KKL: Befunde an Brennelementen – verstärkte Oxidation an Hüllrohren von Brennstäben vom 12. August 2016

Betroffenes Werk / Titel

KKW Leibstadt: Befunde an Brennelementen – verstärkte Oxidation an Hüllrohren von Brennstäben

Datum / Zeit

12. August 2016

Sachverhalt

2015 hat das Kernkraftwerk Leibstadt nach einer umfangreichen Ursachenanalyse festgestellt, dass ein Brennstabschaden aus dem Jahr 2014 auf verstärkte Oxidation durch Dryout zurückzuführen ist. Das betroffene Brennelement befand sich in seinem ersten Zyklus im Reaktor. In der Jahreshauptrevision 2015 wurde erneut an einigen Brennelementen der ersten Standzeit verstärkte Oxidation an einzelnen Hüllrohren festgestellt, ohne dass es zu einem Brennstabschaden kam. Um Dryout-Zustände hochbelasteter Brennelemente im Folgezyklus zu vermeiden, wurde die Leistungsverteilung im Kern abgeflacht und der CPR-Grenzwert erhöht. In der Jahreshauptrevision 2016 wurden gezielt Brennelemente visuell inspiziert, die sich in ihrem ersten Zyklus im Reaktor befunden hatten. Dabei wurde im August 2016 an einer grösseren Anzahl von Brennstäben verstärkte Oxidation festgestellt. Das KKL hat daraufhin den Inspektionsumfang nochmals erweitert und insgesamt über 200 Brennelemente aus verschiedenen vorangegangenen Zyklen und von unterschiedlichen Brennelementherstellern untersucht. Zusätzlich durchgeführte Oxidschichtdickenmessungen ergaben Werte bis etwa 260 Mikrometer.

Die Brennelemente mit Befunden weisen verschiedene gemeinsame Merkmale auf:

  • Brennelementtyp und Hersteller.
  • Auftreten im ersten Jahr des Einsatzes im Reaktor.
  • Die verstärkte Oxidation trat im oberen Teil der Brennstäbe auf, unterhalb des obersten bzw. zweitobersten Abstandshalters.
  • Betroffen sind zu Brennelementecken benachbarte Brennstäbe.
  • In diesen Ecken befinden sich im unteren Teil teillange Brennstäbe.
  • Die Bereiche der verstärkten Oxidation sind bis zu 260 mm lang.
  • Nur ein kleiner Teil des Umfangs der Brennstäbe ist betroffen.
  • Lage des Bereichs der verstärkten Oxidation auf dem Umfang der Brennstäbe

 

Ursachen

Die direkte Ursache für das Auftreten einer erhöhten Oxidation ist das Erreichen des kritischen Siedezustandes an der Hüllrohroberfläche. In diesem Zustand ist die Hüllrohroberfläche im Betrieb nicht mehr mit einem Kühlmittelfilm benetzt (Dryout), wodurch es lokal zu einem starken Anstieg der Oberflächentemperatur kommt. Die erhöhte Oberflächentemperatur bewirkt eine verstärkte Oxidation des Hüllrohrmaterials.

Die Ursachenanalyse, warum es zum Dryout kommen konnte, ist noch nicht abgeschlossen. Mögliche Einflussfaktoren sind:

  • Konstruktionsmerkmale der Brennelemente.
  • Anreicherung des Brennstoffs in den einzelnen Brennstäben.
  • Position der betroffenen Brennelemente im Reaktor.
  • Kernauslegung und Berechnung des Abstands vom kritischen Siedezustand.
  • Leistungsverteilung und thermohydraulische Bedingungen während des Betriebszyklus.

Einstufung (nach Richtlinie ENSI-B03)

INES: Stufe 1

Massnahmen des Betreibers

Brennstäbe, die lokal so stark oxidiert waren, dass sie nach den Vorgaben des Brennelementherstellers nicht mehr für den Wiedereinsatz tauglich waren, wurden ersetzt. Der Ersatz erfolgte im Hinblick auf einen möglichen Wiedereinsatz der betroffenen Brennelemente. Die Ersatzstäbe bestehen aus Zirkonium, dem auch für die Hüllrohre verwendeten Grundmaterial. Sie enthalten kein spaltbares Material.

