Entsorgungsprogramm 2016: ENSI stellt 11 Anträge für Auflagen

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat das Ende 2016 von der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle Nagra eingereichte Entsorgungsprogramm 2016 geprüft. In seiner Stellungnahme kommt das ENSI nun zum Schluss, dass die Nagra den gesetzlichen Auftrag erfüllt hat. Das ENSI stellt 11 Auflagenanträge zuhanden des Bundesrats für die zukünftigen Entsorgungsprogramme.

Die Kernenergiegesetzgebung verlangt von den Entsorgungspflichtigen alle 5 Jahre die Einreichung eines Entsorgungsprogramms. Damit können neue Erkenntnisse und die aus den behördlichen Stellungnahmen stammenden Empfehlungen und Kommentare berücksichtigt werden. Der Verfügung des Bundesrats zum Entsorgungsprogramm 2008 folgend, reichte die Nagra zusammen mit dem Entsorgungsprogramm (EP) einen Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrations-Plan (RD&D-Plan) ein.

Prüfung des Entsorgungsprogramms

Das ENSI hat das eingereichte Entsorgungsprogramm und den RD&D-Plan geprüft. Im Rahmen der Prüfung wurden alle Auflagen zum Entsorgungsprogramm 2008 hinsichtlich ihrer Erfüllung bewertet. Das ENSI hat auf Basis der jetzt geprüften Unterlagen für die zukünftigen Entsorgungsprogramme weitere Auflagenanträge formuliert. Aspekte, deren sicherheitstechnische Relevanz von geringerer Bedeutung ist und die im Rahmen der laufenden Aufsichtstätigkeit behandelt werden, sind in einer separaten Aktennotiz (ENSI 33/593) aufgeführt. Das ENSI kommt zum Schluss, dass die Nagra den gesetzlichen Auftrag erfüllt hat.

Realisierung von Tiefenlagern

Die von der Nagra in den Lagerkonzepten pro Lagertyp vorgesehenen Systeme gestaffelter, passiv wirkender technischer und natürlicher Barrieren beurteilt das ENSI als geeignet, um den gesetzlich geforderten dauernden Schutz von Mensch und Umwelt vor der ionisierenden Strahlung radioaktiver Abfälle zu gewährleisten. Der Grundsatz, dass sowohl die technischen als auch die geologischen Barrieren in signifikantem Masse zur Barrierenwirkung des Gesamtsystems beitragen, entspricht den behördlichen Vorgaben (ENSI-G03).

Im Rahmen der Detailprüfung in Etappe 2 des Sachplans Geologische Tiefenlagen wurden die Lagerkonzepte der Nagra geprüft. Mit fortschreitender Konkretisierung der Projekte für die geologischen Tiefenlager im Rahmen des Sachplanverfahrens und der weiteren Bewilligungsverfahren müssen die Lagerauslegung stufengerecht verfeinert und an die lokalen Bedingungen angepasst sowie die Eignung der verschiedenen Varianten geprüft werden. Die abschliessende Auslegung der Lager (Anordnung der untertägigen Lagerkammern, Ausgestaltung der technischen Barrieren) ist auf die detaillierten Befunde der erdwissenschaftlichen Untersuchungen untertag, die Resultate aus den künftigen RD&D-Plänen und die Erfahrungen aus ausländischen Programmen abzustimmen.

Das ENSI kommt in seiner Prüfung und Beurteilung zum Schluss, dass die Entsorgungspflichtigen die gesetzlichen und behördlichen Vorgaben im vorgeschlagenen Plan zur Realisierung von Tiefenlagern korrekt berücksichtigt haben. Der Realisierungsplan bildet die aufeinanderfolgenden nuklearen Bewilligungsverfahren korrekt und transparent ab; dies gilt auch für das Verfahren zur Standortwahl. Zu einigen Aspekten gibt es weiterbestehende Auflagen und neue Auflagenanträge.

