Kernkraftwerk Leibstadt: Fälschung bei wiederkehrenden Funktionsprüfungen

Ein Mitarbeiter des Kernkraftwerks Leibstadt hat seit 2016 Daten in Prüfprotokolle eingetragen ohne die Prüfung durchgeführt zu haben. Der Vorfall hatte keine unmittelbaren Auswirkungen auf den sicheren Betrieb des Kernkraftwerks. Weil es sich dabei aber um einen schweren Fall von menschlichem Fehlverhalten handelt, verlangt das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI jetzt eine tiefgreifende Überprüfung der Sicherheitskultur.

Mobiles Neutronen-Dosisleistungsmessgerät

„Auch wenn wegen dieses Vorfalls keine Gefahr für die Sicherheit der Anlage und der Bevölkerung bestand“, sagt Georg Schwarz, stellvertretender ENSI-Direktor und Leiter des Bereichs Kernkraftwerke, „ist eine solche Fälschung absolut inakzeptabel.“ Nach der ordnungsgemässen Meldung des Ereignisses durch die Betreiberin hat das ENSI deshalb kurzfristig eine Inspektion im KKL durchgeführt, um die Sachlage rasch zu erhärten.

Sicherheit war stets gewährleistet

Nach den derzeit vorliegenden Informationen hat ein Mitarbeiter des KKL seit 2016 die halbjährlichen Funktionsprüfungen an drei mobilen Neutronen-Dosisleistungsmessgeräten nicht durchgeführt. Stattdessen trug der Mitarbeiter fingierte Daten in die Prüfprotokolle ein.

Diese mobilen Neutronen-Dosisleistungsmessgeräte werden insbesondere dazu verwendet, die Strahlung an beladenen Brennelementbehältern vor dem Transport ins Zwischenlager ZWILAG in Würenlingen zu messen. Im ZWILAG wurden die Behälter jeweils nach der Ankunft erneut gemessen und es wurden keine signifikanten Abweichungen bei den Messwerten festgestellt. Damit wurde bestätigt, dass die Sicherheit der Bevölkerung stets gewährleistet war. Das für den Transport eingesetzte Personal wurde radiologisch überwacht. Es fand keine unerwartete oder unzulässige Exposition statt.

Lückenlose Aufklärung des Fälschungsfalls

Das ENSI fordert die lückenlose Aufklärung des aktuellen Falles. Insbesondere ist abzuklären, ob der beschuldigte Mitarbeiter weitere Prüfprotokolle fingiert hat und ob dies zu falschen Messresultaten geführt hat. Das Kernkraftwerk Leibstadt muss dazu bis Anfang Februar 2019 beim ENSI einen detaillierten Bericht über das gemeldete Vorkommnis einreichen. Das ENSI wird diesen anschliessend prüfen, dazu Stellung nehmen und die Öffentlichkeit darüber informieren. In einem zweiten Schritt sollen die Untersuchungen unter der Aufsicht einer unabhängigen Inspektionsstelle auf weitere Prüfprotokolle ausgedehnt werden.

Einbestellung des Axpo-Managements

Darüber hinaus hat das ENSI weiterführende Massnahmen beschlossen. „Leider gab es in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Vorfällen aufgrund menschlichen Fehlverhaltens im KKL“, sagt Georg Schwarz. „Es müssen deshalb Massnahmen ergriffen werden, die gewährleisten, dass die Sicherheitskultur im KKL nachhaltig verbessert wird.“

Die Axpo führt als Mehrheitseignerin die Geschäfte des KKL. Die ENSI-Direktion wird deshalb das Axpo-Management und die Kraftwerksleitung des KKL einbestellen. Dabei wird die ENSI-Direktion klar zum Ausdruck bringen, dass die Häufung von Vorkommnissen im Bereich Mensch und Organisation nicht toleriert wird und deshalb die Verantwortlichen jetzt rasch dafür sorgen müssen, dass nötige Massnahmen ergriffen werden.

Intensivierung der Inspektionstätigkeit

Aufgrund der Vorkommnisse wird das ENSI seine Inspektionstätigkeit im Kernkraftwerk Leibstadt ab sofort deutlich erhöhen und damit vor Ort noch präsenter sein. Bereits heute führen ENSI-Mitarbeitende jährlich rund 100 angemeldete und unangemeldete Inspektionen sowie Anlagenbegehungen im Kernkraftwerk Leibstadt durch. Diese Zahl soll im laufenden Jahr deutlich erhöht werden.

Zudem prüft das ENSI derzeit, ob zusätzlich auch eine internationale Überprüfung der operationellen Sicherheit, eine sogenannte OSART-Mission, angeordnet werden soll. Das Operational Safety Review Team (OSART) ist aus Experten ausländischer Kernanlagen, Aufsichtsbehörden und technisch-wissenschaftlichen Institutionen zusammengesetzt. Sie sind beauftragt, im Namen der IAEA die Sicherheit im Betrieb von Kernkraftwerken zu überprüfen. Die letzte OSART-Mission in der Schweiz fand 2012 in Mühleberg statt.

Je nach Entwicklung der Abklärungen schliesst das ENSI weitere Massnahmen nicht aus.