Tumorrisikoanalyse: ENSI veröffentlicht wissenschaftlichen Artikel über Berechnungsmodelle

Bei der Berechnung von strahleninduzierten Tumorrisiken sollten Modellunsicherheiten mitberücksichtigt werden. Zu diesem Schluss kommen ENSI-Strahlenschutzexpertin Luana Hafner und Physiker Alberto Stabilini in einem wissenschaftlichen Artikel. In Zusammenarbeit mit Epidemiologin Linda Walsh vergleichen sie verschiedene Modelle zur Risikoabschätzung.

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI unterstützt im Bereich Strahlenschutz unter anderem Forschungsprojekte, die mit verschiedenen Ansätzen den Einfluss ionisierender Strahlung auf biologische Zellen und Systeme bestimmen. Dass ionisierende Strahlung Erkrankungen wie Krebs hervorrufen kann, ist unbestritten. Eine zentrale Aufgabe von Disziplinen wie der Epidemiologie und der Strahlenbiologie ist es, das strahleninduzierte Tumorrisiko zu bestimmen.

Die Erkenntnisse aus dieser Grundlagenarbeit werden für die stetige Verbesserung des Strahlenschutzes und des Notfallschutzes verwendet. In diesem Zusammenhang stehen auch die aktuellen Arbeiten von ENSI-Strahlenschutzexpertin Luana Hafner.

Die Belastbarkeit von Risikoabschätzungen

In den letzten Jahren wurden in der wissenschaftlichen Literatur verschiedene Modelle zur Berechnung von strahleninduzierten Tumorrisiken veröffentlicht. Diese Risikomodelle bestehen jeweils aus zwei Teilen:

  • Der erste Teil beschreibt das Grundrisiko für einen Tumor und wird «Grundrisikomodell» genannt. Das ist das Tumorrisiko, dem die Bevölkerung ohne bestimmte äussere Einflüsse unterliegt.
  • Der zweite Teil modelliert das Exzesstumorrisiko und wird «Strahlenrisikomodell» genannt. Dieses Risikomodell beschreibt das Tumorrisiko für jene Personen, die ionisierender Strahlung ausgesetzt waren.

Bei diesen Risikoabschätzungen wird gewöhnlich ein spezifisches Risikomodell verwendet und die Unsicherheiten der Modellwahl werden vernachlässigt. In der neusten Publikation «Comparison and multi-model inference of excess risks models for radiation related solid cancer» betrachten Luana Hafner, Fachspezialistin Strahlenschutz beim ENSI, und Physiker Alberto Stabilini in Zusammenarbeit mit der Epidemiologin Linda Walsh diese Modellwahlunsicherheiten bei der Berechnung des Risikos für solide Tumore. Solide Tumore können innere Organe oder Organsysteme betreffen und sowohl gut- als auch bösartig sein.

Die Forschenden untersuchten mit demselben Datensatz Atombombenüberlebender sieben Modelle zur Berechnung des Tumorrisikos und analysierten die Qualität der Auswertungsergebnisse mit zwei verschiedenen statistischen Methoden. Daraus erstellten sie modellgemittelte Risikoabschätzungen.

Wie wirkt sich ionisierende Strahlung auf den Menschen aus?

Wie sich ionisierende Strahlung auf lebende Organismen auswirkt, untersucht die Strahlenbiologie. Die Erkenntnisse aus der Strahlenbiologie werden für die stetige Verbesserung des Strahlenschutzes und des Notfallschutzes verwendet. Das Ziel des Strahlenschutzes besteht darin, Menschen und Umwelt möglichst gut vor den negativen Auswirkungen ionisierender Strahlung zu schützen und Schäden zu vermeiden.

Zum Schutz der Bevölkerung, der Umwelt und des Personals in Kernanlagen überwacht das ENSI die Einhaltung der Strahlenschutzvorschriften und Dosislimiten. Es ermittelt auch die Strahlenexposition des Werkpersonals und publiziert die Daten im jährlichen Strahlenschutzbericht. Ausserdem kontrolliert das ENSI die Radioaktivitätsabgaben der Kernanlagen und die Einhaltung der Abgabelimiten mit eigenen Messungen und Inspektionen. Ebenfalls der Beweissicherung und der Messung von Dosen im Rahmen des Notfallschutzes dient das ENSI-Messnetz MADUK.

Weitere Informationen zur ionisierenden Strahlung finden Sie in der fünfteiligen Hintergrundserie über Strahlenbiologie auf der ENSI-Website:

Strahlenbiologie (1/5): Der ionisierenden Strahlung auf der Spur

Strahlenbiologie (2/5): Erkrankungen nach hohen Dosen

Strahlenbiologie (3/5): Niedrige Dosen und ihr Schädigungspotenzial

Strahlenbiologie (4/5): So wird ionisierende Strahlung gemessen

Strahlenbiologie (5/5): Aktuelle Forschung

In der vom «Journal of Radiation and Environmental Biophysics» veröffentlichten Arbeit kommen die Forschenden nun zu dem Schluss, dass:

  • drei Modelle, abhängig vom verwendeten Grundrisikomodell und der statistischen Auswertungsmethode, den stärksten Einfluss auf den Modelldurchschnitt haben, und
  • ein Modell klar in der Aussagekraft dominiert, wenn nur die Strahlenrisikomodelle verglichen werden.

Aufgrund dieser Resultate sollten in zukünftigen Risikoanalysen die Modellwahlunsicherheiten berücksichtigt werden, so die Empfehlung.