Stilllegung KKW Mühleberg: Trinkwasser vor flüssigen radioaktiven Abgaben geschützt

Würde sich während der Stilllegung des KKW Mühleberg ein Störfall ereignen, wäre der Schutz des Trinkwassers vor radioaktiver Kontamination gewährleistet. Dies zeigen Abklärungen, die das ENSI aufgrund von Anfragen aus den Notfallschutzorganisationen verschiedener Kantone traf.

Bei einem Störfall in einem Kernkraftwerk könnten radioaktive Stoffe ins Grundwasser oder in Fliessgewässer gelangen und das Trinkwasser kontaminieren. Im Rahmen der Notfallvorsorge müssen daher Massnahmen geplant werden, damit Mensch und Umwelt nicht gefährdet werden, beispielsweise mit einem vorsorglichen Unterbruch der Trinkwasserentnahme aus betroffenen Anlagen.

Das ENSI hatte die Massnahmen und Abläufe im Notfallschutz hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zum Schutz des Trinkwassers überprüft. Es kam im Jahr 2013 (ENSI-AN-8091) und 2016 (ENSI-AN-9714) nach umfangreichen Abklärungen zu einem positiven Ergebnis: Das Trinkwasser ist auch bei einem Extremereignis vor radioaktiver Kontamination, die sich aus dem Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke ergeben könnte, geschützt. Auch für das inzwischen abgeschaltete Kernkraftwerk Mühleberg (KKM) ist der Trinkwasserschutz während der Stilllegung gegeben. Dies geht aus Abklärungen des ENSI hervor. Notfallschutzvertreter aus den Kantonen Freiburg, Bern und Waadt hatten um eine Gefährdungsanalyse gebeten, um das Risiko und den Handlungsbedarf während der Stilllegung des KKM besser abschätzen zu können.

In welcher Phase nach der Abschaltung befindet sich das KKM aktuell?


• Das KKM befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt in der Phase der Etablierung des technischen Nachbetriebs, die begann, als der Leistungsbetrieb am 20. Dezember 2019 eingestellt wurde. Im September 2020 wird nach aktuellem Plan diese Zwischenphase beendet sein: Dann geht das KKM in die Stilllegungsphase 1.

• Seit Ende März 2020 lagert der Kernbrennstoff nicht mehr im Reaktordruckbehälter, sondern im Brennelementbecken. Bis Ende 2024 ist geplant, die Brennelemente in das Zwischenlager in Würenlingen zu überführen.

• Nach dem Abtransport der Brennelemente von der Anlage beginnt ab Ende 2024 die zweite Stilllegungsphase: die verbliebene Radioaktivität ist in den Systemen und Räumen der kontrollierten Zone zu finden und wird mit dem Rückbau nach und nach reduziert.


Phasen Stilllegung KKW Mühleberg


Torsten Krietsch, Leiter der Sektion Stilllegung, erklärt mehr dazu im Interview «Stilllegung KKW Mühleberg: Die Aufsicht bleibt»

Inwiefern aber wären die Aare und das Grundwasser – und damit auch das Trinkwasser – bei einem Störfall während der Stilllegung gefährdet? Im Fokus der Abklärungen standen mögliche flüssige radioaktive Abgaben aus dem KKM bei Betriebsstörungen und Auslegungsstörfällen sowie bei auslegungsüberschreitenden Störfällen.

Bei Betriebsstörungen und Auslegungsstörfällen könnte radioaktive Flüssigkeit einzig aus Behältern, die ausserhalb der kontrollierten Zone auf dem Kraftwerksgelände aufgestellt sind, in die Umwelt gelangen – wenn sie beispielsweise durch Erdbeben oder Überflutung beschädigt würden. Die maximal mögliche Dosis, die dann ohne Notfallschutzmassnahmen übers Trinkwasser aufgenommen würde, liegt bei 0,5 Mikrosievert (0,0005 Millisievert). Dies haben die Berechnungen für ein hypothetisches Szenario ergeben. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Strahlendosis der Schweizer Bevölkerung beträgt nach Angaben des Bundesamts für Gesundheit ungefähr 5,8 Millisievert pro Jahr.

Bei einem auslegungsüberschreitenden Störfall sind durch flüssige radioaktive Abgaben keine grösseren Kontaminationen von Grundwasser und Fliessgewässer als bei Auslegungsstörfällen zu erwarten. Gründe hierfür sind die Robustheit des Reaktorgebäudes und die Accident-Management-Massnahmen. Da das KKM Ende letzten Jahres abgeschaltet wurde, ist die Zerfallswärme mittlerweile so weit reduziert, dass zudem ein Totalverlust der Wärmeabfuhr aus dem Brennelementbecken nicht zum Schmelzen der Brennelemente führen würde.

Somit kommt das ENSI zu dem Schluss, dass das Trinkwasser bei allfälligen Störfällen auch während der Stilllegung des KKM vor flüssigen radioaktiven Abgaben ausreichend geschützt ist. Die bestehenden Notfallschutzmassnahmen müssen daher nicht angepasst werden.