PSI: Defekter Treiberstab innerhalb des stillgelegten Forschungsreaktors PROTEUS

Betroffenes Werk / Titel

Paul-Scherrer-Institut: Entdeckung eines defekten Treiberstabs innerhalb des stillgelegten Forschungsreaktors PROTEUS

Datum / Zeit

16. Oktober 2019 / 09:36 Uhr

Sachverhalt

Im Rahmen der Stilllegung des Forschungsreaktors PROTEUS am Paul-Scherrer-Institut (PSI) wurden die Treiberbrennstäbe innerhalb der Anlage verschoben. Dazu wurden die Stäbe aus dem Brennstablager in der Reaktorhalle entnommen und in Lagerbehälter eingebracht. Im Rahmen einer Inspektion des ENSI am 16. Oktober 2019 wurde ein Treiberbrennstab entdeckt, der nicht den Vorgaben entsprach. Der untere Verschlusszapfen des Treiberbrennstabs war schlecht angezogen und ungenügend fixiert. In der Folge waren sogenannte Brennstoffzigarren, in denen jeweils sechs Uranpellets fixiert sind, aus dem Hüllrohr auf den Grund des Lagerkanals im Brennstablager gefallen.

Die Bergung der Brennstoffzigarren hätte in Absprache mit dem ENSI am 28. Oktober 2019 erfolgen sollen. Das PSI hatte jedoch beim Test einer Bergungsmethode am 21. Oktober 2019 entgegen der Vereinbarung schon zwei Brennstoffzigarren aus dem Lagerkanal befördert. Am 28. Oktober 2019 wurde der Treiberstab nach der vollständigen Bergung und Wiedereinfüllung der Brennstoffzigarren ordnungsgemäss verschlossen und an den vorgesehenen Lagerplatz verschoben.

Einstufung (nach Richtlinie ENSI-B03)

INES-Stufe 1

Beurteilung durch das ENSI

Das Vorkommnis hatte eine geringe Bedeutung für die nukleare Sicherheit. Es bestand keine Gefahr für Mensch und Umwelt. Der Einschluss des Brennstoffs ausserhalb des Treiberstabs war noch durch den Brennstablagerkanal gegeben. Mit der Bergung und der Verschliessung befindet sich der Treiberbrennstab wieder in einem geeigneten Zustand für die Lagerung.

Die sicherheitstechnische Bewertung liegt unterhalb der INES-Skala. Aufgrund Mängel in der Sicherheitskultur wurde das Vorkommnis jedoch als INES 1 eingestuft. Einerseits entsprachen die Arbeitsvorbereitung und -durchführung bei der Verschiebung der Treiberstäbe und der folgenden Brennstoffbergung nicht den Vorgaben. Andererseits hätte der unsachgemässe Verschluss des Treiberbrennstabs, der gemäss Vermutung des PSI am 9. Oktober 2017 erfolgte, dem ENSI gemeldet werden müssen. Die dafür notwendige Dokumentation fehlt jedoch. Ein ähnliches Vorkommnis ereignete sich bereits am 9. August 2005, als sämtliche Treiberstäbe neu umhüllt wurden. Die heutigen Mitarbeiter des PROTEUS hatten davon keine Kenntnis. Aufgrund des mangelhaften Umgangs mit den Brennstäben, der nicht lückenlosen Dokumentationspraxis und des versäumten Wissenstransfers sieht das ENSI insbesondere Handlungsbedarf im Rahmen des gesamtorganisationalen Lernens, um die Sicherheitskultur in den PSI-Kernanlagen nachhaltig zu stärken.

Massnahmen des Betreibers

Das PSI erstellt sicherheitsgerichtete Vorschriften für sämtliche Rückbauarbeiten an der Kernanlage PROTEUS.

Massnahmen des ENSI

Das ENSI verlangt vom PSI, das Vorkommnis und das Vorgehen bei der Verschiebung von Kernmaterial sowie bei der Brennstoffbergung mit dem Fokus auf den Bereich Mensch und Organisation vertieft zu analysieren. Die Erkenntnisse, die das PSI daraus für die Gesamtorganisation zieht, sind dem ENSI genauso aufzuzeigen wie die getroffenen Massnahmen und deren Kontrolle auf Wirksamkeit.

Darüber hinaus fordert das ENSI vom PSI ein Konzept, wie es zukünftig allen im Rahmen von Rückbauarbeiten beteiligten Personen das sicherheitsgerichtete Vorgehen nachhaltig vermittelt.

Kriterien für die Aufschaltung auf der ENSI-Website

INES-Stufe 1 oder höher

Das ENSI informiert die Öffentlichkeit in seinem jährlichen Aufsichtsbericht über sämtliche meldepflichtigen Vorkommnisse im Bereich der nuklearen Sicherheit. Über Vorkommnisse, die eines der folgenden Kriterien erfüllen, informiert das ENSI auf der Website laufend:

  • INES-Stufe 1 oder höher,
  • Auslösung von Sicherheitssystemen,
  • Vorkommnis, das mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 1 zu 100 Millionen zu einem Kernschaden führt,
  • Inkorporation radioaktiver Stoffe mit einer Folgedosis von mehr als 1 mSv.