Das KKL hat zusammen mit dem Hersteller der betroffenen Brennelemente die Inspektionsergebnisse analysiert und bewertet, um hieraus sichere Auslegungs- und Betriebsbedingungen für den nächsten Zyklus zu definieren.

Das KKL hat den Kern neu ausgelegt. Der Freigabeantrag für die vorgesehene neue Kernbeladung wurde dem ENSI eingereicht.

Das KKL führt zusammen mit verschiedenen externen Einrichtungen die Untersuchungen zur Ursachenfindung fort.

Massnahmen des ENSI

Das ENSI hat das KKL aufgefordert, die Kernauslegung und den Reaktorbetrieb so zu konfigurieren, dass kritische Siedezustände im Normalbetrieb (Sicherheitsebene 1), bei Betriebsstörungen (Sicherheitsebene 2) sowie bei Auslegungsstörfällen (Sicherheitsebene 3) der Störfallkategorien 1 und 2 gemäss Verordnung des UVEK (SR 732.112.2) ausgeschlossen werden können.

Das ENSI verlangt vom KKL einen Bericht zur Entsorgungsfähigkeit der Brennstäbe (bzw. der sie enthaltenden Brennelemente), deren Oxidschichtdicken höher als die für den Zielabbrand am Ende der vorgesehenen Einsatzdauer spezifizierten Werte sind. Dabei sind Transport, Zwischenlagerung, Endlagerung und Menge zu betrachten.

Das ENSI verlangt vom KKL, eine vertiefende Analyse unter Berücksichtigung von menschlichen und organisatorischen Aspekten durchzuführen und die Ergebnisse dem ENSI einzureichen.

Das ENSI behält sich vor, aufgrund möglicher weiterer Erkenntnisse aus dem Vorkommnis zusätzliche Forderungen zu erheben.

Beurteilung durch das ENSI

Die festgestellten Befunde an den Brennelementen führten nicht zu einer Freisetzung von radioaktiven Stoffen in den Kühlkreislauf und es wurden keine radiologischen Grenzwerte überschritten. Es kam auch nicht zu einem Ansprechen von Sicherheitseinrichtungen. Ein Versagen eines Hüllrohrs während des Leistungsbetriebs wäre durch die permanente radiologische Prozessüberwachung umgehend erkannt worden. Der Betrieb der Anlage wurde nicht beeinträchtigt. Die sicherheitstechnische Bedeutung des Vorkommnisses wird jedoch gesamthaft als wesentlich für die nukleare Betriebsführung eingestuft, weil es im Normalbetrieb zu einer Überschreitung der Siedeübergangsleistung an einzelnen Brennstäben gekommen ist. Das Vorkommnis führte zu einer geringfügigen Reduktion der nuklearen Sicherheit.

Eine Bewertung der menschlichen und organisatorischen Aspekte, die zu diesem Vorkommnis geführt oder es zumindest begünstigt haben, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorgenommen werden.

Kriterium für die Aufschaltung auf der ENSI-Website

INES-Stufe 1 oder höher

Das ENSI informiert die Öffentlichkeit in seinem jährlichen Aufsichtsbericht über sämtliche meldepflichtigen Vorkommnisse im Bereich der nuklearen Sicherheit. Über Vorkommnisse, die eines der folgenden Kriterien erfüllen, informiert das ENSI auf der Website laufend:

  • INES-Stufe 1 oder höher
  • Auslösung von Sicherheitssystemen
  • Vorkommnis, das mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 1 zu 100 Millionen zu einem Kernschaden führt
  • Inkorporation radioaktiver Stoffe mit einer Folgedosis von mehr als 1 mSv

Stand: 19. Dezember 2016