EGT stellt Positionspapier zum Gastransport im Opalinuston vor
An der 45. Sitzung des Technischen Forums Sicherheit empfahl die Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung (EGT), die Gastransportprozesse im Opalinuston und insbesondere die Eigenschaften steilstehender Störzonen für die Rahmenbewilligungsgesuche genauer zu untersuchen.
Die EGT hat sich in den vergangenen rund eineinhalb Jahren intensiv mit der Bildung, dem Abbau, dem Transport und den Auswirkungen von Tiefenlagergas auseinandergesetzt und ihre Erwägungen und Empfehlungen dazu in einem Positionspapier festgehalten.
Die Empfehlungen der EGT
Die EGT formulierte sieben Empfehlungen, die sich sowohl auf ein Lager für hochaktive (HAA-Lager) als auch auf ein Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle beziehen (SMA-Lager). Die EGT sieht steilstehende und in etwa Nord-Süd orientierte Störungen als wesentlich an für den Gas- und Wassertransport und damit für die Standortbewertungen, die Auslegung des Tiefenlagers und die Sicherheitsbewertungen.
- Bis zu den Rahmenbewilligungsgesuchen sollen steilstehende Störungen mit senkrechten und geneigten Bohrungen repräsentativ untersucht sowie zusätzliche seismische Messungen und Interpretationen durchgeführt werden.
- Festigkeitseigenschaften des gestörten Opalinustons und Bedingungen für die Reaktivierung bereits vorhandener, in der geologischen Vergangenheit entstandener Störungen sollen vertieft untersucht werden.
- Das langfristige Verhalten des Opalinustons hinsichtlich seiner Festigkeit und Verformbarkeit soll besser untersucht werden.
- Für den Fall eines Kombilagers sollen die Auswirkungen erhöhter Temperaturen auf die Gasentwicklung im SMA-Lager berücksichtigt werden.
- Die Kenntnisse über Strömungsprozesse und Eigenschaften des Opalinustons bei gleichzeitigem Vorliegen von (Wasserstoff-)Gas und Wasser sollen verbessert werden.
- Die Gaswegsamkeit im Opalinuston soll unter erweiterten Gebirgsdruck-Bedingungen analysiert werden.
- Das Potenzial zur Reaktivierung bereits vorhandener Störungen soll als zusätzlicher Sicherheitsindikator berücksichtigt und die dafür notwendigen Grundlagen untersucht werden.
In seinem Vortrag an der 45. Sitzung des Technischen Forums Sicherheit ging EGT-Präsident Simon Löw auf diejenigen Untersuchungen ein, die aus Sicht der EGT bereits vor dem Einreichen der Rahmenbewilligungsgesuche notwendig sind. Er wies dazu auf zahlreiche Beobachtungen von natürlichen Gasvorkommen mit tiefem Ursprung im Mittelland und der Nordschweiz hin. Als Beispiel des Transports von Gasen durch den Opalinuston entlang von steilstehenden und leicht zu reaktivierenden Störungen wurden die Untersuchungen der Geothermiebohrung von St. Gallen diskutiert: Diese deuten an, dass in der Vergangenheit Gas in signifikanten Mengen durch tonreiche Gesteine wie den Opalinuston entlang von steilstehenden Störzonen transportiert worden ist.
Die drei Standortgebiete für geologische Tiefenlager in der Nordschweiz (Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost) könnten eine unterschiedliche Überprägung mit solchen Störzonen aufweisen. Die Informationen zu solchen Störzonen sind jedoch noch unzureichend, um deren Bedeutung für einen allfälligen Gastransport, die Lagerauslegung und die Langzeitsicherheit beurteilen zu können. Deshalb sollten die bereits durchgeführten vertikalen Bohrungen unter anderem durch geneigte Bohrungen ergänzt werden, wie Prof. Simon Löw weiter ausführte.
Definition einer Störzone
Eine Störzone oder Störung ist eine Scherfläche oder Scherzone im Gebirge, entlang derer sich die angrenzenden Gesteinsblöcke relativ zueinander bewegt haben, sodass ein horizontaler und/oder vertikaler Schichtversatz entsteht. Dabei können sich die beiden Gesteinsblöcke auch aufeinander zu (Kompression) oder voneinander wegbewegt haben (Extension). Gerade bei Extension können stark erhöhte Durchlässigkeiten entstehen, die einen advektiven Gas- oder Flüssigkeitstransport aus der Tiefe ermöglichen. Die EGT verwendet den Begriff «Störzone» nicht nur für grosse Störungen wie jene von St. Gallen, die eine Ausdehnung von vielen Kilometern haben. Dieser Begriff wird auch für kleinere Störungen verwendet, die nur wenige 10er bis 100te Meter lang sein können und bei denen die beiden Seiten so wenig versetzt wurden, dass sie selbst in den bereits durchgeführten 3D-seismischen Untersuchungen unterhalb der Auflösungsgrenze bleiben.
