IAEA-Generaldirektor macht sich Bild von Schweizer Nachrüstphilosophie
Experten des ENSI haben den Chef der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) Rafael Grossi während eines Arbeitsbesuchs in der Schweiz bei einer Führung durch das Kernkraftwerk Beznau begleitet. Dabei liess sich Grossi die kontinuierlichen Verbesserungen der nuklearen Sicherheit, wie sie die Wiener Erklärung vorsieht, anhand des Schweizer Beispiels Beznau zeigen.
Bestehende Kernkraftwerke sollen soweit wie möglich an die Sicherheitsniveaus von neuen Kernkraftwerken herangeführt werden. Dies ist einer der Hauptpunkte der Wiener Erklärung, einem Übereinkommen, das die internationale Gemeinschaft 2015 verabschiedet hat. Rafael Grossi, Generaldirektor der Internationalen Atomenergieagentur IAEA, hat damals die aufgrund einer schweizerischen Initiative einberufene Diplomatische Konferenz zur Wiener Erklärung geleitet.
Diese Woche war Grossi für einen Arbeitsbesuch in der Schweiz. Bei einem Besuch im Kernkraftwerk Beznau (KKB) konnte er sich gestern von den Nachrüstungen, die das Werk laufend vorgenommen hat, ein Bild machen. ENSI-Experten begleiteten ihn bei der Führung. «Die verschiedenen sicherheitstechnischen Nachrüstungen im KKW Beznau spiegeln die langjährige Schweizer Sicherheitskultur wider, die im Grundsatz der kontinuierlichen Verbesserung der nuklearen Sicherheit verankert ist», sagt IAEA-Chef Grossi. «Wir freuen uns darauf, dass die Schweiz diese wichtige Erfahrung weiterhin mit ihren internationalen Partnern und insbesondere innerhalb der IAEA teilt.»
Beginnend in den 1990er Jahren hat das KKB bis heute verschiedene grosse Nachrüstprojekte umgesetzt. Damit wurde das Sicherheitsniveau des Werks an jenes einer neu gebauten Anlage angeglichen. Während der Führung im KKB wurden Grossi unter anderem folgende Projekte erläutert:
- Neue Dieselgeneratoren und weitere Anlageänderungen für die autarke Notstromversorgung (AUTANOVE)
- Umsetzung des gebunkerten Notstandsystems (NANO)
- Einbau eines Systems zur gefilterten Containment-Druckentlastung (Venting)
- Nachrüstung eines zusätzlichen erdbebenfesten Notspeisewassersystems
Die Wiener Erklärung
Im Februar 2015 hat die internationale Gemeinschaft anlässlich einer Diplomatischen Konferenz in Wien die Wiener Erklärung zur nuklearen Sicherheit (engl. Vienna Declaration on Nuclear Safety) verabschiedet.
Ziel der Erklärung ist, dass neue Kernkraftwerke so gebaut werden, dass im Falle eines Unfalls keine Langzeitmassnahmen des externen Notfallschutzes notwendig werden, und dass bestehende Kernkraftwerke soweit wie möglich an die Sicherheitsniveaus von neuen Kernkraftwerken herangeführt werden. Es ist das einzige internationale Dokument, in dem dieses Sicherheitsziel festgehalten ist.
Mit der Wiener Erklärung haben sich die 77 Vertragsstaaten des Übereinkommens über die nukleare Sicherheit verpflichtet, bei den jeweiligen internationalen Überprüfungstagungen über deren Umsetzung zu berichten.
Die Einberufung der Diplomatischen Konferenz war im April 2014 auf der sechsten Überprüfungstagung zum Übereinkommen über nukleare Sicherheit beschlossen worden, nachdem die Schweiz einen Vorschlag zur Ergänzung der Konvention unter Berücksichtigung der Lehren aus dem Unfall von Fukushima Daiichi vorgelegt hatte.
Die Medienmitteilung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA zum Schweizbesuch des IAEA-Generaldirektors im Wortlaut:
Bundesrat Ignazio Cassis hat heute in Bern den Generaldirektor der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), Rafael Grossi empfangen. Im Zentrum der Gespräche standen die Zusammenarbeit der Schweiz mit der IAEA, sowie aktuelle Themen im Bereich der nuklearen Nichtverbreitung. Rafael Grossi tauschte sich während seinem Aufenthalt in der Schweiz auch mit Vertretern des Bundesamts für Energie, des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI, des Labor Spiez sowie des Kernkraftwerks Beznau aus.
Bundesrat Ignazio Cassis sprach bereits in Februar dieses Jahres in Wien mit dem IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi über aktuelle Themen im Bereich der nuklearen Nichtverbreitung, insbesondere über die Einhaltung des Nuklearabkommens mit dem Iran (JCPOA). Das heutige Treffen diente dem Austausch über die Lage nachdem sowohl Bundesrat Cassis als auch Generaldirektor Grossi kürzlich den Iran besucht hatten. Das Gespräch bot die Gelegenheit, sich gegenseitig über die jüngsten Entwicklungen im Rahmen des JCPOA auszutauschen.
In Anwesenheit von DEZA-Direktorin Patricia Danzi wurde zudem über die Aktivitäten der IAEA im Bereich der internationalen Zusammenarbeit gesprochen. Die IAEA ist das wichtigste zwischenstaatliche Forum für wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit im nuklearen Bereich. Neben der friedlichen Nutzung der Nuklearenergie fördert die Agentur ebenfalls die Zusammenarbeit im Bereich weiterer nuklearer Anwendungen, beispielsweise im medizinischen Bereich, sowie Anwendungen für Umwelt, Energie oder Grundwassermanagement. Die IAEA will durch ihre Aktivitäten einen direkten Beitrag zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele leisten.
Rafael Grossi besuchte zuvor das Labor Spiez, welches seit 2017 als designiertes Collaborating Centre mit der Internationalen Atomenergieagentur zusammenarbeitet und regelmässig Expertisen für die Agentur erstellt. Mit dem EPFL verfügt die Schweiz seit Mitte 2019 über ein zweites solches Zentrum.
IAEA-Generaldirektor Grossi nutzte seinen Besuch in der Schweiz, um sich mit Benoît Revaz, Direktor des Bundesamts für Energie, auszutauschen. Im Zentrum dieser Gespräche standen die Vertretung der Schweiz im IAEA-Gouverneursrat in den Jahren 2020 bis 2023, sowie nukleare Sicherheit, Sicherung und Verifikation.
Bei einem Besuch im Kernkraftwerk Beznau liess sich Rafael Grossi von den KKW-Verantwortlichen sowie vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) die Nachrüstungen zeigen, die dort in den letzten Jahren umgesetzt worden sind.
Die Schweiz ist Gründungsmitglied der IAEA. Seit Ende September 2020 ist sie erneut im Gouverneursrat der IAEA für die nächsten drei Jahre vertreten. Der Gouverneursrat ist eines der beiden politischen Organe der Agentur und besteht aus 35 Mitgliedern. Zuletzt war die Schweiz von 2014-2017 Mitglied im Gouverneursrat.