenergienutzung strenger, und vor allem nach Tschernobyl gewann der Strahlenschutz starkes öffentliches Interesse. Unter anderem erhielten die Forschung sowie die Aufsicht bezüglich Strahlenschutz mehr Gewicht und finanzielle Unterstützung. Der Erfahrungsaustausch wurde verstärkt, internationalen Empfehlungen wurde vermehrt gefolgt und nationale Gesetzgebungen wurden aktualisiert.

 

Dies ist der dritte von 14 Teilen der Artikelserie zum Thema Strahlenschutz. Im vierten Teil geht es um die Unterscheidung verschiedener Strahlenarten.