Klärung der sicherheitstechnischen Bedeutung von Störzonen
«Aus Sicht der EGT stehen grundsätzliche Fragen zur Reaktivierung von Störungen durch Gasdruck und zum Gastransport im Vordergrund», erklärt Professor Simon Löw. Die EGT plädiert für zusätzliche Untersuchungen, um die bautechnische und sicherheitstechnische Bedeutung von steilstehenden Störungen abzuklären. «Geneigte Bohrungen wären dazu eine mögliche anwendbare Methode», fügt Simon Löw an.
Die Hauptfunktion der EGT ist gemäss Sachplan die Unterstützung des ENSI bei erdwissenschaftlichen und bautechnischen Fragen zur geologischen Tiefenlagerung. Die Diskussion der sicherheitstechnischen Bedeutung von steilstehenden Störungen ist ein gutes Beispiel für die Erfüllung dieses Auftrags. «Das ENSI unterstützt die Klärung der sicherheitstechnischen Bedeutung steilstehender Störungen», ergänzt Felix Altorfer, Leiter des Bereiches Entsorgung beim ENSI, am TFS. «Die Frage der sicherheitstechnischen Bedeutung von steilstehenden Störungen wird seit Langem in den ENSI-Gutachten betrachtet. Die sicherheitstechnischen Kriterien des Sachplans sorgen dafür, dass die sicherheitstechnische Bedeutung von steilstehenden Störungen von der Nagra untersucht und bewertet werden.»
Die Nagra wies in NAB 14-83 bereits darauf hin, dass «subhorizontale oder mässig steil einfallende Störungen mit vertikalen Kernbohrungen erfasst werden können. Um aber steil einfallende oder vertikale Störungen zu identifizieren und deren Eigenschaften zu untersuchen, sind Schrägbohrungen oder abgelenkte Bohrungen erforderlich.»
Felix Altorfer bewertet es als positiv, dass bereits frühzeitig vor der Erarbeitung der Rahmenbewilligungsunterlagen durch die Nagra ein Fachaustausch zwischen der EGT und der Nagra stattgefunden hat. Der Umfang der notwendigen erdwissenschaftlichen Untersuchungen für den Nachweis der Langzeitsicherheit ist durch die Projektantin zu bestimmen.
Lebhafte Diskussion im Technischen Forum
In der anschliessenden Diskussion des Fachvortrags im Technischen Forum wurden Zweifel geäussert, ob die Verhältnisse in St. Gallen auf die Verhältnisse in den Standortregionen Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost übertragbar seien. Zudem wurde angemerkt, dass sich allfällige Störzonen im Opalinuston auch positiv auswirken könnten, indem das im Tiefenlager gebildete Gas kontinuierlich abgeleitet würde. So könne sich kein grosser Druck aufbauen, der das Wirtgestein schädigen würde.
Ein Vertreter des ENSI merkte an, dass die von der EGT präsentierten Empfehlungen und insbesondere die sicherheitstechnische Relevanz steilstehender Störungen im Fachgremium Erdwissenschaftliche Untersuchungen (FEU) bis zur Einreichung des Rahmenbewilligungsgesuchs vertieft diskutiert werden können.
Vertiefte Untersuchung der Störzonen untertage
Die Kernenergieverordnung (Art. 63) schreibt vor, dass sich die in der Rahmenbewilligung festzulegenden Kriterien auf die Ausdehnung geeigneter Wirtgesteinsbereiche, die hydrogeologischen Verhältnisse am Standort und die Verweilzeit des Tiefengrundwassers beziehen. Am gewählten Standort werden deshalb die Eigenschaften allfällig vorhandener steilstehender Störungen untertage und direkt vor Ort (im Rahmen der sog. Erdwissenschaftlichen Untersuchungen untertage, EUU) vertieft untersucht. Diese Untersuchungen müssen aufzeigen, ob ein jeweiliger Einlagerungsbereich für die Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle geeignet ist. Nur bei Erfüllung aller Eignungskriterien dürfen später radioaktive Abfälle eingelagert werden.