Prüfung des Forschungs- und Entwicklungsbedarfs

Im aktuellen RD&D-Plan erläutert die Nagra die geplanten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten für die nächsten 5 bis 10 Jahre, also bis zur geplanten Einreichung des Rahmenbewilligungsgesuchs, im Detail. Aktivitäten für den weiter in der Zukunft liegenden Zeitraum werden allgemeiner beschrieben. Das ENSI weist darauf hin, dass RD&D-Aktivitäten, welche bis zum Einreichen des Rahmenbewilligungsgesuchs abgeschlossen sein müssen, bereits in den kommenden 5 bis etwa 8 Jahren beendet werden müssen, um zu gewährleisten, dass die Ergebnisse noch auf Stufe Rahmenbewilligungsgesuch berücksichtigt werden können. Das ENSI hat diesbezügliche Empfehlungen in seiner Aktennotiz ENSI 33/593 festgehalten und konkrete Anforderungen spezifiziert.

Um eine fristgemässe Realisierung der geologischen Tiefenlager zu ermöglichen, ist der Forschungsbedarf zu identifizieren sowie der Zeitrahmen der zukünftigen RD&D-Aktivitäten veranschlagte Zeitrahmen realistisch sein. Im bestehenden RD&D-Plan sind vor allem Forschungsziele und -themen dargelegt; spezifische offene Fragen werden nicht aufgelistet. Das ENSI hat diesbezüglich neue Auflagen beantragt.

Bis Baubeginn sind auf dem Gebiet der Technik allgemein (Robotik, Steuerungen etc.) noch erhebliche Entwicklungen zu erwarten, die unter Berücksichtigung von Erfahrungen aus ausländischen Programmen in die definitive Auslegung der Lagertechnologie einfliessen können. Das ENSI unterstützt die grundsätzliche Vorgehensweise der Nagra, einen genügend grossen Handlungsspielraum zur Optimierung der vorhandenen Lagerauslegungsprojekte und der Technologie für Bau, Betrieb und Verschluss der geologischen Tiefenlager sowie zur Entwicklung der Technik für die Rückholbarkeit der Abfälle bis zum nuklearen Baugesuch aufrecht zu erhalten. Damit können neue Informationen, zukünftige Erkenntnisse und technologische Entwicklungen zur Erhöhung der Sicherheit berücksichtigt werden.

 

