Strahlenschutz-Serie: Biologische Wirkung von ionisierender Strahlung

Ionisierende Strahlung kann sowohl kurzfristige als auch langfristige Schäden verursachen. Die jährliche durchschnittliche Strahlenexposition zwischen 1 und 5 Millisievert (mSv), die in der Schweiz durch natürliche und künstlich erzeugte Strahlung verursacht wird, liegt aber weit unter der Dosis, ab welcher gesundheitliche Schäden bei Menschen nachgewiesen werden können.

Die Gefährlichkeit der Strahlung, die von radioaktiven Stoffen ausgesendet wird, ist weitgehend bekannt. Ionisierende Strahlung kann lebende Zellen schädigen, indem sie ihre Erbsubstanz (DNS) verändert. Diese Veränderungen der DNS können Mutationen zur Folge haben. Durch solche Mutationen kann später auch Krebs entstehen. Wenn die Schädigungen, besonders bei höheren Dosen, zu gross sind, können die betroffenen Zellen auch absterben.

Menschliche Zellen sind darauf vorbereitet, Schädigungen der DNS reparieren zu können. Allerdings können die natürlichen Reparatursysteme überfordert sein oder versagen, wenn die Zelle zu stark geschädigt ist oder wenn die Reparatursysteme selbst nicht richtig funktionieren. Wichtig ist ausser der Höhe der Dosis auch das Zusammenwirken der Strahlung mit anderen Faktoren wie z.B. Nikotin. Genetisch vorbelastete Menschen können auch bei kleineren Dosen stärker auf Strahlen reagieren als andere auf grössere Dosen.

Dosis als Mass der Schädigung

Die Strahlenexposition wird meist in der Einheit Sievert angegeben. Die effektive Dosis in Sievert bezeichnet die Summe der absorbierten Energie pro Kilogramm Körpergewebe, multipliziert mit Wichtungsfaktoren, welche die biologische Wirkung der verschiedenen Strahlenarten sowie die unterschiedliche Strahlensensibilität der einzelnen Organe und des Gewebes berücksichtigen. Da eine Dosis von einem Sievert ein sehr grosser Wert ist, werden die üblicherweise vorkommenden Dosen häufig in Millisievert oder Mikrosievert angegeben. Mehr Informationen zur Dosis und zur Strahlenwirkung können hier nachgelesen werden.

Schädigung des Organismus durch Strahlung

Strahlenwirkungen werden in deterministische und stochastische Wirkungen eingeteilt:

  • Deterministische Strahlenwirkungen treten sofort oder innerhalb kurzer Zeit nach der Exposition und erst oberhalb einer gewebespezifischen Schwellendosis auf. Oberhalb dieser Schwellendosis sind die Symptome umso schwerwiegender, je höher die Dosis war. Typische Symptome betreffen Hautschädigungen, das Blutbild, die Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes und die Luftwege. Anhand der Symptome kann rückwirkend auf die Höhe der Dosis zurückgeschlossen werden. Eine akute Exposition von 6 bis 10 Sievert führt beim Menschen ohne medizinische Behandlung zum Tod.
  • Stochastische Strahlenwirkungen können erst Jahre oder Jahrzehnte nach der Exposition auftreten. Mit der Höhe der Dosis steigt nicht der Schweregrad der Strahlenschäden, sondern die Wahrscheinlichkeit, dass Schäden auftreten. Eine Strahleneinwirkung im Zellkern kann auch Veränderungen wie Mutationen auslösen, welche an nachfolgende Zellgenerationen weitergegeben werden. Diese können auch Jahre später noch zu bösartigen Zellveränderungen wie Krebs führen.

Auswirkungen kleiner Dosen

Zur Auswirkung kleiner Dosen gibt es verschiedene Studien, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Eine 2007 veröffentlichte Studie aus Deutschland zeigte bei Kindern, die im Umkreis von fünf Kilometern von Kernkraftwerken (KKW) wohnen, ein mehr als zweifach erhöhtes Krebsrisiko – insbesondere für Leukämie bei Kleinkindern. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Strahlenexposition aus den KKW und dem erhöhten Risiko konnte von den Autoren der Studie aber bei diesen kleinsten Dosen nicht hergestellt werden.

Im Anschluss daran gab die Krebsliga Schweiz zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit BAG bei einem unabhängigen Expertengremium die CANUPIS-Studie („Childhood Cancer and Nuclear Power Plants in Switzerland“) in Auftrag. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen auf, dass die Häufigkeit von Krebserkrankungen und Leukämie bei Kindern in der Nähe von Kernkraftwerken in der Schweiz statistisch nicht signifikant höher ist als bei weiter entfernt wohnenden Kindern. Die Resultate der Studie beziehen sich auf den Normalbetrieb, nicht auf eine nukleare Katastrophe wie beispielsweise Tschernobyl oder Fukushima.

Strahlenexposition in der Schweiz

Im Durchschnitt ist die Schweizer Bevölkerung einer Exposition von ca. 1 bis 5 mSv pro Jahr ausgesetzt. Dieser Wert setzt sich zusammen aus kosmischer Strahlung, terrestrischer Strahlung, Exposition durch medizinische Anwendungen sowie durch Kernkraftwerke. Häufige Langstrecken-Flugreisende können bei ca. 40 Flugstunden pro Jahr eine zusätzliche Strahlenexposition von 0,2 mSv erhalten.

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Mittlere Strahlenbelastung der Schweizer Bevölkerung

 

 

 

Dies ist der sechste von 14 Teilen der Artikelserie zum Thema Strahlenschutz. Im siebten Teil geht es um die Grundsätze des Strahlenschutzes.

 

Die Grafik „Vergleich von Strahlendosen“ wurde am 1. März 2017 aktualisiert.