«Dank modernem Strahlenschutz und technischem Fortschritt sind die Individual- und Kollektivdosen in den Kernanlagen stets gesunken»
Das ENSI nahm vom 5. bis 9. September 2022 an der dritten IAEA-Konferenz zum Thema Strahlenschutz am Arbeitsplatz und dessen Entwicklung in den letzten 20 Jahren teil. Konferenzen wie diese helfen dabei, die Sicherheit von strahlenexponiertem Personal zu optimieren und die Arbeits- bzw. Sicherheitskultur weiterzuentwickeln, so ENSI-Direktor Marc Kenzelmann bei der Eröffnung der Konferenz in Genf.
Vom 5. bis 9. September 2022 fand in Genf die dritte internationale Konferenz zum beruflichen Strahlenschutz («International Conference on Occupational Radiation Protection») statt. Hinter der Konferenz steht die Internationale Atomenergieagentur (IAEA), Gastgeberin war die Schweiz, namentlich das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Unterstützt wurde das Treffen von der Internationalen Arbeitsorganisation sowie in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen. Die erste Konferenz zum Strahlenschutz am Arbeitsplatz fand im August 2002, ebenfalls in Genf, statt.
Die Konferenz behandelte den Schwerpunkt «Stärkung des Strahlenschutzes von Arbeitnehmern – Zwanzig Jahre Fortschritt und der Weg in die Zukunft» («Strengthening Radiation Protection of Workers – Twenty Years of Progress and the Way Forward»). Auch das ENSI nahm daran teil.
ENSI-Direktor Marc Kenzelmann gab bei der Eröffnung der Konferenz am 5. September eine Erklärung zur Aufsicht über das strahlenexponierte Personal in Kernanlagen in der Schweiz ab:
Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind alle hier in Genf vereint, um den Strahlenschutz für die Arbeitnehmer zu stärken. Auch das ENSI ist Teil dieser Gemeinschaft und verfolgt dasselbe Ziel.
Das ENSI ist seit 2009 die unabhängige Aufsichtsbehörde für die Kernanlagen in der Schweiz und ist für die nukleare Sicherheit und Sicherung sowie für den Strahlenschutz zuständig. Wir beschäftigen über 160 Mitarbeitenden und überwachen fünf Kernkraftwerke, wobei eines davon aktuell rückgebaut wird. Des Weiteren zählen wir ein Zentrales Zwischenlager, weitere Zwischenlager an den Standorten der Kernkraftwerke und diverse Kernanlagen aus der Forschung zu unserem Aufsichtsbereich. Und für die hoffentlich nicht so ferne Zukunft beaufsichtigen wir auch die Planung eines geologischen Tiefenlagers als Entsorgungslösung für radioaktive Abfälle in der Schweiz.
In der Schweiz werden mitunter die ältesten Kernreaktoren der Welt betrieben. Wobei zu beachten ist, dass die Schweiz in den letzten Jahrzehnten konsequent den Weg einer dezidierten Alterungsüberwachung und der Nachrüstung der Kernkraftwerke gegangen ist.
So wurden in der Schweiz bereits vor über 30 Jahren gebunkerte Notstandsysteme und die gefilterte Containment-Druckentlastung nachgerüstet. Des Weiteren wurde der Schutz vor Überflutung und die seismische Widerstandsfähigkeit der Anlagen nachqualifiziert oder verstärkt.
Im Aufsichtsbereich des ENSI werden rund 6000 Personen dosimetrisch überwacht, die jährlich eine Kollektivdosis von drei bis fünf Personen-Sievert akkumulieren. Zum Schutze der Arbeitnehmer und der Risikominimierung setzt das ENSI die internationalen Vorgaben oder Empfehlungen zum Strahlenschutz konsequent in seinem Regelwerk um. Regeln sind in unserer Branche wichtig und sie sind nur dann gut, wenn sie die Fehler aus Strahlenunfällen sowie die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen und mit der Sicherheitskultur im Einklang stehen. Letzteres ist wichtig, damit die strahlenexponierten Personen an ihrem Arbeitsplatz willens sind, die Regeln einzuhalten. Die adressatengerechte Risiko-Kommunikation ist essenziell.
Was macht eine gute Sicherheitskultur aus? In Zentrum steht für mich das Vertrauen. Vertrauen darin, dass man das Mögliche getan hat, um Unfälle zu vermeiden, und das Vertrauen, dass man transparent und angstfrei über Vorkommnisse berichten kann. Dies stellt die Basis für die Verbesserung des Strahlenschutzes und der Arbeitssicherheit als Ganzes dar.
An der hiesigen Konferenz, treffen sich Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und wir werden über die Entwicklung im Strahlenschutz der letzten 20 Jahre diskutieren und denken die Zukunft an. Ich freue mich, dass das ENSI Teil davon ist.
Es ist Fakt, dass in den Kernanlagen die Individual- und Kollektivdosen dank dem modernen Strahlenschutz und des technischen Fortschritts stets gesunken sind. Vorausgesetzt die Tätigkeit ist gerechtfertigt, wird der Optimierung Rechnung getragen und wenn sich aufgrund von Nachrüstprojekten punktuell eine Trendumkehr ergibt, so greift man auf das bekannte «As low as reasonably achievable» zurück.
Aber was bedeutet das «Reasonable» in ALARA? Das ist eine spannende Frage, die laufend auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen, der praktischen Erfahrung und des kulturellen Hintergrunds beantwortet werden muss. Bei der Beurteilung von Strahlenschutzmassnahmen fliesst die Expertise von vielen Menschen ein. Und in dieser Beurteilung steckt eine Risikobewertung. Man fragt sich: Wie schädlich ist eine Strahlenexposition? Wie wahrscheinlich ist eine Erkrankung? Welche Exposition ist vertretbar? Was dürfen Schutzmassnahmen kosten?
In dieser Woche versammeln sich hier zahlreiche Experten aus der ganzen Welt. Wir haben die Chance uns diesen Fragen zu stellen, uns auszutauschen und voneinander zu lernen. Mit diesem Austausch erhoffe ich mir, neue Erkenntnisse zu gewinnen, um die Sicherheit der strahlenexponierten Personen noch mehr zu verbessern und die Arbeits- bzw. Sicherheitskultur weiterzuentwickeln.
Darüber hinaus bietet diese Konferenz nach den Einschnitten der Covid-Pandemie die Möglichkeit, die persönlichen Beziehungen und unser Netzwerk aufzufrischen und zu pflegen. Ich möchte mich an dieser Stelle bei der IAEA, der ILO und dem Organisationskomitee für diesen Event herzlich bedanken. Ihnen, geschätzte TeilnehmerInnen, wünsche ich interessante Referate, neue Erkenntnisse und spannende Diskussionen.