Auflagenanträge zuhanden des Bundesrates

  1. Sind weitere Reduktionen potenzieller Gasbildung aus metallischen Abfällen in der weiteren Planung und Detaillierung der Tiefenlagerprojekte notwendig, ist das ENSI zeitnah über die geänderten Anforderungen an die endlagerspezifischen Abfalleigenschaften zu informieren.
  2. Die Entsorgungspflichtigen haben bei der Evaluation einer Kombilager-Lösung aufzuzeigen, welche Konsequenzen sich aus möglichen Wechselwirkungen der einzelnen Lagerteile eines Kombilagers ergeben. Dazu ist im Hinblick auf das RBG aufzuzeigen, welche Varianten grundsätzlich bestehen, welcher relative Platzbedarf sich daraus ergibt und welche Varianten sicherheitstechnisch anzustreben sind.
  3. Die Entsorgungspflichtigen haben die Vor- und Nachteile sowie den Aufwand verschiedener Varianten (z. B. «Verschluss des Hauptzugangs nach zehn Jahren Beobachtungsphase und einer allfälligen vorgängigen Öffnung des Hauptzugangs bei einer Rückholung ohne grossen Aufwand», «Offenhalten aller Zugänge bis zum ordnungsgemässen Verschluss», «Rückholung über die Nebenzugänge») aus Sicht der Langzeitsicherheit, Betriebssicherheit und Rückholung ohne grossen Aufwand zu diskutieren und zu bewerten. In diesem mit dem Rahmenbewilligungsgesuch einzureichenden Konzept zum Verschluss des geologischen Tiefenlagers ist die vorgesehene Verschlussvariante zu begründen und dazu mit Alternativen zu vergleichen.
  4. Die Entsorgungspflichtigen haben mit dem Rahmenbewilligungsgesuch ein Konzept für die Nullmessungen vorzulegen. Darin ist begründet darzulegen, welche Prozesse und Parameter wichtig für die Umweltüberwachung und die Nullmessungen sind und wie diese zu erfassen sind. Ausserdem ist für jeden Parameter die geeignete Messmethodik, die notwendige räumliche und zeitliche Dichte an Daten, der benötigte Zeitbedarf bis zum Erreichen einer geeigneten Zeitreihe sowie der daraus abgeleitete Beginn der Messungen zu diskutieren. Darüber hinaus haben die Entsorgungspflichtigen darzulegen, wie existierende Sondierbohrungen in der Phase nach der Einreichung des Rahmenbewilligungsgesuchs z. B. für Langzeit- oder Nullmessungen genutzt werden.
  5. Die Entsorgungspflichtigen müssen im Rahmen des Entsorgungsprogramms 2021 die Anforderungen für die verschiedenen Nutzungsphasen der erdwissenschaftlichen Untersuchungen untertag (EUU) darlegen und erläutern, wie und wann die technischen Nachweise erfolgen sollen, um eine spätere Umnutzung zu erreichen.
  6. In künftige Entsorgungsprogramme und RD&D-Pläne ist eine vollständige Auflistung der aus Sicht der Entsorgungspflichtigen wichtigen offenen Fragen aufzunehmen, zusammen mit Angaben darüber, wie und innert welcher Frist die Entsorgungspflichtigen deren Beantwortung vorsehen.
  7. Die vernetzte Darstellung einzelner Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten miteinander und mit den Meilensteinen und Entscheidungen bei der Realisierung eines geologischen Tiefenlagers ist bis zur nächsten Aktualisierung des Entsorgungsprogramms weiterzuentwickeln. Dabei sollen auch die gegenseitigen Wechselwirkungen von Parametern und Lagerelementen berücksichtigt werden. Getroffene Entscheide sollen zusammen mit deren Begründungen in einer Form dokumentiert werden, die langfristigen Bestand hat, damit sie auch künftig nachvollziehbar bleiben. Weiterhin soll für diejenigen Alternativen, welche für den Standortentscheid in Etappe 3 SGT relevant sein können, ein aus-reichender Kenntnisstand vorhanden sein, der den sicherheitstechnischen Vergleich erlaubt und für die Sicherheit günstige Entscheide ermöglicht.
  8. Um die Anzahl der Stellplätze für die Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente und verglaster hochaktiver Abfälle zu erhöhen, sind von den Entsorgungspflichtigen mit dem EP21 neue Konzepte zu erstellen und dem ENSI zur Prüfung einzureichen. Dabei sind insbesondere die thermischen Belastungen der betroffenen Gebäudeteile zu ermitteln. Bei der Erstellung des jeweiligen Stellplatzkonzeptes soll berücksichtigt werden, dass die einzelnen Behälter für Inspektionen und allfällige Instandhaltungsarbeiten kurzfristig zugänglich sein sollen.
  9. Im Rahmen des nächsten Entsorgungsprogramms sind von den zuständigen Bundesstellen ausreichende Kapazitäten für die Zwischenlagerung der CERN-Abfälle einschliesslich von Kapazitätsreserven für die Abkling-lagerung von sehr schwachaktiven Materialien auszuweisen.
  10. Das ENSI hat Handlungs- und Forschungsbedarf hinsichtlich Brennelement-Alterung und Trockenlagerung in der Aktennotiz ENSI AN-9765 festgehalten. Ergänzend zu den von der Nagra vorgesehenen Arbeiten, sind die in der Aktennotiz zusätzlich genannten Forschungsaktivitäten hinsichtlich Brennelement-Alterung und Trockenlagerung in den zu-künftigen RD&D-Plänen zu berücksichtigen.
  11. In künftigen RD&D-Plänen sind zu jedem Forschungsgebiet die Ergebnisse der Forschungsprojekte und Experimente aufzuzeigen, die in der vorherigen Version des RD&D-Plans zu diesem Forschungsgebiet aufgeführt wurden. Dies auch, falls ein Experiment nicht erfolgreich war oder abgebrochen wurde.