Bundesrat ist für verschärfte Verordnung über Notfallschutz in Umgebung von Kernanlagen

Der Bundesrat hat heute die Vernehmlassung zur Totalrevision der Verordnung über den Notfallschutz in der Umgebung von Kernanlagen (Notfallschutzverordnung, NFSV) eröffnet. Nach der Revision soll unter anderem ein schwerwiegenderes Referenzszenario gelten, das einen Störfall mit schwerem Kernschaden bei Versagen des Containments und einer ungefilterten Freisetzung von Radioaktivität behandelt. 

Die Medienmitteilung des Bundesrats im Wortlaut:

Bern, 02.06.2017 – Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 2. Juni 2017 die Vernehmlassung zur Totalrevision der Verordnung über den Notfallschutz in der Umgebung von Kernanlagen (Notfallschutzverordnung, NFSV) eröffnet. Die Revision sieht verschärfte Planungsannahmen vor. Neu soll ein schwerwiegenderes Referenzszenario (Annahme eines möglichen Ereignisses) gelten, bei dem eine grössere Menge an Radioaktivität freigesetzt werden könnte. Damit wird die Verordnung an die von der interdepartementalen Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Notfallschutzmassnahmen bei Extremereignissen in der Schweiz (IDA NOMEX) erarbeiteten Grundlagen angepasst. Die Vernehmlassung dauert vom 2. Juni 2017 bis zum 25. September 2017.

Die Verordnung über den Notfallschutz in der Umgebung von Kernanlagen regelt den Notfallschutz für Ereignisse in schweizerischen Kernanlagen, bei denen eine erhebliche Freisetzung von Radioaktivität nicht ausgeschlossen werden kann.

Aufgrund der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima setzte der Bundesrat am 4. Mai 2011 die interdepartementale Arbeitsgruppe IDA NOMEX ein. Sie sollte prüfen, ob und wie die bestehenden gesetzlichen und organisatorischen Massnahmen im Bereich des Notfallschutzes angepasst werden müssen. Dazu gehört auch die Notfallschutzplanung in der Umgebung von Kernanlagen. Die von IDA NOMEX erarbeiteten Grundlagen bilden die Basis für den vorliegenden Entwurf der Totalrevision der NFSV.

Wichtigste Punkte der Revision

Verschärfung der Planungsannahmen: Im Rahmen der Arbeiten von IDA NOMEX wurden die sogenannten Referenzszenarien überprüft. Diese beschreiben potentielle Ereignisse und ihre Auswirkungen. Im Notfallschutz dienen Referenzszenarien dazu, verbindliche Vorgaben für die Bereitschaft festzulegen und diese so zu stärken, dass ein Vorkommnis optimal bewältigt werden kann. Neu soll das Referenzszenario A4 bei mittlerer Wetterlage (bisher: A2, gefilterte Freisetzung) gelten (siehe Kasten). Das führt zu einer grundsätzlichen Verschärfung der Planungsannahmen, da man neu von grösseren Mengen von ungefiltert freigesetzter Radioaktivität ausgeht. Dadurch können Notfallschutzmassnahmen in einer Distanz von deutlich über 20 km (Zone 2) erforderlich werden. So können auch in der bisherigen Zone 3 (übrige Schweiz) Massnahmen notwendig und entsprechend mehr Akteure involviert werden.

Regelung der Evakuierung: Neu soll der grossräumigen Evakuierung ein grösseres Gewicht beigemessen werden. Zudem wird unter anderem die Unterbringung und Versorgung der Evakuierten geregelt.

Terminologische Anpassungen: Die bisherigen «Zonen» heissen neu «Notfallschutzzonen». Die «Zone 3» (Gebiet der übrigen Schweiz) existiert in dieser Form nicht mehr. Zudem wird der Begriff der «Planungsgebiete» eingeführt für Vorbereitungen im Hinblick auf einen Unfall in einem Kernkraftwerk.


Erarbeitung der Revision durch Bund und Kantone

Die Erarbeitung des vorliegenden Entwurfs der neuen NFSV erfolgte in einer Arbeitsgruppe von Bund (Bundesamt für Energie, Bundesamt für Bevölkerungsschutz, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat), Kernkraftwerk-Standortkantonen sowie der Zone 2-Kantone (vertreten durch den Kanton Aargau), der Zone 3-Kantone (vertreten durch den Präsidenten der Koordinationsplattform ABC der Kantone) und der Kernkraftwerksbetreiber (vertreten durch die Gruppe der schweizerischen Kernkraftwerksleiter).

Szenario A4

Störfall mit schwerem Kernschaden bei Versagen des Containments und einer ungefilterten Freisetzung von Radioaktivität.

Notfallschutzzonen

Notfallschutzzonen dienen der Anordnung und dem Vollzug von Schutzmassnahmen, um akute Strahlenerkrankungen zu vermeiden sowie die Anzahl der Strahlenspätschäden möglichst gering zu halten. Zu diesem Zweck weisen sie vordefinierte Automatismen auf, die eine schnelle Umsetzung der vorbereiteten Massnahmen erlauben. Um jedes Kernkraftwerk sind zwei Notfallschutzzonen festgelegt: Notfallschutzzone 1 – Je nach Kernkraftwerk umfasst die Notfallschutzzone 1 einen Radius zwischen 3 bis 5 km. Notfallschutzzone 2 – Die Notfallschutzzone 2 schliesst an die Notfallschutzzone 1 an und umfasst ein Gebiet mit einem äusseren Radius von rund 20 km. Übrige Schweiz (bisherige Zone 3) – Das Gebiet ausserhalb der Notfallschutzzonen 1 und 2 umfasst die übrige Schweiz.